Am 11. Oktober fand die 4. Sitzung des 9. Landesparteitages in Berlin statt. Im Mittelpunkt standen Themen wie bezahlbare Mieten, die Kürzungspläne des Berliner Senats und das 9-Euro-Sozialticket. Auf der Tagesordnung stand auch der Antrag „Stoppt das Töten“, der einen sofortigen Waffenstillstand und einen Stopp der Waffenlieferungen nach Israel fordert. DIE LINKE Berlin, ein Landesverband, der sich über einen beachtlichen Mitgliederzuwachs freuen kann, hätte damit gut dastehen und Profil zeigen können. Doch dazu kam es leider nicht.
Was war geschehen? Es wurde ein Antrag mit dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus – Emanzipation und universelle Menschenrechte verteidigen!“ vorgelegt. Zu diesem Antrag gab es, wie auf Parteitagen üblich, eine Reihe von Änderungsanträgen aus anderen Bezirken. Die Debatte wurde schnell sehr emotional, insbesondere die Formulierung „eliminatorischer Antisemitismus“ führte zu heftigen Kontroversen.
Was für den weiteren Verlauf wichtig ist: Fast alle Änderungsanträge wurden mit knapper Mehrheit angenommen, daraufhin zogen die Antragsteller:innen den Antrag zurück und verließen unter Protest den Saal. Darunter befanden sich bekannte Gesichter der Berliner Linken wie Klaus Lederer, Elke Breitenbach und Petra Pau. Bereits im Vorfeld stand die klare Ansage im Raum, dass die Antragsteller:innen keine Änderungen zulassen wollten. Insofern war eine Eskalation der Debatte auf dem Landesparteitag vorprogrammiert. Denjenigen, die Änderungen vornehmen wollten, wurde vorgeworfen, sie wollten das Anliegen des Antrags verwässern und nicht entschieden genug gegen Antisemitismus vorgehen.
Das Presseecho ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. Der Berliner Tagesspiegel meinte, „linke Aktivistengruppen und Hamas-Sympathisanten“ wollten den Antrag verwässern. Unverantwortlich und schäbig war eine Äußerung von Katina Schubert, immerhin Bundesgeschäftsführerin der Linken, die in einem Spiegel-Interview dem Bezirksverband Neukölln unterstellte, viele Neumitglieder seien „sehr israelkritisch und leider auch offen israelfeindlich“. Den Landesvorsitzenden der Berliner Linken, Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer, gelang es leider nicht, die Debatte zu wenden. In einer Erklärung räumen sie ein, die heftige Debatte auf dem Parteitag habe gezeigt, „dass wir uns als Partei viel stärker als bisher mit Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen in der gesellschaftlichen Linken auseinandersetzen müssen“.
Dabei ging es auf dem Berliner Parteitag gar nicht um das Thema Antisemitismus, sondern um die Machtfrage, wer weiterhin das Sagen hat. Zugespitzt könnte man sagen, dass hier, nicht zuletzt mit Blick auf den bevorstehenden Bundesparteitag in Halle, alles darauf gesetzt wurde, ob es dem Reformflügel gelingt, die Mehrheit in Berlin hinter sich zu bringen. Diese Rechnung ist offensichtlich nicht aufgegangen. Das Thema Antisemitismus sollte nicht für innerparteiliche Machtspiele missbraucht werden, was leider geschehen ist. Das lässt für den Bundesparteitag in Halle nichts Gutes erwarten.