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Innenpolitik

Berlin: Proteste gegen soziale Grausamkeiten des SPD-PDS-Senats

Von Korrespondentin Berlin | 01.02.2004

Am 15. 1. wurde im Abgeordnetenhaus zum ersten Mal der Berliner Doppelhaushalt für die Jahre 2004/2005 beraten. Nicht nur die Studierenden haben Protest gegen diesen Kürzungskatalog im Sozial- und Bildungsbereich auf ihre Fahnen geschrieben.

Am 15. 1. wurde im Abgeordnetenhaus zum ersten Mal der Berliner Doppelhaushalt für die Jahre 2004/2005 beraten. Nicht nur die Studierenden haben Protest gegen diesen Kürzungskatalog im Sozial- und Bildungsbereich auf ihre Fahnen geschrieben.

So soll nach dem Willen des Senats das Blindengeld um die Hälfte gekürzt werden, was eine massive Verarmung und soziale Ausgrenzung der Blinden in Berlin zur Folge haben wird. Sämtliche Sozialtarife des Öffentlichen Nahverkehrs (Sozial-, Arbeitslosen-, Seniorenticket) werden ersatzlos wegfallen, weil das Land Berlin die Unterstützungszahlung in Höhe von 17,4 Mio. Euro im Jahr streicht. Das ist in etwa die Summe, die Berlin alle drei Tage (!) als Zinsen an die Banken zahlt.
PDS trägt alles mit
Im Haushalt stehen auch die 75 Mio. an jährlichen Kürzungen bei den drei Berliner Unis (entspricht knappen 2 Wochen Zinszahlungen), gegen die seit November die Studierenden aller drei Unis protestieren. Die größten Einsparungen verspricht sich der Senat allerdings im Öffentlichen Dienst, wo weiter Stellenabbau betrieben wird – zusätzlich zur Arbeitszeitverkürzung mit 10%-em Lohnverzicht. Das führt schon jetzt zu zahlreichen Engpässen z. B. im Bereich der Kindergärten (Kitas), die zum Teil die Ganztagsbetreuung einstellen. Doch auch dafür wissen SPD und PDS Rat: Sie haben die Kita-Gebühren so drastisch hochgeschraubt, dass sie damit rechnen, dass 10% der Verträge gekündigt werden, weil Eltern es sich nicht mehr leisten können. Solche Maßnahmen treffen natürlich besonders stark Alleinerziehende, unter denen Frauen die übergroße Mehrheit darstellen.

All diese Maßnahmen, bei denen die Arbeitenden und die sozial Schwachen bluten müssen für Haushaltslöcher, die der Berliner Filz angerichtet hat und an denen Banken und Konzerne verdienen, trägt die PDS widerspruchslos mit. Das unterstreicht sehr drastisch, wohin die Perspektive führt, realpolitisch mitzuregieren: zur völligen Unterwerfung unter kapitalistische "Sachzwänge".
Alle gemeinsam gegen Sozial- und Bildungsraub!
Aus dem Berliner Vorbereitungskreis der Demonstration vom 1. November und der Koordination des studentischen Protests entstand am 4. Januar ein breites Berliner Bündnis gegen Sozial- und Bildungsraub. Erstes Ziel ist es, Betroffene aus den verschiedensten Bereichen gegen den Doppelhaushalt zusammenzubringen.

Die ursprünglich für den 29. Januar angekündigte Haushaltsberatung wurde vom Senat kurzfristig um 14 Tage vorverlegt – wahrscheinlich hat er auf die Organisierung von Widerstand reagiert. Das Bündnis hat die Herausforderung angenommen und versuchte, sehr kurzfristig für einen Aktionstag am 15. Januar zu mobilisieren. Mittags wurde eine mehrstündige "Blockade" des Abgeordnetenhauses durch einen Kundgebungsring organisiert, an dem sich 1.000 – 2.000 Menschen, hauptsächlich Studierende, beteiligt haben. Die Polizei ist teilweise sehr rabiat vorgegangen, es gab 22 Festnahmen. Für 17 Uhr war dann eine zentrale Abschlussdemonstration vorgesehen, zu der auch Gewerkschaften aufgerufen hatten, bei der aber nicht viel mehr als 1.000 Menschen zusammenkamen.
Probleme und Perspektiven
Das Problem war, dass bei der studentischen Mobilisierung die Blockadeaktion am Mittag im Mittelpunkt stand, nicht das Zugehen auf die normale Bevölkerung. Auch aus dem Bündnis haben längst nicht alle beteiligten Kräfte breit mobilisiert. Die Gewerkschaftsführungen haben ihrem Aufruf mal wieder keine Taten folgen lassen, was bei entsprechendem Willen auch in der kurzen Zeit wenigstens ansatzweise möglich gewesen wäre.

Sowohl die Vorbereitung des 15. Januar als auch die Auswertung im Bündnis machten deutlich, dass durchaus verschiedene strategische Zielsetzungen bestehen. Der RSB setzt sich mit anderen Kräften vor Ort dafür ein, dass ausgehend vom Bündnis versucht wird, Kontakte zu den Beschäftigten in den Berliner Betrieben herzustellen, die entweder direkt (Öffentlicher Dienst) oder indirekt (z. B. durch weiter steigende Arbeitslosigkeit) durch die Sparmaßnahmen bedroht sind. Unserer Meinung nach ist eine solche Mobilisierungsarbeit außerhalb des üblichen politisierten Milieus eine der wichtigsten Aufgaben eines Bündnisses, das eine Gegenmacht zum Senat aufbauen will.

Andere Teile des Bündnisses wollen aber die Mobilisierung der Beschäftigten den Gewerkschaften überlassen und höchstens Appelle an die Gewerkschaftsführung richten. Sie beglückwünschen sich zu der Aktion "zivilen Ungehorsams" am 15. Januar und versuchen sich darüber hinweg zu täuschen, dass das Bündnis die Betroffenen Berliner und Berlinerinnen bisher kaum erreicht hat. Arbeiten wir daran, dass sich das bis zur nächsten Lesung des Haushalts im März ändert!

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