Auflösung der PKK und neue Perspektiven

Soli-Demo gegen den Krieg in Afrin am 20.01.2018 in Berlin. Foto: Montecruz Foto, Solidaridad con Afrin @ Berlin, CC BY-SA 2.0

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Kurdistan/Türkei

Auflösung der PKK und neue Perspektiven

Von Mireille Court | 26.05.2025

Am 27. Februar 2025 hat Abdullah Öcalan – von den Kurd:innen liebevoll „Apo“ (Onkel) genannt – von der türkischen Insel Imrali aus, wo er seit 1999 in Isolationshaft sitzt, zur Auflösung der PKK und zur Beendigung des bewaffneten Kampfes in der Türkei aufgerufen. Die fassungslose Reaktion eines Teils der internationalen Öffentlichkeit zeigt, wie sehr die politische Entwicklung der PKK ignoriert worden ist.

Die Auflösung ist am 12. Mai auf einem außerordentlichen Kongress beschlossen worden, der an zwei verschiedenen Orten abgehalten wurde (man kann nie vorsichtig genug sein ). Dies ist das Ergebnis einer Suche nach einer politischen Lösung für die Kurdenfrage, die seit über 25 Jahren andauert.

Ein jahrzehntelanger Kampf gegen Unterdrückung

Bei der Gründung der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) im November 1978 lebte die Bevölkerung der kurdischen Regionen unter dem Joch des türkischen Nationalismus und litt in ihrem politischen und täglichen Leben unter permanenter Unterdrückung: Verbot, die Muttersprache zu sprechen, Verbot, sich als kurdische Partei zur Wahl zu stellen usw. Die Liste der Verbote war lang. Ein Beispiel: 1991 sprach Leyla Zana, Abgeordnete des türkischen Parlaments, einen Satz auf Kurdisch: „Es lebe der Frieden zwischen dem türkischen und dem kurdischen Volk!“ Das brachte ihr 15 Jahren Haft und Folter ein. Die einzige verbleibende Form des politischen Ausdrucks war daher der bewaffnete Kampf.

Ab Mitte der 1990er Jahre suchte die PKK nach einer Alternative zum bewaffneten Kampf. Bei seinem Prozess 1999 bekräftigte Abdullah Öcalan sein Engagement für eine föderale Lösung mit gleichen Rechten für alle.

Die PKK unternahm zahlreiche Versuche, einen Dialog mit der türkischen Regierung aufzunehmen, unter anderem mit Friedensaktivist:innen, die aus den Bergen herunterkamen, aber die Mauer des türkischen Nationalismus blieb unüberwindbar, kurdische Parteien wurden systematisch aufgelöst: HEP, DEP, HADEP Auch hier ist die Liste lang.

Öffnung und Arabischer Frühling

Zu Beginn der Amtszeit von Recep Tayip Erdoğan im Jahr 2003 als Ministerpräsident der Türkei schien eine Öffnung möglich, es wurden Verhandlungen aufgenommen, doch all dies wurde mit der Revolution in den arabischen Ländern 2011 zunichte gemacht.

Erdoğan sah eine Chance, eine dominierende Rolle im Nahen Osten zurückzugewinnen, und brach die Verhandlungen ab. Währenddessen organisierte sich in Rojava, im Nordosten von Syrien, ein Labor für die Ideen der PKK, eine autonome Region, die die Gleichberechtigung von Männern und Frauen propagierte, mit Kämpfer:innen, die 2014 von den Kandil-Bergen herabkamen und die Jesiden retteten, Kobanê 2014/15 verteidigten und gleichzeitig ein Bündnis mit arabischen Stämmen schlossen, um die Demokratischen Kräfte Syriens (kurdisch: Hêzên Sûriya Demokratîk; engl. SDF) zu bilden. Die Existenz von Rojava schien seit der Invasion der Türkei in Afrin im Nordwesten Anfang 2018 und dann im Oktober 2019 in Serê Kaniyê sowie der Kontrolle der Euphrat durch die Türkei an einem seidenen Faden zu hängen. Die Offensive von Dschihadisten, durch die Baschar al-Assad Anfang im Dezember 2024 gestürzt worden ist, hat die Lage verändert.

Die Türkei hatte auf ihre Söldner der Syrischen Nationalen Armee (arabisch: al-Ǧaiš al-waṭanī as-sūrī) gesetzt, um Rojava zu besiegen, doch die SDF hielt stand. Der neue syrische Präsident Ahmed al-Scharaa hat keine Armee mehr, da Israel alle seine Militärstützpunkte bombardiert hat. Seine einzige Sorge war die Aufhebung der Sanktionen. Die USA haben dies bereits getan, Europa wird wahrscheinlich folgen.

Die Türkei hat ihre intensiven Bombardements von Rojava und dem Nordirak eingestellt, da es nun eine neue Route für Öl und Gas durch das irakische Kurdistan als Alternative zur russisch-chinesischen Route geht.

Werden die wirtschaftlichen Interessen ausreichen, um eine akzeptable politische Lösung für die Kurdenfrage zu finden? Der Ball liegt nun bei der Regierung in Ankara, die noch immer keine:n der 12 000 politischen Gefangenen freigelassen hat – eine Grundvoraussetzung für ernsthafte Verhandlungen.


Dieses Gespräch ist zuerst in der Wochenzeitung der NPA erschienen (LʼAnticapitaliste, Nr. 755, 22. Mai 2025) und von Wilfried aus dem Französischen übersetzt und bearbeitet worden.

Siehe dazu auch: Uraz Aydın, Die Türkei und die kurdische Frage, die internationale, 2/2025.

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