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Betrieb & Gewerkschaft

Alstom: Widerstand über die Grenzen hinweg!

Von Rouge | 01.09.2003

Nach wie vor will der Elektrotechnik-Konzern Alstom tausende Arbeitsplätze weltweit vernichten. Der Widerstand gegen diese Kahlschlagpläne erreichte mit dem internationalen Protest in Paris am 2. Juli einen vorläufigen Höhepunkt. Die Initiative hierzu ging vom Mannheimer Alstom-Betriebsrat aus.

Nach wie vor will der Elektrotechnik-Konzern Alstom tausende Arbeitsplätze weltweit vernichten. Der Widerstand gegen diese Kahlschlagpläne erreichte mit dem internationalen Protest in Paris am 2. Juli einen vorläufigen Höhepunkt. Die Initiative hierzu ging vom Mannheimer Alstom-Betriebsrat aus.

Unsere Schwesterzeitung Rouge (Wochenzeitung der LCR, der französischen Sektion der IV. Internationale) interviewte am Rande dieser von den französischen Medien aufmerksam verfolgten Demonstration einen der bei Alstom aktiven Gewerkschaftskollegen.

Rouge: Etwa 4500 ArbeiterInnen aus mehreren europäischen Ländern demonstrieren in Paris für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze…

Antwort: Diese Demonstration ist ein großer Erfolg. Sie ist die bedeutendste internationale Aktion, die bisher bei Alstom stattgefunden hat. Das Bewusstsein, dass es notwendig ist, grenzüberschreitend Widerstand zu leisten, ist spürbar gewachsen. Es ist kein Zufall, dass die zentrale Losung dieser Demo „Résistance – Widerstand" von praktisch allen RednerInnen der Abschlusskundgebung aufgegriffen worden ist.

Rouge: Was sind die Ursachen der Krise von Alstom?

Antwort: In erster Linie ist die harte Konkurrenz zwischen den großen multinationalen Konzernen hierfür verantwortlich. Sie hat sich in den letzten Jahren verschärft. Alles ist der kurzfristigen Profitmaximierung unterworfen. Das ist ein Kennzeichen des gegenwärtigen Kapitalismus.

Aber es gibt auch konzerninterne Ursachen. Alstom hat die ehemaligen Anteilseigner Alcatel und Marconi mit astronomischen Summen ausbezahlt und damit sein Eigenkapital empfindlich geschwächt. Zudem hat der Kauf der konventionellen Kraftwerkssparte von ABB ohne ausreichende vertragliche und finanzielle Absicherung eine Existenzkrise bei Alstom ausgelöst. Schließlich haben schwere Managementfehler zu Qualitätsproblemen geführt. Die Folge von alledem ist eine Verschuldung des Konzerns von 5,3 Milliarden Euro am Jahresende 2002.

Rouge: Was haben die Beschäftigten von Alstom von der Konzernleitung zu erwarten?

Antwort: Das Management steht unter der Kontrolle der Banken. Diese fordern den Verkauf von ganzen Konzernteilen, um so schnell wie möglich ihre Kredite zurückzuerhalten. Es ist bezeichnend, dass die profitabelsten Unternehmenssparten als erste verkauft werden. Die Konzernleitung will die Hälfte der Schulden bis 2005 abbauen. Gleichzeitig will sie den Nettoprofit von 4 auf 6 % steigern. Opfer dieser Politik sind die noch rund 110.000 Beschäftigten. Die Konzernführung will die Lohn- und Gehaltssumme um rund 500 Millionen Euro pro Jahr verringern. Das bedeutet die Vernichtung von etwa 10.000 Arbeitsplätzen. Es stellt sich die Frage, was von Alstom übrig bleibt, wenn diese Pläne umgesetzt werden können.

Rouge: Welche Gegenwehr ist von den Beschäftigten zu erwarten?

Antwort: Was die Aktionen betrifft, ist ein noch massiverer Widerstand an den einzelnen Standorten erforderlich. Auf nationaler und internationaler Ebene muss die Gegenwehr noch besser koordiniert werden. Die nationalen Aktionstage in Frankreich und Deutschland sind Schritte in die richtige Richtung gewesen, und die heutige Demonstration ist eine wichtige Etappe im Kampf für den Erhalt unserer Arbeitsplätze. Die Klage des Europäischen Betriebsrats gegen die Konzernleitung wegen unzureichender Information über die Abbaupläne kann uns helfen, Zeit zu gewinnen. Aber alles das wird nicht ausreichen, um das Management zum Nachgeben zu zwingen.

Spätestens im Herbst sollte ein internationaler Aktionstag an allen Alstom-Standorten gleichzeitig organisiert werden. Dadurch könnten wir beweisen, dass wir uns nicht aufspalten lassen. Wir müssten außerdem noch wirkungsvollere Aktionen organisieren – zum Beispiel Betriebsbesetzungen. Hierüber gibt es immerhin erste Diskussionen. 
Die Besetzung eines Standortes, der von Stilllegung oder massivem Arbeitsplatzabbau bedroht ist, hätte eine beträchtliche Öffentlichkeitswirkung und würde die Entschlossenheit des Widerstands der Beschäftigten unterstreichen.

Rouge: Und welche Forderungen stehen an?

Antwort: Wenn ein Konzern wie Alstom von der Zerschlagung bedroht ist, müssen wir uns innerhalb der Gewerkschaften für eine wirklich klassenkämpferische und internationalistische Orientierung einsetzen. Außerdem: Die Produkte von Alstom [konventionelle Kraftwerke und Züge – der Übersetzer] haben einen gesellschaftlichen Nutzen. Wenn die AktionärInnen, die Manager und die Banken die Grundlage für die Herstellung dieser Produkte zerstören wollen, dann stellt sich die Frage des Eigentums an den Produktionsmitteln. Es ist vernünftiger, ein solches Unternehmen unter öffentliche Kontrolle zu stellen, um die Arbeitsplätze und die Produktivkraft zu erhalten, als noch mehr Menschen auf die Straße zu werfen, damit die KapitaleignerInnen noch mehr abkassieren können.

 

Mannheim: Überbetriebliche Initiative gegen Arbeitsplatzvernichtung und Sozialabbau
Auf Einladung des Betriebsrats von Alstom Power trafen sich am 16. Juli im Mannheimer Gewerkschaftshaus rund 60 BetriebsrätInnen, Vertrauensleute und AktivistInnen der sozialen Bewegungen (Arbeitslose, attac …). Außer MetallerInnen waren auch KollegInnen der IG BCE sowie der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di vertreten.

Die Berichte aus den vertretenen Betrieben und Verwaltungen des Rhein-Neckar-Raums machten deutlich, dass Arbeitsplatz- und betrieblicher Sozialabbau praktisch überall Hand in Hand gehen. Die dort erwähnten Beispiele betrieblichen Widerstands stießen auf offene Ohren. Eine kontroverse Diskussion entwickelte sich allerdings über die Frage, ob neben dem Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung der Protest gegen die Agenda 2010 bei gemeinsamen Aktionen eine Rolle spielen sollte. Die Bildung eines kleinen Vorbereitungskreises beschloss die überraschend positive Versammlung.

Auf einem weiteren Treffen Anfang September soll die für den 27. September geplante Großdemonstration (Sammelpunkt 10 Uhr 30 am Mannheimer Schloss) besprochen werden. Es wäre sinnvoll, wenn weitere überbetriebliche Aktionen folgen und in anderen Städten ähnliche Initiativen ergriffen würden.

Eichel als neoliberaler Vorturner
Das Vorhaben der französischen Regierung, Alstom finanziell zu unterstützen, ist bei Bundesfinanzminister Eichel und der überregionalen deutschen Presse auf Ablehnung gestoßen. Eichel sieht durch dieses Vorhaben den Wettbewerb und vor allem die deutsche Konkurrenz benachteiligt.

Frankreichs Premier Raffarin hat mittlerweile grünes Licht für eine Beteiligung des französischen Staats an dem Pariser Elektrotechnikkonzern gegeben. Allerdings muss di
e Europäische Kommission dieses Vorhaben noch genehmigen. 300 Mio. Euro will Paris zu der für Herbst geplanten Kapitalerhöhung bei Alstom beitragen. Die französische Republik würde dann mit einem Anteil von rund 30 % zum Hauptaktionär des Unternehmens. Dieser von manchen Medien als „Rückfall in den Staatsinterventionismus" gegeißelte Schritt soll in erster Linie die Gläubigerbanken von Alstom ruhig stellen. Zwar ist damit der drohende Konkurs von Alstom erst einmal abgewendet, aber der von der Konzernleitung angekündigte Arbeitsplatzabbau soll dennoch durchgesetzt werden.

Der Betriebsrat von Alstom Power in Mannheim kritisierte Eichels Stellungnahme: „Dem Bundesfinanzminister dürfte wohl entgangen sein, dass der Alstom-Konzern auch in Deutschland 11.000 Menschen in 41 Städten beschäftigt, die von einer Insolvenz betroffen wären." Das ist richtig. Zudem: Wenn Steuergelder für den Erhalt eines Unternehmens zur Verfügung gestellt werden, dann stellt sich um so mehr die Frage nach der gesellschaftlichen Kontrolle von Unternehmen und nach dem Verbot von Entlassungen.

 

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