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Innenpolitik

Agenturschluss: Brücke zum Protest?

Von B.B. | 01.01.2005

Unter dem Motto Agenturschluss fanden am 3. Januar in über 45 Städten Proteste gegen Hartz IV statt.

Die Idee ging vom Kongress „Die Kosten rebellieren“ aus, der Ende Juni 2004 in Dortmund stattfand und sich mit fast allen Gesichtspunkten der Prekarisierung der Arbeit auseinandersetzte. Dort wurden u.a. deregulierte Arbeitsverhältnisse, Out-sourcing von Dienstleistungen, Flexibilisierung der Arbeit und die Schaffung eines staatlich geförderten Niedriglohnsektors besprochen und kritisiert.
Aus der Diskussion erwuchs die Aktion Agenturschluss, die zu Protesten in und um die örtlichen Agenturen für Arbeit am 3.1.2005 aufrief, um den Start von Hartz IV zu stoppen. „Unser Ziel ist es, uns in den Ämtern zu versammeln, den Betrieb lahm zu legen und dort zu protestieren und zu diskutieren“, hieß es in dem Aufruf.

Das Echo

Die Konferenz „Die Kosten rebellieren“ und das mit dem Netzwerk der Gewerkschaftslinken verbundene labournet hatten mit Agenturschluss vor, die Erwerbsloseninitiativen vor allem mit Selbstorganisationen der MigrantInnen und GewerkschafterInnen zusammenzubringen. In der Vorbereitungsphase von Agenturschluss beteiligten sich nur einige Menschen in wenigen Städten an sog. „Nikolausaktionen“ vor Arbeitsagenturen. Am 3. Januar fehlten die Erwerbslosen, die zu den Montagsdemonstrationen gekommen waren; es fehlten die MigrantInnen ebenso wie die GewerkschafterInnen. Die Gewerkschaft ver.di lehnte die Aktion ab. Angeblich richte sie sich an die falsche Adresse und gegen die Beschäftigten. Das fiel der ver.di-Bürokratie erst spät ein. Denn die monatlichen Protesttage vor der Bundestagswahl 1998 fanden damals – mit Unterstützung der Gewerkschaften – vor allem vor den Arbeitsämtern statt. Aber da hieß der Bundeskanzler noch Kohl und nicht Schröder.
Ein positives Echo fand Agenturschluss überwiegend in der ehemals „autonomen“ Szene, wo immer mehr Menschen direkt von Sozialabbau bzw. Hartz IV betroffen sind und die soziale Frage wieder entdecken. Hier wird vor allem der repressive Charakter der „Arbeitsagenturen“ betont, die zur „Arbeitspolizei“ werden.

Kaum Aktionseinheiten, kaum Perspektiven

Hatte sich die ehemals „autonome“ Szene nicht an den Montagsdemonstrationen beteiligt, so ignorierte das, was von den Montagsdemonstrationen übriggeblieben ist, weitgehend den Agenturschluss. Der MLPD passte die Aktion nicht ins Konzept – vor allem, weil der Vorschlag nicht von ihr kam.
Andererseits machten es die ehemaligen „Autonomen“ nicht gerade leicht, zu gemeinsamen Aktionen zu kommen. Traditionell wird hier mehr Wert auf die Aktionsformen als auf die Inhalte gelegt. So war in Kiel von „neuen Formen des Protestes und der Gegenmacht“ und vom „ersten Erwerbslosenstreik“ die Rede. In Oberhausen wollte mensch am 3. Januar „einen neuen Raum öffnen zur Kommunikation für Erwerbslose“. Als Kehrseite der Selbst-überschätzung fehlte die inhaltliche Perspektive. Hier war es wichtig, die Forderungen nach 30 Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich und nach 1.500 Euro Existenzgeld brutto zu verbreiten.
So bleibt Agenturschluss eine nützliche, wahrscheinlich einmalige Aktion, die durch ihr Medienecho über Hartz IV Bewusstsein schaffte. Sie war grundsätzlich zu unterstützen, wie auch die Montagsdemonstrationen und jede noch so kleine Aktion gegen Hartz IV und die Agenda 2010 zu unterstützen waren und sind. Agenturschluss konnte aber keine Brücke sein, um die Proteste gegen Hartz IV wieder anzufachen und erneut viele Erwerbslose auf die Straße zu bringen, weil die Aktion kein vorher und nachher hat. Zudem haben die unmittelbar von Hartz IV Betroffenen alle Hände voll zu tun, um über die Runden zu kommen. Viele haben auch resigniert, weil die Proteste das Gesetz nicht verhindert haben. Es wird aber sinnvoll bleiben, lokale Aktionen für den Februar zu planen, denn die Betroffenheit wird steigen.

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