Frauenunterdrückung in der Pandemie
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Coronavirus

Frauenunterdrückung in der Pandemie

Von Nora Bräcklein | 05.03.2021

Fast ein Jahr ist es her, dass der erste „Lockdown“ in Deutschland verhängt wurde. Was manche zu Beginn der Corona-Krise als eine Entschleunigung wahrnahmen, bedeutete für viele Frauen eine enorme Belastung, wenn nicht Überlastung.

Leicht gekürzter Redebeitrag für die Kundgebung „Solidarisch durch die Krise“ am 14.02.2021 in Heidelberg-Emmertsgrund

Weibliche Überlastung

Sorgearbeit und Pflege werden immer noch überwiegend von Frauen ausgeführt. In der Pandemie wird diese Arbeit sowohl in der bezahlten Lohnarbeit als auch unbezahlt zu Hause noch dringlicher gebraucht als vorher.

Es sind meistens die Frauen, die im „Lockdown“ neben der Lohnarbeit die Kinderbetreuung zu Hause übernehmen. Sie werden zu Lehrerinnen ihrer eigenen Kinder. Sie besorgen die Mahlzeiten und bereiten sie zu, die vorher in den Einrichtungen bereitgestellt wurden. Und sie leisten die zusätzliche Putzarbeit, die anfällt, wenn die Kinder den ganzen Tag zu Hause spielen, springen und krümeln.

Von Belastung bis Bedrohung

Frauen sind auch besonders häufig in prekären Verhältnissen beschäftigt. Mit Blick auf die Zustände in Betreuung, Pflege und Reinigung erscheint der gesetzlich verankerte Gesundheitsschutz im Betrieb wie ein Witz. Wer prekär beschäftigt ist, wird auch eher in Kurzarbeit geschickt oder verliert die Arbeitsstelle. Das passiert insbesondere dann, wenn Lohnarbeit und die Betreuung von Kindern und Angehörigen unter einen Hut gebracht werden müssen.

Mit dem „Lockdown“ wurden immer mehr Stimmen laut, die auf die zunehmend gefährliche Situation von Frauen hinwiesen. Sie wurden noch stärker ins Haus gedrängt – für viele eine immense Bedrohung. Das Zuhause gehört für Frauen in Deutschland zu den unsichersten Orten. Gewalt an Frauen kommt häufig aus dem nahen Umfeld.

Im Laufe des letzten Jahres hat sich gezeigt: Die Befürchtungen waren berechtigt. Die Frauenhäuser sind überfüllt. Es fehlt an Personal. Hunderte Frauen mussten im vergangenen Jahr abgewiesen werden – von dem Ort, an dem sie sich Zuflucht erhofft hatten. Gleichzeitig scheinen die öffentlichen Stimmen weniger geworden zu sein, die an die Situation von Frauen in gewaltsamen Beziehungen erinnern. Ist die vermehrte Gewalt an Frauen zum Normalzustand geworden? So wie die Gewalt vor der Pandemie auch schon der Normalzustand war. Weitgehend als bedauernswerte Tatsache hingenommen oder einfach ignoriert?

Frauenkampf ist Klassenkampf

Die Pandemie führt uns so manche Missstände wieder deutlicher vor Augen. Sie verschärft die Bedrohung durch den Klassenkampf von oben und rechte Bewegungen. Lasst uns dafür sorgen, dass wir uns als Gesellschaft nicht noch weiter an Ungleichheit, Unterdrückung und Ausbeutung gewöhnen! Lasst uns dagegen wehren!

Was aber bedeutet das in der aktuellen Situation? Der erste Schritt muss sein, gemeinsam die Pandemie zurückzudrängen. Die aktuelle halbherzige und kapitaltreue Krisenpolitik der Regierung führt zu einem Jojo-Effekt im Pandemiegeschehen und damit auch zu einer ständigen Fortschreibung der Belastung und Bedrohung von Frauen.

Wir brauchen jetzt ein schnelles und radikales Handeln: alle gesellschaftlichen Bereiche, die nicht absolut lebensnotwendig sind, müssen für einige Wochen pausieren, um die Infektionszahlen auf ein Minimum hinunterzudrücken und das kontrollierte Sterbenlassen endlich zu beenden. Nur so können wir in absehbarer Zeit wieder schrittweise das öffentliche Leben aufnehmen.

In der aktuellen Situation tritt besonders deutlich zutage, wie eng alle gesellschaftlichen Bereiche miteinander verknüpft sind. Die Pandemiebekämpfung hängt von einem harten, aber solidarischen Lockdown in allen nicht lebensnotwendigen Bereichen ab, wie ihn die ZeroCovid-Kampagne fordert. Akut und langfristig wirksame Pandemiebekämpfung bedeutet, um nur einige zu nennen: vorübergehendes Herunterfahren aller Betriebe, die keinen wirksamen Infektionsschutz sicherstellen, gemeinschaftliche Bewältigung von Sorgearbeit, Auflösung von Sammelunterkünften, Ausbau des gesamten Gesundheits- und Pflegebereichs.

Jetzt zusammenschließen!

Dabei wird deutlich: Es kann nicht darum gehen, zu den Zuständen vor der Pandemie zurückzukehren. Solange das Kapital herrscht, wird es keinen echten Gesundheitsschutz geben, keine echte Frauenbefreiung, keine gemeinschaftliche Sorgearbeit. Wenn die gesellschaftliche Produktion sich am Menschen ausrichten soll, müssen wir uns als Klasse erheben und die Produktion einschließlich der Sorge- und Pflegearbeit in unsere Hände nehmen.

Fast 100.000 Menschen haben den ZeroCovid-Aufruf unterschrieben, es bilden sich Ortsgruppen und Betriebsgruppen. Jetzt gilt es, die Kampagne weiter mit Leben zu füllen. Wir müssen die Forderungen auf die Straße und in die Betriebe tragen und uns für ihre Umsetzung selbst organisieren.

Es ist nicht mehr die Zeit für Haarspaltereien um einzelne Teilaspekte der Pandemiebekämpfung. Wenn wir die Pandemie in Griff bekommen und das Sterbenlassen beenden wollen, müssen wir uns jetzt zusammenschließen! Wenn wir uns als Frauen, als Kinder und Jugendliche, als rassistisch diskriminierte Menschen, als pflegebedürftige Menschen befreien wollen, wenn wir uns als arbeitende Klasse befreien wollen, müssen wir uns jetzt zusammenschließen und eine solidarische Front bilden!

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