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Feminismus

8. März: „Freiheit und Gleichberechtigung der Geschlechter im Iran“

Von Barbara Schulz | 01.03.2010

Bei der Winterolympiade 2010 in Vancouver trug beim Einmarsch der Delegationen eine Frau die Fahne der Islamischen Republik Iran. Sie war in der traditionellen schwarzen Tracht.

Bei der Winterolympiade 2010 in Vancouver trug beim Einmarsch der Delegationen eine Frau die Fahne der Islamischen Republik Iran. Sie war in der traditionellen schwarzen Tracht.

Ist das eine Meldung? Die erste Frau aus dem Iran, die an einer Olympiade teilnimmt, Marjan Kalhar, ist qualifiziert für Slalom und Riesenslalom, sie wird – so wird es vorhergesagt – in aerodynamischer Kleidung und mit Kopftuch starten. Wenn Frauen im Lande von Tugendwächtern genauestens überprüft werden, ob sie sittsam gekleidet sind, kein Bein zeigen, schon gar nicht Schulter oder Hals, oder auch Haar, und dezent geschminkt sind, ist das schon eine Meldung. Bekleidungsvorschriften haben im Iran auch sonst eine Rolle gespielt. Als Schah Reza Pahlevi den Iran modernisieren wollte, verordnete er 1929 den Männern westliche Kleidung und verbot 1936 den Frauen den Tschador. So konnte es 1979 mit Khomeini und der Islamischen Republik dazu kommen, dass Frauen den Tschador als Symbol der Abwendung vom Schahregime trugen.

Die Freiwilligkeit, die Demonstration ist das Eine, der Zwang von heute das Andere. Das gilt auch, wenn Wissenschaftlerinnen davon überzeugt sind, dass das Tragen sittsamer Kleidung die Bildung der Frauen erleichtert hat. Heute sind 60 % der Studierenden Frauen, was aber nun eingeschränkt werden soll. Die Vielzahl der gebildeten Frauen spiegelt sich allerdings nicht in einer entsprechenden Zahl von Berufstätigen und macht Frauen unabhängig, dennoch ist es ein Schritt zur Emanzipation.
Frauenunterdrückung
Was treibt die Vielzahl von Frauen auf die Straße, um gegen das herrschende Regime zu protestieren? Ein preisgekröntes Foto zeigt Frauen auf einem Hausdach, von dem sie nicht nur Allah ist groß, sondern auch Tod dem Diktator rufen. Frauen haben versucht, eine Million Unterschriften zu sammeln, weil sie ihre Menschen- und Bürgerinnenrechte einforderten, sie fordern Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichwertigkeit im Zeugenstand, gleiches Erbrecht u. Ä. Obwohl sie sich um Dezenz bemühten, wurden sie verhaftet,  ins Gefängnis gesteckt, auch gefoltert. Frauen können auch öffentlich gehängt werden, an einem Kran baumelnd, den vielleicht sogar ein deutsches Unternehmen geliefert hat. Zwar ist die Steinigung offiziell als Strafe ausgesetzt, was sie aber als konkrete Drohung bestehen lässt. Ein Film über die Steinigung der Soraya M. hat diese Barbarei noch einmal verdeutlicht. Bis zur Brust eingegraben, stirbt sie einen langsamen, grausamen Tod. Frauen können geschieden werden, wenn der Mann süchtig, impotent, geisteskrank oder vom Glauben abgefallen ist. Polygamie ist legal, ein Mann kann mehrere Frauen haben. Eine Frau braucht die Zustimmung des Mannes, dem sie zugeordnet ist, um eine Arbeit annehmen zu können oder zu reisen.
Bürger­Innenrechte
Es ist also nicht verwunderlich, wenn Feministinnen und Aktivistinnen für den 8. März, den Internationalen Frauentag, um Unterstützung bitten. Sie stellen den Tag unter das Motto: „Freiheit und Gleichberechtigung der Geschlechter im Iran“. Sie können das nicht als Organisation tun. Shirin Ebadi – Nobelpreisträgerin – wirbt bei ihren Auftritten im Westen – und sie tat es in Hamburg vor Hunderten, allerdings vorwiegend Migrant­Innen für die Menschen- und Bürger­Innenrechte im Iran. Sie hält das gegenwärtig für die entscheidende Forderung. Wer verfolgt, wie schwer es Gewerkschaftsorganisationen im Iran haben – und die haben potente Verbündete – kann sich gut vorstellen, wie wichtig die Versammlungsfreiheit, die Meinungs-  und Vereinigungsfreiheit sind. Auch für Frauenorganisationen wäre das von Bedeutung.

Was nützt das alles den proletarischen Frauen? Ausgebildete und ökonomisch unabhängige Frauen können eher Rechte erkämpfen, allerdings wissen wir heute nicht, welche Frau unter dem Tschador auf der Straße protestiert. Von der Erkämpfung der Menschen- und Bürger­Innenrechte profitieren alle Frauen – und auch Männer.  Wir sehen Lida Heymann und Anita Augspurg mit Achtung wie auch Clara Zetkin und Rosa Luxemburg.

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