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Länder

20 Jahre Konterrevolution auf Grenada

Von joe hill | 01.04.2004

Im Oktober 1983 kam es zu einem abrupten Ende des revolutionären Prozesses auf der kleinen Karibikinsel Grenada. Ein stalinistischer Putsch und die nachfolgende US-Intervention zerstörten große Hoffnungen und hinterließen eine politische Wüste.

Im Oktober 1983 kam es zu einem abrupten Ende des revolutionären Prozesses auf der kleinen Karibikinsel Grenada. Ein stalinistischer Putsch und die nachfolgende US-Intervention zerstörten große Hoffnungen und hinterließen eine politische Wüste.

Grenada mit ca. 110.000 EinwohnerInnen rückte am 13. März 1979 in den Blickpunkt der linken Weltöffentlichkeit. Die korrupte und autoritäre Regierung des Gewerkschaftsbürokraten und UFO-Forschers Eric Gairy wurde in einem nahezu unblutigen Aufstand des New JEWEL Movement (NJM)1  gestürzt. Das NJM war einige Jahre zuvor aus verschiedenen linken Zirkeln hervorgegangen und fand unter den ArbeiterInnen und KleinbäuerInnen große Unterstützung, obwohl die Organisation auf Grund der Repression klein und in der Halblegalität blieb.

Auch nach dem Sturz des Regimes änderte sich die Arbeitsweise des NJM nicht, was zunächst wenig Beachtung fand, da andere Strukturen wichtiger erschienen. Die aus NJM-Mitgliedern und Parteilosen bestehende "revolutionäre Volksregierung" (PRG) und die regelmäßig stattfindenden Versammlungen und Beratungen auf örtlicher und regionaler Ebene mit bis zu 10.000 TeilnehmerInnen stellten sich zunächst als die entscheidenden Instanzen heraus. Das NJM bestand aus lediglich 80 Vollmitgliedern und ca. 350 KandidatInnen.
Grundlegende Reformen
In der Zeit zwischen 1979 und 1983 wurden vielfältige Maßnahmen ergriffen. Eine beginnende Landreform, Gründung von Kooperativen, Enteignungen von freilich bei weitem nicht allen kapitalistischen Betrieben, gezielte Förderung des Bildungs- und Gesundheitsbereiches und die Diversifizierung der bisher einseitig Export orientierten Landwirtschaft führten zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensbedingungen der Massen. Tausende von Frauen organisierten sich. Die rechtliche Gleichstellung wurde durchgesetzt, die tatsächliche in Angriff genommen. Materielle Unterstützung erhielt die grenadinische Revolution vor allem aus Kuba.

Unter den NJM-Mitgliedern befand sich allerdings auch ein der Öffentlichkeit kaum bekannter stalinistischer Zirkel um Vizepremier Bernard Coard. Diesem gelang es, die Rekrutierung und Schulung neuer Mitglieder mit Werken Stalins und die Revolutionären Streitkräfte (PRA) unter Kontrolle zu bringen. Der stalinistische Einfluss in Regierung und Partei wuchs. Die Gruppe um Coard legte nach und nach offen, worauf sie hinaus wollte: eine Mischung aus einer "revolutionären Militärdiktatur" und dem Vorbild von DDR und CSSR. Gleichzeitig wuchs auch der Druck des US-Imperialismus. Diesem war vor allem der mit kubanischer Hilfe gebaute internationale Flughafen ein Dorn im Auge.
No Bishop – No Revo!
Mitte Oktober 1983 putschte der Flügel um Coard. Der außerordentlich populäre Premierminister Maurice Bishop und andere NJM-Mitglieder und GewerkschaftsführerInnen wurden inhaftiert. Dies führte zu der größten Mobilisierung in der Geschichte Grenadas. Unter der Parole "No Bishop – No Revo!" versammelte sich ein Fünftel der Bevölkerung und befreite Bishop am 19. Oktober aus der Haft. Unter stalinistischer Kontrolle stehende Einheiten der PRA begannen daraufhin in die Menge zu schießen und töteten etwa 100 Menschen. Bishop, Außenminister Whiteman und Gesundheitsministerin Creft und andere RevolutionärInnen wurden, nachdem sie sich ergeben hatten, von den StalinistInnen postwendend ermordet.

Coard und seine AnhängerInnen riefen nun einen "revolutionären Militärrat" zum obersten Machtorgan aus und verhängten eine unbefristete Ausgangssperre. Diese Situation nutzten die USA. Am 25. Oktober überfielen Marines die Insel und besetzten sie, teilweise sogar (auf Grund der Erfahrung der vorangegangenen Tage) als Befreier begrüßt. Dabei wurden hunderte GrenadinerInnen und mehrere Dutzend kubanischer InternationalistInnen – die kubanische Führung unterstütze übrigens den NJM-Flügel um Bishop – von den US-Truppen massakriert, ein neoliberales Regime installiert und die meisten revolutionären Errungenschaften nach und nach beseitigt. Heute ist Grenada ein verschuldeter Staat mit einer verarmten Bevölkerung, die Linke hat sich nicht von der Niederlage von 1983 erholen können. Stalinismus, US-Imperialismus und einheimische Bourgeoisie sind sich in der Wahl ihres Hauptfeindes sehr einig gewesen und haben eine der unmittelbarsten Erfahrungen von ArbeiterInnenmacht im 20. Jahrhundert gemeinsam zerstört.

1 JEWEL = Joint Endeavour for Welfare, Education and Liberation, gemeinsames Streben nach Wohlfahrt, Bildung und Befreiung 

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