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Innenpolitik

1000 Menschen demonstrieren gegen das geplante Gesetz zur Tarifeinheit

Von Jakob Schäfer | 19.04.2015

Am 18.4. fand in Frankfurt eine Demonstration von annähernd 1000 Menschen gegen das geplante Gesetz zur „Tarifeinheit“ statt. Organisiert wurde es vom Aktionsbündnis „Hände weg vom Streikrecht – für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit“ (www.streikrecht-verteidigen.org). An der Mobilisierung hatten sich beteiligt einzelne Gliederungen von ver.di und der GEW sowie die GDL, die FAU, die Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken und eine ganze Reihe politischer Organisationen und Einzelpersonen.

Zum Auftakt sprach Winfried Wolf, Chefredakteur von Lunapark21 und Initiator der Streikzeitung, die mit ihren bisher 4 erschienenen Nummern nicht nur den Tarifkampf der GDL unterstützt hat, sondern auch ganz stark zur Aufklärungsarbeit in Sachen Tarifeinheit beigetragen hat. Winfried Wolf betonte unter anderem, dass dieser Gesetzentwurf nicht isoliert betrachtet werden darf. Gerade die Initiative der CSU (vom 26. Januar) zeige, wohin die Reise gehen soll: Künftig soll es für Streiks eine Ankündigungsfrist von 4 Tagen geben, für einen weit gefassten Bereich der Daseinsvorsorge und der Infrastruktur sollen Mindestbesetzungen sichergestellt werden, bevor zu Streiks aufgerufen werden kann und überhaupt soll jeglicher Streik nur die „Ultima Ratio“ sein, und zwar dadurch, dass jedem Streik erst mal eine Schlichtung vorgeschaltet sein muss (also eine Zwangsschlichtung gesetzlich verankert werden soll).

Bei der Zwischenkundgebung sprachen Christiaan Boissevain, Betriebsrat in einem Münchner Metallbetrieb und Helmut Born, Mitglied im ver.di-Landesvorstand NRW. Beide wiesen auf die Gefahren hin, die entstehen, wenn sich Gewerkschaften in dieser existenziellen Frage abstinent verhalten oder gar (wie dies beim IGM-Vorstand der Fall ist) das Gesetzesvorhaben sogar noch unterstützen. Wohin die Reise geht, zeigt nicht zuletzt der aktuelle Vorstoß des Wirtschaftsflügels der CDU-Bundestagsfraktion, dem der vorliegende Gesetzesentwurf noch nicht weit genug geht. Wer hier schweigt und sogar noch Beifall klatscht, der macht sich mitschuldig an der Aushöhlung gewerkschaftlicher Rechte. Kollege Born wies auch darauf hin, dass der Meinungswandel bei ver.di (die 2011 zunächst noch die Gesetzesinitiative der BDA und des DGB unterstützt hatte) nicht vom Himmel fiel. Viele Gliederungen hatten damals massiv gegen diese Initiative protestiert und auf die selbstmörderische Dynamik einer solchen Politik verwiesen. Heute ist auch der ver.di-Vorstand klar gegen das Gesetzesvorhaben positioniert.

Rudolf Mühland von der FAU legte großen Wert auf die Feststellung, dass es von unschätzbarem Wert sei, dass die heutige gemeinsame Aktion von so vielen verschiedenen Kräften durchgeführt wurde. Nur in einer breiten Zusammenarbeit aller kritischen Kräfte können wir was erreichen. Wer nicht begreift, dass es hier um ein Grundrecht geht, das nicht nur den Gewerkschaften (oder schlimmer noch: nur den etablierten Gewerkschaften) zusteht, der hat nicht begriffen, dass das Streikrecht ein Menschenrecht ist.

Auch von den französischen Basisgewerkschaften „Solidaires“ waren Gäste anwesend und haben ein Grußwort an die KundgebungsteilnehmerInnen gerichtet und betont, dass auch in den anderen Ländern das Streikrecht unter Beschuss ist.

Auf der Abschlusskundgebung sprachen u. a. Dr. Rolf Geffken, Arbeitsrechtler aus Hamburg und Initiator des „Juristenaufrufs“ gegen das Tarifeinheitsgesetz. Er betonte, dass wir uns mit den Angriffen auf das Streikrecht auch juristisch auseinandersetzen müssen, dass aber letztlich die beste Verteidigung des Streikrechts der Streik selbst ist. Nur wenn auch wirklich gestreikt wird, ist dieses Recht zu verteidigen oder wiederherzustellen.

Eine ganz besondere Freude für alle KundgebungsteilnehmerInnen war die Anwesenheit einer ganzen Reihe von KollegInnen der GDL und vor allem die Rede des stellvertretenden Vorsitzenden der GDL, Norbert Quitter. Er berichtete von den am Vortag (17.4.) gescheiterten Tarifgesprächen mit der Bahn. Die Herren des Vorstands haben sich üppige Anhebungen ihrer Bezüge genehmigt und den Lokführerinnen und Lokführern, die einen sehr anstrengenden Job machen, wollen sie eine angemessene Lohnerhöhung und den Überstundenabbau verwehren. „Sich selbst gönnen sie den Champagner, und wir sollen auf dem Trockenen bleiben.“ Seit Monaten taktiere der Bahnvorstand und mache kleine Zugeständnisse, die er beim nächsten Mal wieder zurücknehme. Auf diese Weise betreiben diese Herren schon die ganze Zeit ein mieses Spiel, in der klar erkennbaren Absicht, sich bis zur Verabschiedung des Tarifeinheitsgesetzes durchzuhangeln. „Aber wir machen dieses Spiel nicht mit. Wir haben das Scheitern der Verhandlungen erklärt und wir werden in Kürze wieder in den Streik treten. Im Betrieb kriegen wir die Reihen geschlossen. Das ist nicht unser Problem. Aber von außen wird es wieder ganz gewaltige Verleumdungskampagnen geben. Deswegen ist es uns so wichtig, dass ihr uns unterstützt. Wir bedanken uns auch ganz ausdrücklich bei dem Bündnis ‚Hände weg vom Streikrecht – für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit‘. Die heutige Aktion ist ganz wichtig und darf nicht die letzte gewesen sein. Helft uns vor allem mit, die in der Öffentlichkeit zu erwartende neue Hetze gegen uns abzuwehren und verbreitet weiter unser gemeinsames Anliegen. Und ich möchte auch meine Solidarität mit den Erzieherinnen und Erziehern zum Ausdruck bringen, die ebenfalls eine anstrengende Arbeit leisten. Und auch die Kolleginnen und Kollegen von der Post haben unsere Solidarität verdient. Gemeinsam müssen wir den Angriffen begegnen, dann können wir auch was erreichen.“

Seine mitreißende Rede wurde immer wieder von spontanem Applaus unterbrochen. Sie hat uns allen Mut gemacht und zeigt an, dass wir mit dieser gemeinsamen Aktion einen Schritt zum Aufbau einer breiteren Abwehrfront gegen die geplanten Angriffe getan haben.

Ein weiterer Schritt wird übrigens die von der Gewerkschaftslinken, dem express, labournet, „aktion./.Arbeitsunrecht“ und anderen für den Herbst (wahrscheinlich im November) geplante Konferenz gegen Streikrechtseinschränkungen, Union Busting und BR-Mobbing sein. Näheres wird Anfang Juli beschlossen und dann breit bekannt gemacht. Wenn bei dieser geplanten Konferenz das Spektrum, das heute vertreten war, auch wieder dabei sein wird (einschließlich der GDL), dann kommen wir im Kampf für eine andere Gewerkschaftspolitik als die vom DGB zurzeit praktizierte sicherlich ein Stück weiter.

18.4.2015

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