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Kultur

Zu Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds“: Der Albtraum der Nazis

Von Helmut Dahmer | 01.09.2009

Wenn Nazis von Albträumen heimgesucht wurden, dann muss es in ihnen so zugegangen sein wie in dem neuen Episoden-Film von Quentin Tarantino.

Wenn Nazis von Albträumen heimgesucht wurden, dann muss es in ihnen so zugegangen sein wie in dem neuen Episoden-Film von Quentin Tarantino.

Eine international zusammengesetzte Gruppe von jüdischen Rächern, die ihre Aktionen mit der US-Army und der Résistance abstimmt, zieht aus, um die deutschen Menschenjäger und Massenmörder von Wehrmacht und SS im besetzten Frankreich das Fürchten zu lehren. Und weil die Träumenden Faschisten sind, denen nichts so unerträglich ist wie ihr eigenes Spiegelbild, legen die Jäger der Judenjäger dieselbe Grausamkeit und Unbarmherzigkeit an den Tag wie diese selbst.

Da gibt es zum Beispiel den „Golem“, einen jüdischen „Bären“, der resistente Gefangene mit einer Keule erschlägt. Diese Bilder sind von den Pogromen bekannt, die sich (unter der Aufsicht deutscher „Einsatzgruppen“) in den baltischen Staaten und in der Ukraine im Juli 1941 abspielten. Tarantinos Film ist voll von solchen Zitaten und Umkehrungen. Hatten die Nazis ihre Opfer mit gelben Sternen markiert und ihnen Häftlingsnummern eintätowiert, so werden hier getötete Wehrmachtssoldaten skalpiert und manchen wird auch ein Hakenkreuz in die Stirn geschnitten. Die Sprache des Films ist – wie in früheren Tarantino-Produktionen – die des hyperrealistischen Erzählkinos. Die Fabel beginnt mit der Heimsuchung eines Milchbauern im besetzten Frankreich des Jahres 1941 durch den (von Christoph Waltz meisterlich gespielten) sprachgewandten SS-Oberteufel Landa und seine Killertruppe. (Tarantinos „Landa“ scheint ein Wiedergänger des berüchtigten Pariser Gestapo-Chefs Helmut Knochen zu sein). Der Bauer lebt mit drei Töchtern in der Einöde und hat zudem einem jüdischen Mädchen aus einem Nachbarhof Unterschlupf gewährt. Irgendwer hat ihn denunziert, und nun zwingt ihn der SS-Mann, das versteckte Kind preiszugeben. Dem anschließenden Massaker fällt die ganze Familie zum Opfer, nur die fremde junge Frau kann blutüberströmt entkommen. In Tarantinos Fabulier-Kino ist stets das Unwahrscheinliche Trumpf.

Und so treffen Mörder und Opfer drei Jahre später wieder zusammen. Zur Pariser Premiere eines in Riefenstahl-Manier gedrehten Films über die „Heldentaten“ eines NS-Snipers, der, aus einem Turmversteck feuernd, Hunderte von Gegnern zur Strecke gebracht hat, sind die Größen des „Dritten Reiches“ angereist: Hitler, Göring, Goebbels und Bormann. Den fehlenden Fünften, Himmler, vertritt im Film eben der „SS-Gruppenführer“ Landa, der schließlich, fünf vor zwölf, noch versucht, seine Haut zu retten. Er bietet seinen Kontrahenten, den jüdischen Attentätern, an, ihr Komplott gegen die deutsche Führung nicht auffliegen zu lassen, denn: „If you get these four, it’s the end of the war!“ Als Lohn für diesen Beitrag zur Beendigung des zweiten Weltkriegs verlangt er Straffreiheit, einen Orden und ein Grundstück in Nantucket. So kommt es zur „Götzendämmerung” im Filmtheater: Die Nazi-Vier samt dem vom Heldenfilm begeisterten Publikum sind dort eingesperrt, brennende Filmrollen sorgen für ein Inferno, vom Balkon feuern die jüdischen Rächer, und Dynamitstangen besorgen den Rest. Es geht zu wie am Ende von E. A. Poes Erzählung „Hop-Frog“:
„Wir sehen hier einen großen König und seine sieben geheimen Räte – einen König, der sich kein Gewissen daraus macht, ein wehrloses Mädchen zu schlagen, und seine sieben Räte, die ihnen bei einer solchen Schandtat Vorschub leisten. Was mich betrifft, so bin ich einfach bloß Hop-Frosch, der Spaßmacher, und dies ist mein letzter Spaß. – Der Zwerg war kaum mit seiner kurzen Rede zu Ende gekommen, als das Werk der Rache aufgrund der hohen Brennbarkeit des Flachses wie des Teers auch schon vollendet war. Die acht Leichname schwangen in ihren Ketten, eine stinkende, verkohlte, häßlich ekle und nicht mehr unterscheidbare Masse. Der Krüppel schleuderte seine Fackel auf sie her­ab, kletterte gemächlich zur Decke empor und verschwand durch das Oberlicht.“ Tarantinos Publikum freut sich dieser Geschichte vom Untergang des „tausendjährigen“ Hitler-Reichs. Wenn auch nur auf der Leinwand, siegt schließlich doch der Widerstand. Noch immer aber überlagert in der cineastischen Imagination der Albtraum der Faschisten den Wunschtraum ihrer Gegner und Opfer…

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