Wer soll das bezahlen?
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Milliardengrab Stuttgart 21

Wer soll das bezahlen?

Von ISO Stuttgart | 16.01.2018

Anlässlich der 400. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 und den immensen Kostensteigerungen dieses Projektes, ist das folgende Flugblatt der ISO Stuttgart entstanden.

Die Kritiker von Stuttgart 21 hatten schon seit einiger Zeit darauf hingewiesen,   die Deutsche Bahn hatte es hartnäckig geleugnet:  Stuttgart 21 wird noch teuer als bisher von der Bahn angegeben.

Jetzt räumte die Bahn selbst weitere Kostensteigerungen um 1,1 Mrd. € ein. Laut Bahn soll das Projekt Stuttgart 21  7,6 Mrd. € kosten. Und wieder heißt es, damit sei endgültig das Ende der Fahnenstange erreicht. Dabei ist selbst diese Zahl (7,6 Mrd.) wieder geschönt. Der Bundesrechnungshof hat bereits vor einem Jahr neun bis zehn Milliarden für das Projekt veranschlagt, das Planungsbüro Vieregg-Rössler ging bereits 2016 davon aus, dass S21 wohl mindestens 9,8 Mrd. kosten wird.

Umstieg 21: Ausstieg ist billiger als Weiterbauen

Nun, da der Bahn die Argumente für Stuttgart 21 ausgehen, versucht sie  mit gezielten Desinformationen den Weiterbau von Stuttgart 21 trotz Kostenexplosion und Zeitverzug ein weiteres Mal durchzubringen. Sie wirft plötzlich mit astronomischen Zahlen um sich, die ein Ausstieg aus Stuttgart 21 kosten soll. Um die aufkommende Ausstiegsdiskussion zu stoppen, lanciert die DB am 30. November, ein Ausstieg verursache aber Kosten von 7 Mrd. Diese Zahl ist völlig absurd und durch nichts belegt.

Im Auftrag des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 hatte im Oktober 2016 das Verkehrsplanungsbüro Vieregg-Rössler in München die Kosten eines Weiterbaus mit den Kosten eines Ausstiegs und Umstiegs im Sinne der Umnutzungsvorschläge des Konzepts www.umstieg-21.de verglichen. Ihr Ergebnis: 1,8 Mrd. €  Ausstiegskosten und 1,2  Mrd. €  für die Realisierung des Umstiegkonzepts. Auch mit den seit Oktober 2016 eingetretenen Baukostensteigerungen von 1,4  Mrd. € läge man aktuell noch 3,2 Milliarden unter den jetzt von der Bahn eingeräumten Stuttgart-21-Kosten.

Entgegen den von den Betreibern verbreiteten Märchen  ist Stuttgart 21 keineswegs „alternativlos“. Stuttgart 21 ist im Vergleich zum bestehenden Kopfbahnhof weniger leistungsfähig und bedeutet letztendlich einen Rückbau der Schieneninfrastruktur. Statt Milliarden sinnlos zu verbuddeln, brauchen wir eine Modernisierung des bestehenden Kopfbahnhofs, um diesen noch leistungsfähiger zu machen. Aber seit vielen Jahren zählen bei Stuttgart 21 weder Argumente noch Wirtschaftlichkeit oder gar Vernunft. Wir haben gewiss die besseren Argumente. Aber gute Argumente allein sind nicht genug.

Weiterbau trotz roter Zahlen und Murks am Bau – warum?

So mancher im Konzern Deutsche Bahn weiß um die Probleme von Stuttgart 21. Dennoch wird weitergebaut. Warum? Da gibt es gewiss die Baufirmen, die an S21 gut verdienen, politische Parteien und Bahnmanager,  die keine Fehler zugeben wollen und deshalb va banque spielen. Aber ökonomische Motive und menschliche Abgründe allein sind nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, dass Stuttgart21 für die herrschende Klasse einen hohen Symbolwert hat. Laut Angela Merkel ist Stuttgart 21 der Maßstab für die “Zukunftsfähigkeit Deutschlands”. Es ist für die Herrschenden Gradmesser ihrer „Handlungsfähigkeit“. Sie wollen klarstellen, dass sie in der Lage sind, ein Megaprojekt gegebenenfalls auch gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen. Dafür nehmen sie rote Zahlen in Kauf.

Allerdings sind sie nicht bereit, jeden politischen Preis für die Durchsetzung des Megaprojekts zu zahlen. Die  Delegitimierung des Projekts Stuttgart21 allein wird sie wahrscheinlich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Wenn allerdings parallel dazu der Widerstand wieder zunimmt und für sie außer Kontrolle zu geraten droht, sieht die Lage anders aus.   Dann ist es durchaus möglich, dass sie sich ernsthaft fragen, ob Stuttgart 21 diesen politischen Preis wert ist.

Wer soll das bezahlen?

Es ist allgemein bekannt, dass es die Steuergelder der Bürger und Bürgerinnen dieses Landes sind, die hier verbuddelt werden.  Wenn Stuttgart 21 wie geplant weitergebaut wird,  werden früher oder später auch Land und Stadt umfallen und von ihrem NEIN zur Beteiligung an den Mehrkosten für Stuttgart 21 abrücken, um weiter eine „konstruktive Rolle“ zu spielen.  Somit werden sich die Beträge, die das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart als Projektpartner zuschießen, mehr als verdoppeln. Das Land dürfte dann mit rund 2 Mrd. Euro, die Stadt mit ca. 600 Mio. Euro  mit dabei sein.

Die Leidtragenden sind in erster Linie die BahnfahrerInnen. Aber nicht nur die. Auch viele Menschen, die mit Bahnfahren nichts am Hut haben, bekommen die Folgen von Stuttgart 21 zu spüren: Menschen, z.B. die von Sanierungsstau bei Schulgebäuden,  Stundenausfall wegen LehrerInnenmangel, schlechter Behandlung in  Krankenhäusern  betroffen sind.  Der Stadt Stuttgart fehlen die für Stuttgart 21 verplemperten dreistelligen Millionenbeträge bei der Sanierung maroder Schulen oder der Finanzierung erschwinglicher Wohnungen. Das Land Baden-Württemberg wird weiter zu wenige LehrerInnen einstellen und bei Renovierung und Ausbau von Krankenhäusern sparen.

Freie Fahrt für Dieselstinker

In Deutschland sterben rund 10 000 Menschen jährlich  vorzeitig infolge der hohen Feinstaubbelastung.  Stuttgart gehört zu den Städten  mit der höchsten Feinstaubbelastung. Ab Januar 2018 müsste es gemäß dem Gerichtsbeschluss von Juli 2017 eigentlich Fahrverbote geben. Ausgerechnet der Grüne Ministerpräsident Wilfried Kretschmann spielt den Schutzengel für die Autoindustrie.   Der Werterhalt von Dieselautos und die Profite von Daimler haben für Kretschmann offenbar eine höhere Priorität als die Gesundheit der Menschen in Stuttgart.

Es gibt in der Frage der ständigen Kostensteigerung wie auch beim Thema Feinstaub in breiten Teilen der Bevölkerung eine weit verbreitete, allerdings eher diffuse Verärgerung. Man/frau hat das Gefühl von „denen da oben“ ständig belogen und  betrogen  zu werden, meckert herum, tut aber nichts. Bereits seit einiger Zeit gelingt es uns allerdings als Bewegung gegen Stuttgart 21 nicht mehr, diesen Unmut  in aktiven Protest umzumünzen. Wenn uns das gelänge, so wäre das der Sargnagel für Stuttgart 21.

Wir möchten deshalb einen Ratschlag anregen,   auf dem wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir wieder breitere Bevölkerungskreise für unseren Protest  gewinnen können.

Flugblatt als PDF

Internationale sozialistische Organisation                       

Kontakt:  Stuttgart@intersoz.org                                                Webseite: https://intersoz.org

V.i.S.d.P.: Paul Michel, Unterlimpurger Str. 32, Schwäbisch Hall

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