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Welches Programm?

Von RSB | 01.08.2008

Die größte Plage, die heute die Lebenssituation der Lohnabhängigen entscheidend prägt, ist die Massenerwerbslosigkeit. Alle anderen Übel, die sich zwangsläufig aus der herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ergeben – mangelnde soziale Sicherungssysteme, Billiglöhne usw. – sind in ihrem Ausmaß nur vor diesem Hintergrund erklärbar bzw. durchsetzbar. Deswegen muss jedes Programm zur Sicherung oder Besserung des Lebensstandards an der Massenerwerbslosigkeit ansetzen und eine Perspektive für einen erfolgreichen Kampf gegen dieses Grundübel des Kapitalismus weisen.

Die Spaltung überwinden – Verteilung der Arbeit auf alle Hände!
Die größte Plage, die heute die Lebenssituation der Lohnabhängigen entscheidend prägt, ist die Massenerwerbslosigkeit. Alle anderen Übel, die sich zwangsläufig aus der herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ergeben – mangelnde soziale Sicherungssysteme, Billiglöhne usw. – sind in ihrem Ausmaß nur vor diesem Hintergrund erklärbar bzw. durchsetzbar. Deswegen muss jedes Programm zur Sicherung oder Besserung des Lebensstandards an der Massenerwerbslosigkeit ansetzen und eine Perspektive für einen erfolgreichen Kampf gegen dieses Grundübel des Kapitalismus weisen.

Wir sehen nicht ein, dass die einen Menschen unter wachsendem Stress leiden und ihre Arbeit immer mehr verdichtet wird, während andere nicht wissen, wie sie materiell über die Runden kommen sollen. Diese Situation wird von den Herrschenden systematisch genutzt, um die Erwerbslosen zu Lohndrückertätigkeiten heranzuziehen. Diese Spaltung kann nur überwunden werden, wenn es einen gemeinsamen Kampf der Erwerbstätigen und der Erwerbslosen gibt, und zwar für die Verteilung der Arbeit auf alle Hände und ohne Einkommensverluste für diejenigen, die heute Arbeit haben.

Statt also die einen auf Null Stunden mit wenig bis gar keiner materiellen Absicherung zu setzen und andere 40 oder 50 Stunden in der Woche zur Arbeit zu zwingen, brauchen wir eine generelle Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich in großen Schritten. So lange bis alle Arbeit haben. Die gleitende Skala der Arbeitszeit ist angesagt.

Seit dem erneuten Entstehen der Massenerwerbslosigkeit – also mindestens seit Anfang der 1970er Jahre – müsste dies die strategische Orientierung der Gewerkschaften sein. Stattdessen wurden in den letzten Jahren in Sachen Arbeitszeit nur Rückzugsgefechte geführt, ohne erkennbaren Willen, wenigstens die bestehenden Arbeitszeiten ernsthaft zu verteidigen. Die inzwischen deutlich verlängerten Arbeitszeiten vor allem im Öffentlichen Dienst haben heute schon erkennbar zu noch mehr Stellenstreichungen geführt.

Für einen neuen Anlauf im Kampf für eine generelle Arbeitszeitverkürzung braucht es eine völlige Neuorientierung der Gewerkschaftspolitik. Es muss in das Bewusstsein der Mitglieder und der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Funktionäre eindringen, dass das allgemeine gesellschaftliche Kräfteverhältnis nur dann zu Gunsten der Lohnabhängigen und Bedürftigen geändert werden kann, wenn wir in der Frage der Massenerwerbslosigkeit wieder in die politische Offensive kommen. Dazu muss in den Reihen der Gewerkschaften – und der KollegInnen insgesamt – eine intensive Debatte über den notwendigen Kampf zur Verkürzung der Arbeitszeit entstehen.

Dies sollte unbedingt begleitet werden von einer entsprechend breiten und langfristig angelegten Kampagne in den Reihen der sozialen Bewegung, speziell unter den Erwerbslosen, um von zwei Seiten aus das gleiche Ziel zu verfolgen. Eine enge Verzahnung hätte große Vorteile: Sie würde das gegenseitige Verständnis und eine politische Befruchtung bewirken und könnte mit gemeinsamen Aktionen viel leichter die breite Öffentlichkeit überzeugen, damit wir insgesamt in die gesellschaftliche und politische Offensive kommen. Die breite Sympathie der Öffentlichkeit für den Kampf der Telekom-Beschäftigten gegen die Arbeitszeitverlängerung im Frühjahr 2007 zeigt, dass die Menschen sehr wohl begreifen, was hier abgeht. Leider hat auch hier die Gewerkschaftsbürokratie völlig versagt und eine weitere Arbeitszeitverlängerung akzeptiert. Statt dessen stehen im ausgehenden Jahr 2007 die Lokführer­Innen und die Gewerkschaft GDL im Zentrum der Klassenauseinandersetzung um kürzere Arbeitszeiten und den Stop von Dumpinglöhnen.

Zum Kampf gegen die Massenerwerbslosigkeit gehört die eiserne Verteidigung der bestehenden Arbeitsplätze. Wir machen uns deswegen stark für eine breite Bewegung zum Verbot von Massenentlassungen. Dabei appellieren  wir nicht an den „Gesetzgeber“, sondern wollen dazu beitragen, dass ein großer öffentlicher Druck entsteht, der weitere Massenentlassungen verhindert oder zumindest eindämmt. Dieses Verbot fordern wir nicht nur für Betriebe, die Gewinne machen – hier sollte selbstverständlich ein besonders heftiger Aufschrei durch die Gesellschaft gehen – sondern auch für defizitäre Betriebe. Wenn die Arbeitsplätze nicht „Gewinn bringend“ zu halten sind, dann darf das nicht auf dem Rücken der betroffenen Lohnabhängigen ausgetragen werden. Die Gesellschaft als Ganzes ist dann gefordert: Wenn die „defizitäre“ Produktion oder Dienstleistung gesellschaftlich sinnvoll ist, dann muss sie auch ohne den Kapitalisten fortgeführt und gegebenenfalls dieser Betrieb staatlich bezuschusst werden. Dass Arbeiterinnen und Arbeiter auch ohne Kapitalisten die Produktion fortführen können, haben unlängst die Kolleginnen und Kollegen von Bike Systems in Thüringen bewiesen. Als Alternative müssen – staatlich organisiert – den Betroffenen andere Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden, und zwar ohne Einkommensverluste und ohne, dass diese Menschen umziehen müssen oder sonstige Nachteile erleiden. Gerade in solchen Fällen sollte dann auch verstärkt auf die Einrichtung sinnvoller Arbeit geachtet werden. Eine selbstbestimmte Arbeit werden wir allerdings unter kapitalistischen Verhältnissen nicht durchsetzen können.
Gegen Armut und Ausgrenzung
Die Art und Weise, wie heute den Erwerbslosen indirekt die Schuld für ihre Situation aufgebürdet werden soll, ist für sich genommen schon ein gesellschaftlicher Skandal. Deswegen treten wir nicht nur für eine materielle Absicherung ein, sondern wenden uns gegen alle Schnüffelpraktiken und unwürdigen Bedürftigkeitsprüfungen. Wer bedürftig ist, muss sich ausreichend aus den Einträgen der Lohnsteuerkarte bzw. der Einkommenssteuererklärung ergeben. Sparkonten, Lebensversicherungen, selbst genutzte Eigentumswohnungen und dergleichen müssen für die Berechnung von Transferzahlungen völlig tabu sein. Wir fordern nicht nur die Offenlegung aller Konten und Geschäftsbücher, besonders bei Betriebsschließungen und Verlagerungen! Wir fordern auch die Enteignung der Unternehmen, die Arbeitsplätze vernichten!

Wir fordern eine Abschaffung der Zumutbarkeitsregelungen sowie die Wiederherstellung des Berufsschutzes. Und: Striktes Verbot jeglichen Arbeitszwangs für Erwerbslose
!

Wir rufen dazu auf, die Einrichtung der 1-Euro-Jobs zu bekämpfen. Die Ausnutzung dieser und anderer Lohndrückertätigkeiten gerade im Bereich der Pflege, kommunaler Dienstleistungen usw. muss öffentlich angeprangert werden. Dies richtet sich natürlich nicht gegen die Betroffenen, die aufgrund ihrer extremen Not oft zu jeder Tätigkeit bereit sind, die ihnen das Überleben erleichtert.Deswegen ist der unmittelbare Dreh- und Angelpunkt für die materielle Sicherung der Betroffenen die sofortige Anhebung des Eckregelsatzes auf 700 Euro plus Unterkunftskosten und Heizung. Ebenso die Wiederherstellung der aus dem Regelsatz abgeleiteten alten Prozentsätze für Kinder, also bei den 7 bis 14-Jährigen wieder 65 % (heute 60 %) und bei den 15 bis 18-Jährigen wieder 90 % (heute 80 %). Der Eckregelsatz muss jährlich an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden.

Ergänzend fordern wir, wieder Zahlungen für „besondere Lebenslagen“ zu leisten. Einführung einer Mindestrente von 1000,- € netto pro Person und Abschaffung der Rente mit 67!
Gleiche Rechte für alle – Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Nicht nur die Erwerbslosen drücken auf die Löhne, auch diejenigen, die auf dem zweiten oder dritten Arbeitsmarkt eingesetzt werden und werden sollen. Dazu gehören heute in wachsender Zahl vor allem die LeiharbeiterInnen. Waren es im Jahr 2000 noch 300.000 LeiharbeiterInnen, so sind es heute mehr als 600.000. Für 2007 wird mit einem Zuwachs von 20 % gerechnet. Viele dieser Menschen, ca. 150.000, müssen einen Zweitjob annehmen, weil sie mit 7,30 € oder 8 €  –in dieser Spanne bewegen sich mehr als Dreiviertel aller Verdienste von LeiharbeiterInnen – kein auskömmliches Einkommen erzielen können. LeiharbeiterInnen sind oft mit ständig wechselnden Anforderungen konfrontiert. Selbst wenn sie länger in einem Betrieb arbeiten, sind sie weitgehend rechtlos und dürfen sich nichts trauen, denn sie können umstandslos fortgeschickt werden.

Es gibt überhaupt keinen Grund für die Existenz dieser prekären Beschäftigungsverhältnisse, auch nicht für befristete Arbeitsverhältnisse! Die Unternehmen müssen gezwungen werden, ausreichend Personal vorzuhalten und nicht bei jeder längeren Krankmeldung oder für jeden Kollegen, der seinen Urlaub nimmt, gerade mal schnell eineN LeiharbeiterIn zu holen. In vielen Betrieben gehört es inzwischen zur festen Einrichtung, dass das Stammpersonal systematisch runter gefahren wird und LeiharbeiterInnen zum Teil über Jahre neben den anderen KollegInnen arbeiten. Nur eben für bedeutend weniger Geld und mit weniger Rechten ausgestattet. In beiden Fällen sind zu allererst die Betriebsräte gefordert, Leiharbeitsverhältnisse grundsätzlich abzulehnen und zwar mit der Begründung, dass sie dem Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit widersprechen. Nur so können reguläre Einstellungen erzwungen werden.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist übrigens auch im Verhältnis Frauenlöhne zu Männerlöhnen nicht hergestellt. Hier ist seit Jahrzehnten kein Fortschritt zu verzeichnen, ja in bestimmten Bereichen vergrößert sich sogar die Kluft.

Dreh- und Angelpunkt im Kampf gegen Billiglöhne bleibt die Kernforderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von wenigstens 12 € in der Stunde für alle Branchen und Tätigkeiten. Verdi, NGG und IG BAU hatten noch im Jahr 2000 einen Mindestlohn von 3000.- DM gefordert, was etwa 10 € entspricht. Heute fordern sie nur noch 7,50 €, die Linkspartei nur 8,44 €. 10 € bedeuten heute bei einer 38,5 Stundenwoche 1670 €/Monat. Das entspricht – je nach Steuerklasse – etwa 1100 bis 1200 € netto.

Auch der Mindestlohn muss jährlich an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden.

Parallel dazu müssen wir in Betrieb und Gewerkschaft für kräftige Lohnsteigerungen kämpfen. Die letzten Tarifrunden sind ein Lehrbeispiel, wie in der Hochkonjunktur beste Chancen für das Durchsetzen der berechtigten Interessen der Lohnabhängigen verspielt wurden. Das liegt vor allem daran, dass die Gewerkschaften fest im Griff des bürokratischen Apparats sind und von der Basis zu wenig Druck ausgeübt wird, um die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen.

Die letzten Jahre haben ein deutliches Auseinanderdriften von Profiten und Löhnen gebracht. Die Nettoeinkommen sind gefallen1 und die Gewinne sind gestiegen. Wir schlagen deswegen vor, dass eine breite Bewegung für eine generelle Anhebung der Löhne und Gehälter um 300 Euro entwickelt wird.
Eine andere Gesellschaft ist möglich!
Wir meinen, dass die Menschen darüber bestimmen müssen, wie sie arbeiten und wie sie leben wollen, wie sie produzieren und was sie produzieren. Heute ist das ganze Leben der Menschen – ihr Arbeitsinhalt, ihre Arbeitsweise, ihre Einkünfte und ihre materielle Unsicherheit – dem Diktat des Kapitals unterworfen. Sich davon zu befreien erfordert nicht nur die Vision einer anderen Gesellschaftsordnung, es erfordert auch den Ausbau der Solidarität hier und heute, um im gemeinsamen Kampf das einzuüben, was künftig den Umgang mit den Mitmenschen prägen soll: Gemeinsamkeit statt Konkurrenz, ökonomische und ökologische Vernunft statt irrationaler Verschwendung und Zerstörung menschlicher und natürlicher Ressourcen und Vernichtung der menschlichen Lebensgrundlagen.

Eine andere Gesellschaft muss die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Dies kann nur geschehen, wenn unter voll entfalteter Demokratie die Menschen gemeinsam planen und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen der Vergangenheit angehören lassen. Die Spaltung der Gesellschaft – in arm und reich, in deutsche und ausländische, usw. – überwinden, ist die Voraussetzung, um die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit für alle zu ermöglichen und damit die Gesellschaft insgesamt zu bereichern.

Wir wollen nicht auf den Sankt Nimmerleinstag warten: Änderungen sofort!

Unsere Forderungen:
12 / 30 / 700 / 1500 !

  • •    Wir wollen einen allgemein verbindlichen Mindestlohn von wenigstens 12 € / Stunde, gekoppelt an die Steigerung der Lebenshaltungskosten!
  • •    Für die sofortige Einführung der 30-h-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
  • •    Wir setzen uns ein für eine Grundsicherung von 700 € plus Warmmiete.
  • •    Für 1500 € brutto Mindesteinkommen für alle vollzeit Erwerbstätigen.


Schluss mit allen Schikanen gegenüber Erwerbslosen!

  • •    Keine Bedürftigkeitsprüfungen mehr
  • •    Weg mit den 1-€-Jobs
  • •    Kein Arbeitszwang für Erwerbslose
  • •    Weg mit den Zumutbarkeitsregelungen und Wiederherstellung des Berufsschutzes


Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

  • •    Weg mit allen Befristungen von Beschäftigungsverhältnissen
  • •    Verbot von Leiharbeit
  • •    Für kräftige Lohnsteigerungen. Anhebung aller Löhne und Gehälter um 300 €
  • •    Anhebung der Renten auf ein Mindestniveau von 1000 € netto. Weg mit der Rente mit 67!
  • •    Absenkung des Rentenalters auf 60 Jahre ohne Abschläge
  • •    Verbot von Massenentlassungen


Weg mit Hartz IV und Agenda 2010!

Für den Aufbau einer breiten Widerstandsfront gegen Hungerlöhne und Armut!

1 Siehe die „Düsseldorfer Tabelle“, nach der die Unterhaltszahlungen für Kinder abgesenkt werden, weil die Nettolohnentwicklung 2006 rückläufig war.

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