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DIE LINKE

WASG

Von Thies Gleiss | 04.03.2007

Der seit langem schwelende Konflikt zwischen dem Bundesvorstand der WASG und dem Berliner Landesverband ist mit einer neuen Maßnahme des Bundesvorstandes vom vergangenen Wochenende eskaliert. Dazu erklärt das Mitglied des WASG-Bundesvorstandes Thies Gleiss:

1. Der Bundesvorstand der WASG hat nach der von ihm am 27. Februar durchgeführten Versammlung von WASG-Mitgliedern, die mit der Vereinigung mit dem Berliner Landesverband der Linkspartei.PDS bedingungslos einverstanden sind, auf seiner Sitzung vom 3. März mit zwei Gegenstimmen beschlossen, eine ausdrücklich vom Bundesvorstand einberufene und unterstützte Kommission aus fünf Berliner Minderheitsvertretern zu ermächtigen, Vereinigungsverhandlungen mit der Linkspartei.PDS und am ordentlichen Berliner Landesverband der WASG vorbei zu führen.

2. Dieser Beschluss ist durch keinen Parteitags- oder Länderratsbeschluss der WASG gedeckt und ein eigenmächtiger Versuch des Bundesvorstandes, sich an allen demokratisch gewählten Gremien vorbei direkt in die Angelegenheiten des Berliner Landesverbandes einzuschalten. Die Installierung einer de-facto-Gegenleitung und der Aufruf zur Bildung eines de-facto Gegen-Landesverbandes ist ein offener Bruch der Statuten der WASG und gleichermaßen eine Verletzung von durch das Parteiengesetz geregelten Rechten eines Landesverbandes.

3. Nach dem völlig gescheiterten Versuch des WASG-Bundesvorstandes, über damals immerhin ordnungsgemäß eingeleitete innerparteiliche Disziplinar-Maßnahmen den Berliner Landesverbandes zu einer Unterstützung der Linkspartei.PDS bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus zu zwingen, ergreift die Mehrheit des Bundesvorstandes jetzt die Initiative zur offenen Spaltung des gesamten Landesverbandes. Statt eine Politik der Konfliktlösung zu suchen, wie es von einem dem Gesamtwohl der Partei verpflichtenden Vorstand zu erwarten wäre, betätigt sich der Bundesvorstand einmal mehr als den Streit verschärfende Konfliktpartei.

4. Der Bundesvorstand opfert dafür wissentlich einen intakten und arbeitsfähigen Landesverband in der Bundeshauptstadt. Von den 850 Mitgliedern der WASG folgten ihm auf der Versammlung vom 27.Februar 130 Personen. Der Bundesvorstand  schwächt damit in unverantwortlicher Weise die WASG und deren Position in Berlin, die auf Grund der für eine linke Partei verheerenden Politik der Linkspartei.PDS im Rahmen der Senats-Koalition schon außerordentlich schwierig ist, wenn nicht gar zu einer unerträglichen Belastung des gesamten Parteibildungsprozesses zwischen WASG und Linkspartei.PDS wird. Es ist in mehreren Bundesparteitags- und Länderratsbeschlüssen festgelegt, dass der Bundesvorstand energisch gegen die Politik der Berliner Linkspartei.PDS auftreten soll, zuletzt in klaren Beschlüssen gegen die Privatisierung der Sparkasse. Dieser breiten Mehrheitsmeinung in der WASG stellt sich der Bundesvorstand mit seinen neuen Berlinbeschlüssen entgegen. Er schädigt damit die Partei, den Fusionsprozess auf Bundesebene und sich selbst als autoritativer Parteiführung.

5. Politisch reiht sich der Beschluss in die schon mehrfach vom Bundesvorstand verfolgte Linie, dass für den Konflikt in Berlin allein das Verhalten des WASG-Landesverbandes verantwortlich ist.  Die gesamte WASG, die seit Monaten diesen Konflikt beobachtet und diskutiert, weiß, dass diese Auffassung haarsträubender Unsinn ist. Hauptverantwortliche für die Lage der Linken in Berlin und ebenso für das traurige Ergebnis bei den letzten Wahlen ist die Linkspartei.PDS und ihre Regierungstreue. Diese Auffassung teilt auch jede und jeder einigermaßen realistische politische Beobachter und Beobachterin. Der Bundesvorstand blamiert sich mit seiner erneut hilflosen Art der Intervention in die Berliner Verhältnisse somit auf eine Weise, für die man sich als Mitglied dieses Gremiums nur noch schämen kann.

6. Seit Anbeginn der Auseinandersetzungen weigert sich der Bundesvorstand, eindeutige, kluge und Konflikt entschärfende alternative Maßnahmen  zur Klärung der Streitigkeiten anzuwenden So auch diesmal. Es ist offenkundig, worin die politische Ursache für den Konflikt in Berlin liegt. Es ist die Regierungsbeteiligung und die damit verbundene Reduzierung eines politischen Programms der Linken auf eine reine Rechtfertigungsideologie. Dies muss klar und deutlich ausgesprochen werden. Gleichzeitig wären Vereinbarungen über besondere Verhandlungen in Berlin nötig. Nichts spricht auch dagegen, für das Land Berlin einen längeren Zeitplan zur Vereinigung der Parteien festzulegen, falls es erforderlich ist. Sämtliche Verhandlungen müssen zudem unter verstärkter Einbeziehung der demokratisch legitimierten Gremien des WASG-Landesverbandes erfolgen, anstatt der verschärften Ausgrenzung. Denkbar wäre auch ein spezieller „Berlin-Beirat" aus unabhängigen bekannten Personen der Linken, der klärend eingreifen könnte. Seit Spätsommer 2005 schlägt die Bundesvorstands-Minderheit regelmäßig konkrete, machbare und erfolgreichere Maßnahmen vor, die regelmäßig von der Bundesvorstandsmehrheit verworfen werden. Der Gang der Ereignisse hat der Minderheit regelmäßig vollständig recht gegeben, dennoch wurde nicht einmal eine selbstkritische Bilanz gezogen, sondern bis heute unbeirrt an der verheerenden Linie festgehalten.

7. Es bleibt deshalb fast nichts als die politische Schlussfolgerung, dass die Mehrheit des Bundesvorstandes der WASG diese jetzt angerichteten politischen Schäden wollte und bewusst herbeigeführt hat. Dieser schweren Schädigung der WASG und der im Sommer zur Gründung anstehenden neuen linken Partei, sollte jede und jeder an diesem Prozess interessierte Linke entschieden entgegen treten.

Köln, 04.03.2007 – Thies Gleiss

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