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Vorbemerkungen zu “Sozialistische Revolution und der Kampf für Frauenbefreiung”

Von RSB | 09.07.2006

Dieses Dokument ist die erste umfassende Resolution zur Frauenbefreiung in der Geschichte der IV. Internationale. Sie wurde im November 1979 auf dem XI Weltkongress, dem höchsten Entscheidungsgremium der IV. Internationale, angenommen.

Vorbemerkungen

Diese Resolution stellt einen großen Fortschritt der IV. Internationale in der Frage der Frauenbefreiung dar. Zum ersten Mal wird hier durch revolutionäre Marxistinnen und Marxisten die Bedeutung der Frauenbefreiung in umfassender Weise dargelegt. Ursprung und Wesen der Unterdrückung der Frauen werden analysiert und die Wurzeln der Frauenradikalisierung werden dargestellt. Vor allem der zweite Teil der Resolution, und hier im Besonderen das Kapitel „Unsere Forderungen“ stellt eine qualitative Erweiterung der programmatischen Grundlagen der IV. Internationale dar.

Die vorliegende Resolution ist nicht der erste Text einer revolutionären Internationale, der sich speziell mit der „Frauenproblematik“ beschäftigt. Sie unterscheidet sich aber von den auf den Kongressen der III. (Kommunistischen) Internationale angenommenen Resolutionen insofern, als sie der spezifischen Unterdrückung der Frauen als Geschlecht Rechnung trägt. Das Interesse der III. Internationale galt im Wesentlichen der ökonomischen Überausbeutung des weiblichen Teils des Proletariats. Sie unterschätzte jedoch die systemstabilisierende Rolle der Kleinfamilie im Kapitalismus und dessen Fähigkeit, diese zu seinen Gunsten zu gebrauchen. Wenn es aber der ArbeiterInnenbewegung nicht gelingt, den Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen zu ihrem eigenen Kampf zu machen, wird sie dazu beitragen, die Spaltung der ArbeiterInnenklasse in Männer und Frauen aufrechtzuerhalten – eine Spaltung, die nur den Interessen der kapitalistischen Klasse dien. Den Genossinnen und Genossen der IV. Internationale gelang es, nicht zuletzt aufgrund des weltweiten Entstehens einer unabhängigen Frauenbewegung, ein korrektes Verständnis der Frauenunterdrückung als Eckpfeiler einer jeden auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruhenden Gesellschaft zu entwickeln. Die Bedeutung der Befreiungskämpfe der Frauen für den Befreiungskampf der ganzen Menschheit, d. h. für die sozialistische Revolution, wurde von den revolutionären Marxistinnen und Marxisten zu Anfang nicht erkannt. Das Patriarchat bleibt nicht vor den Toren der revolutionären Organisation stehen. Die Kosten dieser Blindheit waren nicht gering. Wir verloren wertvolle Genossinnen und isolierten uns in der ersten Phase von der Frauenbewegung. Nichtsdestotrotz haben Genossinnen der IV. Internationale vor allem in Westeuropa und den USA in der Hochphase der Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts Erfahrungen in der autonomen Frauenbewegung sammeln können. Insbesondere in den Kampagnen für die Freigabe der Abtreibung in der BRD, in Frankreich, in Großbritannien und in den USA haben unsere Genossinnen (und Genossen) mitgearbeitet. In Großbritannien haben wir bei der Erstellung der Working Women‘s Charter (Charta der berufstätigen Frauen) und bei der Kampagne zur Unterstützung dieser Charta in den Gewerkschaften eine führende Rolle gespielt. In Spanien hat sich unsere damalige Sektion LCR bei der Kampagne gegen die Gesetze gegen „Ehebrecherinnen“, für die Freigabe der Scheidung und Abtreibung engagiert. Viele unserer Genossinnen arbeiten in verschiedenartigen Frauengruppen: Beratungsgruppen, Selbsterfahrungsgruppen, Gewerkschaftsgruppen usw.

Aber es muss auch dafür gesorgt werden, dass innerhalb der Sektionen die besonderen Probleme der Frauen berücksichtigt werden, dass Schritte unternommen werden, das Leben innerhalb der Organisation für Frauen erträglicher zu machen. Dies bedeutet nicht nur organisatorische Schritte (Kindergärten bei Konferenzen, Zellensitzungen bei Müttern zu Hause usw.), auch nicht nur Schritte zur weiteren politischen Ausbildung der Frauen. Es bedeutet vor allem einen engagierten täglichen Kleinkrieg gegen den männlichen Chauvinismus der Genossen, gegen die „typisch männlichen“ Umgangsformen, denen die Genossinnen nicht gewachsen sind und nicht gewachsen sein wollen. Ob es deshalb sinnvoll ist, innerhalb der revolutionären Organisationen besondere Strukturen für die Frauen zu errichten (Frauenplena), ist ein kontroverser Punkt, der seit längerem in einigen Sektionen heiß diskutiert wird.

Aus dem Vorwort zur Veröffentlichung des Resolutionsentwurfs vom Frühjahr 1979 durch die Frauenkommission der Gruppe Internationale Marxisten (GIM), der damaligen deutschen Sektion der IV. Internationale.

Die nachfolgende Resolution war vom Vereinigten Sekretariat dem Weltkongress vorgelegt worden und wurde mit 100 Für-Stimmen, 0,5 Gegen-Stimmen, 6 Enthaltungen und 6,5 Nichtteilnahmen verabschiedet.

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