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DIE LINKE

Umgruppierungen der Linken und SAP

Von Daniel Berger | 01.03.2004

Der RSB tritt in seinem Programm für den Aufbau einer Sozialistischen ArbeiterInnenpartei (SAP) ein. In einer Artikelserie begründen wir Notwendigkeit und Aktualität dieser Losung. In Teil 2 gehen wir auf das Verhältnis von Aktionseinheiten und die Umgruppierung linker Organisationen zu der Herausbildung einer SAP ein.

Der RSB tritt in seinem Programm für den Aufbau einer Sozialistischen ArbeiterInnenpartei (SAP) ein. In einer Artikelserie begründen wir Notwendigkeit und Aktualität dieser Losung. In Teil 2 gehen wir auf das Verhältnis von Aktionseinheiten und die Umgruppierung linker Organisationen zu der Herausbildung einer SAP ein.

Zentraler Bezugspunkt für die revolutionär marxistische Organisation ist traditionell die Vorhut der Klasse. Sie gilt es zu gewinnen, bzw. mit ihr will sich die revolutionär marxistische Organisation verschmelzen. Die Vorhutelemente in der ArbeiterInnenklasse bilden heute keine zusammenhängende, und erst recht keine homogene Schicht. Wenn heute nur in Großbetrieben hier und da halbwegs funktionierende Kollektive existieren, die zudem nur in den allerseltensten Fällen mit anderen Kollektiven und Belegschaften in direktem Kontakte stehen, dann hat dies politische und organisationspolitische Gründe. Die PDS hat diese Verbindung nicht aufbauen können und wollen (nicht einmal in Ostdeutschland). Die revolutionären Organisationen sind zu schwach und bei den von der SPD enttäuschten Elementen herrscht noch viel politische Unklarheit. Sie sind von Jahren des sozialpolitischen Rückgangs und der politischen Enttäuschung geprägt.

Aber – und hier wird die Sache für uns so interessant – die Desillusionierung in Sachen SPD hat in letzter Zeit einen neue Qualität erreicht. Dies macht sich auf zwei Ebenen fest: Die Äußerungen im Betrieb und auf Gewerkschaftsversammlungen (verschiedenster Ebenen) lassen keinen Zweifel aufkommen, dass mensch die SPD nicht mehr grundsätzlich anders einschätzt und bewertet als die anderen Parteien. Maßgeblich dafür ist die Reformpolitik der letzten zwei bis drei Jahre, wobei gerade das Jahr 2003 einen besonderen Schub erzeugte. Nicht mehr nur vereinzelte Vorhutelemente blicken, welche Politik die SPD für wen macht. Die zweite Ebene ist die generell sinkende Wahlbeteiligung und sind die anhaltend schlechten Werte für die SPD.

Ideologisch heterogen
Strategisch lässt sich die zentrale klassenpolitische Frage etwa so umschreiben: Von sich aus werden die Vorhutelemente in der Klasse (im engeren Sinne handelt es sich um mindestens 100 000 betrieblich und gewerkschaftliche Aktive, im weiteren Sinne mindestens um eine halbe Million, eher 1 Mio. Menschen) kein politisches Alternativprogramm entwickeln und sich klassenmäßig organisieren. Viel hängt in den kommenden Jahren davon ab, ob, und wenn ja, was sich in der politischen Landschaft formiert.

Diese Vorhutelemente sind ideologisch sehr heterogen und politisch alles andere als gefestigt. Viele von ihnen sind großen Stimmungsschwankungen unterworfen, sehr oft abhängig davon, was gerade in den Medien indirekt als „Lösung" transportiert wird. Gemeinsam ist vielen (wenn nicht den allermeisten), dass sie in der einen oder anderen Weise von Versatzstücken der Antiglobalisierungsbewegung beeinflusst sind. V. a. sind sie sehr empfänglich für die positive Kunde, die von Mobilisierungen ausgeht. „Die Franzosen machen’s richtig"; „Ein Generalstreik muss her", „Die Demo in Berlin war gut" usw. sind typische Äußerungen dieser Elemente, die leider nur in den seltensten Fällen in systematische politische Diskussionen eingebunden sind.

Heute ist das Haupthindernis für die politische Weiterentwicklung der Vorhutelemente weniger die SPD-Gläubigkeit oder die SPD-Unterstützung, sondern vielmehr die widersprüchliche Entwicklung in den Gewerkschaften. Vorherrschend ist zurzeit die Erfahrung, dass „die Gewerkschaft nichts macht" („Sie bewegt nichts, hält still." usw.)

Aktionseinheiten und "linke Kraft"
Die Mobilisierungen vor einem Jahr gegen den Irakkrieg und die Demonstration vom 1. November in Berlin gegen den Sozialkahlschlag erfolgten durch breite Aktionseinheiten. Die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen in solchen Bewegungen, beim Initiieren breiter Aktionseinheiten oder etwa beim Aufbau einer linken Gewerkschaftstendenz entspricht einem Grundprinzip unserer Bewegung. Die tagtägliche Erfahrung hier und anderswo belegt die Berechtigung und in vielen Situationen auch die absolute Notwendigkeit, an diesem Prinzip festzuhalten.

Der Kampf gegen den Faschismus erfordert sogar noch mehr als das, nämlich den Aufbau einer tatsächlichen Einheitsfront. Auf heute angewandt wäre diese in erster Linie mit den Gewerkschaften und ihren Spitzen zu bilden, aber da Trotzki weder den Teufel noch seine Großmutter davon ausschließen wollte, würden wir auch mit der heutigen SPD, die gewiss keine Arbeiterorganisation ist, eine Aktionseinheit im Kampf gegen den Faschismus eingehen, immer getreu dem Motto von Trotzki, sich darüber zu verständigen, wann, wo und wen es zu schlagen gilt ("getrennt marschieren, vereint schlagen!").

Das Feld der Aktionseinheiten ist offensichtlich sehr breit und wird in vielen Situationen sehr unterschiedliche Formen annehmen. Aber die prinzipielle Bereitschaft und Offenheit sollte da sein, mitunter auch das sehr aktive Engagement für eine Aktionseinheit, selbst dann, wenn die revolutionäre Organisation am Anfang mit einer solchen Initiative noch allein dasteht. Diese generelle Bereitschaft ist jedoch kein Politikersatz und sollte es auch nicht sein.

Innerhalb der Linken und im normalen "Alltagsgeschäft" gilt es genau zu prüfen, wann eine Aktionseinheit erforderlich ist und tatsächlich etwas bringt, d.h. der Bewegung oder der Gegenwehr zu einer neuen Qualität verhilft. Ist dies absehbar, sollten wir nicht zögern, damit wir mit dem dann gewonnenen Bewegungsspielraum letztlich auch mehr Möglichkeiten für die Entwicklung unsrer spezifischen Positionen gewinnen. Sind die Verhältnisse erst einmal weiter vorangeschritten, werden die klassenbewussten KollegInnen eh von uns erwarten, dass wir bei der einen oder anderen Aktivität nicht unser gesondertes Süppchen kochen. Das Beispiel der gemeinsamen Kandidatur der trotzkistischen Organisationen LCR und LO in diesem Jahr in Frankreich sollte uns Lehre und Vorbild sein. Aus solchen breiten Bündnissen sollte jedoch in keinem Fall abgeleitet werden, dass fortgesetzte Aktionseinheiten die Vorstufe für eine Sozialistische Arbeiter-Innenpartei bilden.

SAP & Umgruppierung
Eine SAP als zusammenfassende Losung unseres strategischen Konzepts wird im Wesentlichen nicht das Ergebnis von Umgruppierungen bestehender sozialistischer Organisationen sein. Vielmehr geht es darum, dass sich Kolleginnen und Kollegen in nennenswerter Zahl neu organisieren und damit überhaupt erst dem politischen Projekt SAP eine Lebensgrundlage geben.

Tritt dies nicht ein, ist das Umgruppieren von linken Organisationen und Gruppen nur ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang, aber gewiss kein Fortschritt im Klassenkampf bzw. in den politischen Kräfteverhältnissen. Sicherlich wird es bei dem Entstehen einer SAP eines Katalysators bedürfen. Sicherlich sollten sich dann auch möglichst viele revolutionäre Organisationen daran beteiligen. Aber dies kann im besten Fall nur zur politischen Stabilisierung einer SAP beitragen. Die neue Qualität ergäbe sich aus der Tatsache, dass Teile der eingangs genannten Vorhutelemente sich erstmals in organisierter Form politisch betätigen.

Beispiel Britannien
Ohne das Beispiel schematisch auf die Verhältnisse in der BRD übertragen zu wollen, ist in vieler Hinsicht der zurzeit sich vollziehende Formierungsprozess einer neuen linken Kraft in Britannien lehrreich. Wir wissen wohlgemerkt nicht, wie dieser Prozess ausgehen wird. Er kann scheitern! Aber beim heutigen Stand der Verhältnisse wäre es für die GenossInnen unsrer britischen Sektion absolut töricht, ja eine politische Katastrophe, sich nicht daran zu beteiligen – selbstredend unter Beibehaltung der eigenen Identität, des eigenen Zusammenhalts und der Zugehörigkeit zur IV. Internationale. Tausende von Menschen, die in den letzten Jahren der Labour Party den Rücken gekehrt haben, andere, die noch nie organisiert waren, organisieren sich jetzt. Damit werden sich die politischen Kräfteverhältnisse verschieben, auch in den Gewerkschaften. Umgekehrt haben die Entwicklungen der letzten 3-5 Jahre in der Klasse schon erste Resultate in den Gewerkschaften mit zum Teil neuen linken Führungen hervorgebracht, was eine wesentliche Bedingung für den z. Z. ablaufenden Organisierungsprozess darstellt. Es wäre verheerend, würde mensch diese Zusammenhänge nicht erkennen oder etwa gering schätzen. Sie können zusammen mit der Entwicklung der Antikriegsbewegung nicht hoch genug eingeschätzt werden.

In dem konkreten und sehr fortgeschrittenen Fall der politischen Entwicklung in Britannien springt die politisierende Wirkung einer breiten Volksbewegung ins Auge. Nur vordergründig ist dort die Antikriegsbewegung eine Ein-Punkt-Bewegung. Selten wurden so viele Zeitungen und Broschüren verkauft, politische Veranstaltungen durchgeführt und hochpolitische Reden auf Demos vor Hunderttausenden von Menschen gehalten wie in der Periode seit Herbst 2002. Die Bewegung dauert dort noch an, wie die 100 000 DemonstrantInnen beim Bush-Besuch am 20./21. November bewiesen. Linksradikale Organisationen haben ganz selbstredend in dieser Zeit nicht nur gesagt: "Nein zum Krieg", sondern haben auf vielfältige Weise zu erklären versucht, dass der Krieg eine natürliche Folge des Kapitalismus ist, dass dieser abgeschafft gehört usw.

Neue linke Kraft
In gewisser Weise hat das mit der SAP-Losung verbundene Konzept für unsere Organisation programmatischen Charakter, denn es steht in scharfem Gegensatz zum Projekt eines Zusammenschlusses von – politisch nicht zusammenarbeitenden – diversen linksradikalen mit sozialistisch-reformistischen Organisationen. Was nämlich vordergründig nur als ein anderes organisationspolitisches oder "taktisches" Konzept erscheinen mag, wird dort programmatisch bedenklich, wo es völlig elektoralistisch ausgerichtet ist und sozialistisch-reformistische Kräfte in eine Wahlallianz einzuschließen versucht.

Wenn der RSB sich von diesem Konzept klar abgrenzen muss, dann vor allem wegen der damit verbundenen prinzipienlosen Umgruppierungspolitik. Ganz abgesehen von der Vorstellung, es reichten einige linke Intellektuelle mit "Namen" und eine gute Idee, um aus so unterschiedlichen Ansätzen eine neue Formation zu bilden, die wirksam und den Klassenkampf fördernd in die politischen Verhältnisse eingreifen könnte.

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