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Übergriff bleibt rassistisch

Von Korrespondent Potsdam | 01.06.2006

Am 16. April wurde Ermyas M. auf dem Weg von der Disko nach Hause in Potsdam grausam zusammengeschlagen. Seine Peiniger beschimpften ihn mit „dreckiger Nigger“ und „Scheißnigger“.  Nun versuchen PolitikerInnen den rassistischen Hintergrund der Tat herunterzuspielen.

Am 16. April wurde Ermyas M. auf dem Weg von der Disko nach Hause in Potsdam grausam zusammengeschlagen. Seine Peiniger beschimpften ihn mit „dreckiger Nigger“ und „Scheißnigger“.  Nun versuchen PolitikerInnen den rassistischen Hintergrund der Tat herunterzuspielen.

Der Aufschrei war groß und ging zumindest medial um die halbe Welt. Doch für AktivistInnen war nicht die Brutalität der Tat überraschend, sondern die Reaktion der Öffentlichkeit. Fremdenfeindliche Übergriffe sind in Deutschland alltäglich. 2005 gab es offiziell 958 solcher registrierten Gewalttaten und über 15 000 Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Denn vielfach scheuen die Opfer den Gang zur Polizei, oder, wie das aktuelle Beispiel belegt, wird die Tat nicht als solche anerkannt.

6 Tage nach der Tat fragten sich auf einer von den Stadtoffiziellen organisierten Solidaritätsdemo 4000 Menschen, wie so eine abscheuliche Tat möglich sei? Die Antwort  enthüllte die Reaktion der Politik: Innenminister Schäuble kommentierte, dass „auch blonde, blauäugige Menschen Opfer von Gewalttaten werden“. Brandenburgs Innenminister zweifelte öffentlich am nazistischen Hintergrund der Tat. Erst wenige Tage vor dem Überfall sagte Schönbohm in einem Interview im RBB, dass es Völker gebe, die zur Integration in Deutschland grundsätzlich unfähig seien. Und Claudia Roth prangerte zwar den Übergriff an, ist aber selbst Vorsitzende einer Partei, die in ihrer Regierungszeit die u.a. unmenschliche Praxis von Abschiebelagern ausweitete.

Anfang des Jahres veröffentlichte die Zeitung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter die Meinung eines Vize-Landesvorsitzenden. Dieser schrieb, Sinti und Roma seien „Maden im Speck der Wohlfahrtsgesellschaft“ und bezichtigte sie als „Sozialschmarotzer“. Das zuständige brandenburgische Justizministerium und die Generalstaatsanwaltschaft konnten keine Straftat in der Äußerung feststellen und stellten ihre Ermittlungen jüngst ein. Kaum haben sich die Wogen in Brandenburg geglättet, da wird bekannt dass das Land die Mittel für Projekte gegen rechte Gewalt kürzen will (sog. „Erfolgskontrolle“). Die StichwortgeberInnen schüren ein Klima, zumindest des Argwohns gegen alles Fremde – und eine rassistische Regierungspolitik macht das Leben für MigrantInnen und nicht-deutsch Aussehende zur tagtäglichen Qual. Daran können RassistInnen und Nazis nahtlos anknüpfen.

Solche StichwortgeberInnen bekamen Oberwasser, nachdem die näheren Umstände der Tatnacht bekannt wurden. Ermyas soll demnach selbst alkoholisiert gewesen sein. Die Diskussion um den Übergriff enthüllt merkwürdige Ansichten führender PolitikerInnen. Hat ein Doktorand mit deutschem Pass und äthiopischem Aussehen weniger Recht darauf angetrunken von der Disko zu kommen als sein deutsch aussehender Kollege? 

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