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Betrieb & Gewerkschaft

Tarifrunde IG Metall: Business as usual?

Von Jakob Schäfer | 01.05.2016

Die Warnstreiks im Öffentlichen Dienst (Bund und Kommunen) sind gut angelaufen, nicht zuletzt wegen des provozierend niedrigen „Angebots“ der sogenannten Arbeitgeber. Am 28. April endet die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie. Da könnte also was zusammenlaufen.

Die Warnstreiks im Öffentlichen Dienst (Bund und Kommunen) sind gut angelaufen, nicht zuletzt wegen des provozierend niedrigen „Angebots“ der sogenannten Arbeitgeber. Am 28. April endet die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie. Da könnte also was zusammenlaufen.

Das Angebot, das ver.di unterbreitet wurde (3 % in zwei Stufen, Laufzeit 2 Jahre), läuft auf eine Tariferhöhung von durchschnittlich 1,6 % hinaus. 6 % hatte ver.di gefordert, also muss ver.di offensichtlich noch eine Schippe drauflegen. Ein schneller Abschluss zeichnet sich im Moment noch nicht ab.

Am 28. April endet für die IG Metall die Friedenspflicht, aber es gibt (Stand 24. 4.) nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass ver.di und IGM endlich mal die Chance nutzen und ihre Tarifbewegungen miteinander verknüpfen. Auf lokaler Ebene gab es in der Vergangenheit hier und da schon mal Kundgebungen mit Abordnungen anderer Gewerkschaften. Aber das waren eher symbolische Akte, kein bewusster Plan, um bewusst und koordiniert die Herrschenden unter Druck zu setzen.

Harte Haltung des Kapitals?

Ähnlich wie im Öffentlichen Dienst haben die Mitgliedsverbände von Gesamtmetall ein provozierendes „Angebot“ unterbreitet: eine Lohnerhöhung von 0,9 Prozent und eine Einmalzahlung von 0,3 Prozent des bisherigen Entgeltes. Das ist das niedrigste Angebot seit 1994, als Gesamtmetall eine Nullrunde durchsetzen wollte. Die Kluft zur Forderung von 5 % ist so deutlich, dass sich die Frage stellt, ob Gesamtmetall dieses Mal – nach Jahren komplikationsloser Abschlüsse – eine Konfrontation will, um zu sehen, wie weit es mit der Kampfkraft der IG Metall bestellt ist.

Der IG Metall-Vorstand hatte alles dafür getan, dass es nicht zum Streik zu kommen braucht: Es wurden keine noch so bescheidenen „qualitativen Forderungen“ gestellt (beim letzten Mal gab es wenigstens noch die Forderung nach einem neuen Altersteilzeittarifvertrag und einem Bildungsteilzeittarifvertrag). Auch zur Abschaffung (oder wenigstens Eindämmung) von Leiharbeit oder Werkverträgen wurden keine Forderungen gestellt, obwohl immer mehr Kolleg­Innen davon betroffen sind und damit auch die Stammbelegschaften immer mehr unter Druck geraten.

Sieht mensch von dem abgewürgten Streik um die Einführung der 35-h-Woche in Ostdeutschland ab (2003), so fand der letzte Streik 2002 statt. Die Organisation ist also sehr streik­entwöhnt.

Neue Streiktaktik?

Damit die Organisation nicht vollends ihre Glaubwürdigkeit (bei den Kolleg­Innen) und ihre Tarifmächtigkeit (gegenüber Gesamtmetall) verliert, musste ein neues Streikkonzept her, das Handlungsfähigkeit unter Beweis stellt, ohne aber einen Vollstreik anzusteuern. Das Konzept hat sich der IGM-Gewerkschaftstag vom letzten Herbst bei ver.di abgeschaut („Organisieren im Konflikt“), was ver.di in diesen Fällen deutliche Mitgliedergewinne brachte.

Der IGM-Vorstand ist künftig ermächtigt, eintägige Warnstreiks auszurufen und dafür auch Streikgeld zu zahlen. Damit sollen bestimmte Betriebe wirksam getroffen werden. Bei den eng gewebten Logistikketten würde dies dann auch andere Betriebe treffen, was allerdings eine aufwändige Planung seitens der IGM erfordert.

Die Abstimmung muss in den jeweiligen Betrieben stattfinden. Dies macht das Unterfangen möglicherweise in manchen Fällen zu einer zweischneidigen Angelegenheit, weil eine verlorene Abstimmung (also der Beschluss, diesen Betrieb nicht zu bestreiken) auch ein Signal an die entsprechende Geschäftsleitung ist. Andererseits verlagert es die Entscheidungskompetenz direkter in die jeweilige Belegschaft, denn früher konnten sie zwar an der Urabstimmung teilnehmen, aber ob sie dann in den Streik einbezogen wurden, stand auf einem anderen Stern.

So oder so wäre es gut, wenn mit diesem Konzept nicht mehr nur die drei als „kampffähig“ erklärten  Pilot-Tarifbezirke einbezogen würden (zurzeit Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen). Protestieren, aber das Unternehmen nicht wirklich zu treffen, ist mit den Tagesstreiks kaum noch möglich. Davor schreckten bisher nicht nur Gewerkschaftsbürokraten zurück; auch Kolleg­Innen konnten auf diese Weise relativ leicht der Konfrontation ausweichen (und z. B. die ausgefallenen Stunden nacharbeiten).

Bei der Gewerkschaftsführung sind allerdings große Zweifel angebracht, ob sie diese Taktik wirklich voll einsetzen will oder sogar so weit geht, wie der Bezirksleiter Küste, Meinhard Geiken, gegenüber der „SZ“ erklärte: „Wir sind auch auf unbefristete Streiks vorbereitet.“ Aus den lokalen Vorbereitungen im Bezirk Stuttgart ist nämlich ersichtlich, dass die IGM einen Abschluss bis zum 13. Mai 2016 anstrebt.

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