Studentische Beschäftigte an den Berliner Hochschulen sind im Streik

Bildungsstreik-Demo im November 2009 in Berlin. Foto: urbanartcore.eu, Education Protest in Berlin 2009, CC BY-NC 2.0

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Auch Studierende müssen essen

Studentische Beschäftigte an den Berliner Hochschulen sind im Streik

Von Victor Müller | 07.02.2018

Ihr Einsatz bleibt meistens kaum sichtbar, aber studentische Beschäftigte (SBs, auch studentische bzw. wissenschaftliche Hilfskräfte genannt) erledigen an deutschen Hochschulen einen Großteil der wissenschaftlichen und didaktischen sowie der Verwaltungsarbeit. So könnten sie sich im Prinzip durch studiumrelevantes Arbeiten eine Existenzgrundlage schaffen. In Wirklichkeit aber zahlen viele Hochschulen nur den Mindestlohn, um die unterbezahlten Studierenden dann der Willkür der Professoren und der Verwaltungsbürokratie auszuliefern.

In Berlin haben frühere Generationen von Studierenden den bis heute bundesweit einzigen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte erkämpft. Doch geben sich die heutigen Studierenden nicht damit zufrieden. Laut einer Umfrage vom Dezember 2017 sind 80 Prozent der Berliner Studierenden bereit, einen Streik für einen neuen Tarifvertrag zu unterstützen. Unter den ca. 8000 studentischen Beschäftigten der Berliner Hochschulen sind 65 Prozent streikbereit. Am 16.Januar sollte der erste Warnstreik stattfinden; darauf folgten ab dem 23.Januar drei weitere Streiktage.

In Berlin haben frühere Generationen von Studierenden den bis heute bundesweit einzigen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte erkämpft.

Seit Anfang 2017 sind die studentischen Beschäftigten in Berlin in Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag. Dabei fordern sie durch ihre gewählte Tarifkommission vor allem einen Lohn von 14 Euro pro Stunde (bisheriger Stundenlohn 10,98 Euro, also eine Erhöhung um 27,5%) mit automatischer Anpassung an die Lohnsteigerung der anderen Hochschulbeschäftigten. So würden sie im Rahmen der Obergrenze von 40 Stunden pro Monat bis zu 560 Euro im Monat verdienen. Diese Erhöhung würde dem Lohnverfall seit 2001 entsprechen, soll also den arbeitenden Studierenden im Kontext der massiven Steigerung der Lebenskosten in Berlin eine minimale Existenzgrundlage sichern.

Ferner stellen sie 13 weitere berechtigte Forderungen, z.B. nach einem Schutz gegen Arbeitsverdichtung und dem Recht auf 30 Urlaubstage im Jahr. Diese Forderungen laufen entweder auf eine Gleichstellung mit anderen Statusgruppen der Hochschulbeschäftigten hinaus, oder sie lassen sich mit altbewährten Forderungen der Hochschulgewerkschaften verknüpfen.

Durch ihren Forderungskatalog weisen die Studierenden einen hohen Grad an Bewusstsein auf, indem sie langjährige Spaltungen zwischen Statusgruppen an den Hochschulen zu überwinden versuchen.

Die Hochschulen mauern

Im Laufe der Kampagne für einen neuen Tarifvertrag sind mehr als eintausend studentische Beschäftigte den Gewerkschaften Ver.di und GEW beigetreten. Diese haben die Kampagne von Anfang an nachdrücklich unterstützt. Gleichzeitig gab es von seiten der Gewerkschaftsbürokratie Versuche, die Bewegung zu spalten. So richtete sie an der Technischen Universität, wo die Bewegung besonders stark ist, eine nicht gewählte Tarifkommission ein, die bis heute getrennte Sondierungsverhandlungen führt. Mit ihrem Aufruf zum Streik stehen die Führungen von Ver.di und GEW nun vor der Verantwortung, diesen Arbeitskampf so lange zu unterstützen, bis alle Forderungen der gewählten Tarifkommission an allen Hochschulen erfüllt werden.

Dem stehen Hochschulleitungen gegenüber, die durchaus nicht kompromissbereit sind. Das zeigten schon die fünf Verhandlungsrunden 2017: Ihr bestes Angebot bestand aus einer Erhöhung von 4 Prozent auf 11,42 Euro pro Stunde. Die Leitung der Freien Universität drohte gar: Als der Streik näher rückte, bezweifelte sie ohne plausible Begründung dessen Rechtmäßigkeit und drohte den Streikenden mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht verlangte, dass alle gestreikten Stunden nachgearbeitet werden müssen! Vermutlich wollen die Gegner eines neuen Tarifvertrags die Zerstreuung der Studierenden über viele getrennte Niederlassungen ausnutzen, um die Bewegung zu spalten und zu schwächen.

Von seiten der Gewerkschaftsbürokratie gab es Versuche, die Bewegung zu spalten.

Dieser Arbeitskampf ist auch ein politischer Kampf. Nicht nur stellen die Studierenden jetzt schon die Organisation der Arbeit an der kapitalistischen Universität in Frage, auch der rot-rot-grüne Berliner Senat spielt in der Frage eine bedeutende Rolle. In den aktuellen Hochschulverträgen sieht er im Rahmen des Haushaltsplans für die nächsten fünf Jahre Gehaltssteigerungen von insgesamt 18,5 Prozent vor, für studentische Beschäftigte eine Lohnerhöhung von 15 Prozent vor. Dazu ist zu bemerken, dass die in früheren Hochschulverträgen für sie vorgesehenen  Lohnerhöhungen von den Hochschulleitungen einfach nicht weitergegeben wurden! Bisher hat der Senat dies stillschweigend gedeckt.

Es kommt nun insbesondere den antikapitalistischen und revolutionären Strömungen innerhalb der Partei Die Linke zu, sich für eine politische Unterstützung dieses Kampfes einzusetzen. Das könnte z.B. bedeuten, eine einheitliche Kampagne für einen bundesweiten Tarifvertrag einzuleiten, die Forderungen der Berliner Tarifkommission zu erweitern und offen zu sagen, dass solch erweiterte Forderungen nur durch eine Staatsmacht erfüllt werden können, die auf der Seite der lohnabhängigen und erwerbslosen Menschen steht.

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