Solidarität und Widerstand gegen rechte Kampagnen

Foto: screenpunk, "neue politik?", CC BY-NC 2.0

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Niederlanden und Türkei:

Solidarität und Widerstand gegen rechte Kampagnen

16.03.2017

Die folgende gemeinsame Erklärung zu dem Verbot von Kundgebungen von türkischen Ministern und Ministerinnen in den Niederlanden durch die Regierung in Den Haag ist am 14. März 2017 von der türkischen und der niederländischen Sektion der Vierten Internationale herausgegeben worden.

Am 16. April 2017 wird in der Türkei eine Volksabstimmung über die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen stattfinden. Die Änderungen würden zu einem Präsidentenamt mit exekutiven Vollmachten und einer veränderten Struktur des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte (Hâkimler ve Sav­cılar Yüksek Kurulu) führen, was eine Konzentration der Macht in den Händen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zur Folge hätte. Seit der Gezi-Park-Bewegung 2013, der Beendigung von aussichtsreichen Friedensgesprächen mit der kurdischen Bewegung im gleichen Jahr, der Eskalation der Gewalt des türkischen Staats gegen die Kurdinnen und Kurden und dem fehlgeschlagenen Putschversuch ist die türkische Regierung zunehmend autoritärer geworden. Das AKP-Regime hat Tausende von Kritikern und Kritikerinnen verhaftet und entlassen, darunter viele Journalist*innen, Lehrende und Akademiker*innen. Es hat führende Personen der kurdischen Bewegung und Parlamentarier*innen der Oppositionspartei „Halkların Demokratik Partisi“ (HDP) unter der durchsichtigen falschen Beschuldigung, sie würden „den Terrorismus unterstützen“, ins Gefängnis gebracht. Es verbietet Demonstrationen und verletzt Menschenrechte. Jetzt ist dieses Regime jedoch vorgeblich empört über die Vorgehensweise der niederländischen Polizei und tut so, als sei es eine Vorkämpferin der Freiheit, politische Kundgebungen abhalten zu dürfen.

Mark Rutte, der rechte Ministerpräsident der Niederlande, befindet sich in den letzten Tagen des Wahlkampfs vor den landesweiten Wahlen vom 15. März 2017. Seine Partei, die „Volkspartij voor Vrijheid en Democratie“ (VVD), konkurriert mit der rechtsextremen und islamfeindlichen „Partij voor de Vrijheid“ (PVV) von Geert Wilders. Die VVD ist eine neoliberale Partei, die holländischen Nationalismus als Mittel verwendet, um Unterstützung für ihre Agenda der Sparpolitik zu bekommen. Dadurch dass sie AKP-Kundgebungen untersagt und die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya zur persona non grata erklärt, will Rutte sich als Verteidiger der liberalen Demokratie und als starke Führungspersönlichkeit hinstellen, als einer, der sich nicht von der islamistischen AKP oder deren türkisch-niederländischen Anhängerschaft einschüchtern lässt. Das Motiv für diese Maßnahmen ist aber nicht Besorgnis wegen Einschränkungen der Demokratie in der Türkei; Rutte versucht vielmehr potentielle PVV-Wähler*innen zu gewinnen. Die Vorgehensweise der niederländischen Behörden ist in Wirklichkeit eine Hilfe für Erdoğan. Rutte ist sein Wahlkampf wichtiger, als wirklich zu versuchen, die Stärkung des Autoritarismus in der Türkei aufzuhalten.

Erdoğan kann sich jetzt dank Rutte seiner religiös-nationalistischen Basis gegenüber leichter als jemand hinstellen, der sich „dem Westen“ entgegen stellt, während er die Aufmerksamkeit von Entwicklungen innerhalb der Türkei ablenkt. Die AKP benutzt Panikmache wegen internationaler Verschwörungen, um mehr Rückhalt zu bekommen. Zugleich sind türkische Migrant*innen und ihre Familienangehörigen in den Niederlanden seit langem Rassismus und Vorurteilen ausgesetzt gewesen. Die niederländische Rechte benutzen den Umstand, dass ein beträchtlicher Teil der türkischstämmigen Gemeinschaft die AKP unterstützt, als Argument für die Behauptung, niederländische Staatsbürger*­innen türkischer Herkunft gehörten nicht wirklich zur holländischen Gesellschaft, und um die türkisch-niederländische Gemeinschaft als Ganze zu attackieren. Wilders und Rutte haben die gleiche Botschaft für diejenigen, die sich gegen ihr Verständnis von der Gesellschaft stellen: „Ihr müsst zustimmen oder – raus aus diesem Land“.

Was die niederländische und die türkische Rechte betreibt, ist voller Heuchelei. Die niederländische Regierung hat kein Problem damit, sich mit einer repressiven und rassistischen Regierung wie der von Benjamin Netanjahu in Israel zu verbünden, doch im Falle der Türkei tut sie plötzlich so, als sei sie in tiefer Sorge um die Demokratie. Wären demokratische Rechte in der Türkei für die niederländische Regierung wirklich ein Anliegen, könnte sie das zeigen, indem sie die türkische demokratische Opposition und das kurdische Recht auf Selbstbestimmung unterstützt. Wie wir es aber in der Flüchtlingsfrage erleben, schaffen es die herrschenden Kräfte der beiden Ländern, bei der Unterdrückung der Flüchtlinge und der Verstärkung der Festung Europa reibungslos zusammenzuwirken.

Die Linke muss sich gegen die Kampagnen der niederländischen und der türkischen Rechten stellten und den Kampf gegen sie verstärken. Wir rufen dazu auf, bei der türkischen Volksabstimmung „Nein“ zu stimmen, Widerstand gegen das zunehmend autoritäre Regime von Erdoğan zu organisieren und den Säkularismus zu verteidigen. Die arbeitenden Menschen in der Türkei und den Niederlanden dürfen für die Verteidigung von demokratischen Rechten und der Interessen der Bevölkerung nicht auf die Rechtsregierungen in ihren Ländern vertrauen. Sie sollten sich vielmehr in einem gemeinsamen Kampf gegen den Neoliberalismus und gegen alle Formen von Unterdrückung für ihre gemeinsamen Interessen einsetzen.

Sosyalist Demokrasi için Yeniyol – türkische Sektion der Vierten Internationale

SAP / Grenzeloos – niederländische Sektion der Vierten Internationale

 

Aus dem Englischen übersetzt von Wilfried

Quelle: http://internationalviewpoint.org/spip.php?article4894

Auf Niederländisch:
https://www.grenzeloos.org/content/nederland-en-turkije-solidariteit-verzet-tegen-de-rechtse-campagnes

Auf Türkisch:
http://www.yeniyol.org/hollandada-ve-turkiyede-direnis/

 

Foto: CC BY-NC 2.0, screenpunk, https://www.flickr.com/photos/screenpunk/3591781154

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