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RSB4

Resolution zum Kampf gegen Arbeitslosigkeit

Von Die Internationale Theorie 28 | 01.11.1995

2. Delegiertenkonferenz des RSB

18./19. November 1995

1. Das Ausmaß der seit 1973 spürbaren kapitalistischen Wirtschaftskrise zeigt sich am deutlichsten im Ansteigen der Massenerwerbslosigkeit. Trotz der aktuellen, kurzfristigen wirtschaftlichen Aufschwungstendenzen sind heute in den entwickelten Staaten mehr Menschen arbeitslos als auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1929 – 1932. Weltweit galten Anfang 1994 über 820 Millionen Menschen als erwerbslos (darunter 120 Millionen amtliche registrierte). In den wirtschaftlich beherrschenden Staaten sind über 50 Millionen arbeitslos, davon allein fast 20 Millionen in den Staaten der Europäischen Union. Die niedrigste Erwerbslosenquote der EU weist Luxemburg auf (ca. 2%), die höchste der spanische Staat (ca. 20%). Für West- und Osteuropa zusammen wird sogar von etwa 70 Millionen Arbeitslosen gesprochen.

In der Bundesrepublik ist die Zahl der registrierten Arbeitslosen seit 1990 stark angestiegen. 1994 fehlten etwa 7,5 Millionen Arbeitsplätze. Offiziell gab es etwa 3,7 Millionen registrierte Arbeitslose. Das ist die höchste Zahl seit Bestehen der Bundesrepublik, auch wenn nur der Westen alleine betrachtet wird. Hinzu kommt die „stille Reserve“ von über zwei Millionen Menschen, jene Gruppe von Erwerbslosen, die nicht oder nicht mehr registriert sind. Zudem fehlen Arbeitsplätze für alle, die in „Maßnahmen“ der Arbeitsämter statistisch versteckt sind (Umschulungen, ABM-Stellen, Vorruhestandsregelungen). Die offizielle Arbeitslosenquote lag über 10% – 9,2% im Westen (2,56 Mio.) und 16,0% im Osten (1,14 Mio.). Das regionale Gefälle reicht von Sachsen-Anhalt mit 17,6% bis Bayern mit 7,1% registrierten Arbeitslosen.

Es ist noch schwerer geworden, wieder in Arbeit zu kommen. Jeder dritte Erwerbslose sucht schon seit mehr als 12 Monaten eine Stelle – mit schwindenden Chancen. Im Westen hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen von 1980 bis 1994 mehr als versiebenfacht: von 106145 auf 797564. Die Zahl der arbeitslosen ImmigrantInnen hat sich seit 1980 von 107420 auf 409110 fast vervierfacht. Die entsprechende Quote betrug 1994 16,2%. Besonders betroffen von Erwerbslosigkeit sind Frauen in der ehemaligen DDR. Sie liegen mit einer Arbeitslosenquote von 21,5% einsam an der Spitze. Die Zahl der offenen Stellen ist hingegen auf einen „Erinnerungsposten“ zusammengeschmolzen. Die Zahl der KurzarbeiterInnen lag 1994 bei 136000.

Weitere Arbeitsplatzvernichtung ist schon angekündigt: in der Auto- und der Flugzeugindustrie, im Bergbau, im Baugewerbe, bei der Bahn und der Post. Die Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmen trägt genauso wie die Umsetzung der „schlanken Produktion“ in privaten Großunternehmen das Ihre dazu bei.

Alle genannten Zahlen sind nur von begrenztem Erklärungswert, da insgesamt ein viel größerer Teil der arbeitenden Klasse von Arbeitslosigkeit betroffen war, ist oder demnächst sein wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß in der BRD derzeit etwa 10 Millionen Menschen durch Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit geprägt sind.

2. Arbeitslosigkeit ist mit hohen finanziellen Einbußen (etwa 50% des bisherigen Einkommens) verbunden. Millionen nicht registrierter Menschen erhalten überhaupt keine Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit.

Je länger Arbeitslosigkeit dauert, desto größer werden die finanziellen Einbußen und umso schwieriger wird es, überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden. Selbst in den wenigen Fällen, wo Arbeitsplätze angeboten werden, sind finanzielle Verschlechterungen die Regel.

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Ansteigen der Arbeitslosigkeit und dem Anwachsen der Armut – nicht nur in der BRD. Ende 1994 waren etwa 2,6 Millionen Menschen Empfänger von „Hilfe zum Lebensunterhalt“ (Sozialhilfe), davon etwa 35% als direkte Folge von Arbeitslosigkeit. Der Regelsatz, der sich an einem „Mindestbedarf“ orientiert, lag 1994 je nach Bundesland  zwischen 496,- und 521,- DM monatlich für einen „Haushaltsvorstand“ bzw. eine alleinstehende Person.

Neben der materiellen Verarmung und dem sozialen Abstieg sind die vielfältigen durch Arbeitslosigkeit bedingten Schädigungen als nicht minder schwerwiegend anzusehen:

  • • Zunahme von Drogenabhängigkeit in allen Formen (Alkohol, Tabletten, Rauschgifte…),
  • • wachsende Verbreitung psychosomatischer Krankheiten (Herzerkrankungen, Magengeschwüre, Bluthochdruck…),
  • • Verschlimmerung bereits vorhandener psychischer Störungen und
  • • steigende Selbsttötungszahlen.

Dies alles ist letztlich Ergebnis der durch Erwerbslosigkeit verschärften gesellschaftlichen Isolierung und der damit verbundenen Zerstörung des Selbstbewußtseins und der Selbstbehauptungskraft von Menschen.

3. Von den Unternehmern und der Bundesregierung wird die Arbeitslosigkeit als Waffe gegen die (Noch-) Beschäftigten benutzt.

Auch 1995 werden die Nettolöhne – wie schon in den Vorjahren – weiter sinken. Für die meisten Lohnabhängigen liegt der Reallohn 1995 unter dem der frühen 80er Jahre.

Neben dem Abbau von Löhnen und Gehältern wird der Leistungsdruck in sämtlichen Bereichen vorangetrieben. Immer weniger Menschen müssen immer mehr leisten. Einschüchterung, weitere Disziplinierung und Erpressung von Belegschaften sowie wachsender Arbeitsdruck – verstärkt durch neue Formen der Arbeitsorganisation wie Teamarbeit – fördern die Zukunftsängste der Lohnabhängigen und die Entsolidarisierung.

Unternehmer und Bundesregierung nutzen die Massenarbeitslosigkeit aus, um ihre Angriffe gegen die Beschäftigten und die Gewerkschaften zu verstärken. Deregulierung (aller tariflichen sowie gesetzlichen Lohn- und Sozialstandards) sowie totale Flexibilisierung der Arbeitszeiten sind die Hauptlosungen ihrer neoliberalen, marktradikalen Propaganda. Als ein Vorbild sehen die Herrschenden die Verhältnisse auf der britischen Insel an. Dort sind höchstens 50% der Arbeitsverhältnisse noch in irgendeiner Form tarifvertraglich geregelt. Lediglich für etwa 34% der Vollzeitbeschäftigten gelten noch landesweite Einkommenstarifverträge. Der britische Arbeitsmarkt ähnelt einer Studie des dortigen Arbeitsministeriums zufolge immer mehr den Verhältnissen im 19. Jahrhundert.

Anstatt die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, fördern Blüm, Seehofer & Co. den Kampf gegen die Arbeitslosen und damit letztendlich gegen relativ gesicherte Arbeitsverhältnisse. Bisher nur ansatzweise sind die Pläne des Bundesarbeitsministeriums vom Mai 1995 bekannt geworden, das Arbeitsförderungsgesetz marktradikalen Vorstellungen entsprechend völlig umzugestalten und das bisherige System der Arbeitslosenversicherung weitgehend zu zerstören.

4. Arbeitslosigkeit ist ein naturwüchsiges Resultat der kapitali
stischen Produktionsweise. Periodisch auftretende Überproduktionskrisen führen zur Vernichtung von Produktivkräften. Die ständige, durch neue Technologien und Formen der Arbeitsorganisation verschärfte Ausbeutung bewirkt, daß immer weniger Arbeitskräfte immer mehr produzieren. Der ruinöse Konkurrenzkampf auf allen Ebenen hat die Ausschaltung einer wachsenden Zahl von Unternehmen auf der einen Seite und die fortschreitende Konzentration von Kapital auf der anderen Seite zur Folge. Eine wachsende Kluft öffnet sich zwischen den vergrößerten Kapazitäten zur Herstellung von Waren und der verringerten Massenkaufkraft. Diese und andere Elemente der Profitwirtschaft verursachen gesetzmäßig Massenarbeitslosigkeit.

Die bürgerliche Propaganda versucht – bisher erfolgreich – davon abzulenken. Die Ausländer und das Ausland, der „Sozialismus“ im Osten, die zu hohen Löhne, die zu langen Urlaubszeiten, die zu kurzen und zu starren Arbeitszeiten, die Gewerkschaften, die zu geringen Gewinne, die Wechselkurse, die zu scharfen Umweltbestimmungen, die Schwarzarbeiter, die Doppelverdienerinnen – all das und noch viel mehr bildet einen scheinbar unentwirrbaren Knäuel von Pseudoerklärungen, der nur eines beweisen soll: Die Arbeitslosigkeit kann eigentlich gar nicht beseitigt werden.

Dennoch gibt es eine ganz große Koalition quer durch alle bürgerlichen Parteien, die Unternehmerverbände, Gewerkschaftsapparate und Kirchen, die den „Solidarpakt zur Verteidigung des Standortes Deutschland“ im Zeitalter des Kasinokapitalismus und der transnationalen Konzerne auf ihre Fahnen geschrieben hat, und angeblich auch noch die Arbeitslosigkeit bekämpfen will. In Wirklichkeit werden damit Flexibilisierung und Deregulierung gefördert. Das radikale Infragestellen dieser Ideologie und dieser Atmosphäre des Burgfriedens, die jede wirkliche Bewegung gegen Massenarbeitslosigkeit ersticken, ist eine Voraussetzung für den Fortschritt im Kampf gegen dieses soziale Erzübel des Kapitalismus.

Der „Solidarpakt“ bedeutet die Verschleierung von sozialen Gegensätzen – ein gemeinsames Interesse von Kapital und Arbeit an der Beseitigung der Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Was den einen ein willkommenes Druckmittel, ist den anderen ein zunehmend schwereres Bleigewicht. Es muß immer wieder deutlich gemacht werden, wer Arbeitsplätze warum vernichtet – die privaten und öffentlichen Unternehmer wegen des Ziels der Profitmaximierung. Der Logik der „Verteidigung des Standortes Deutschland“ muß die Logik der Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse und der internationalen Solidarität entgegengestellt werden. Nur so können letztlich die verheerenden Auswirkungen der kapitalistischen Vernichtungskonkurrenz bekämpft und das Ausspielen eines Teils der arbeitenden Klasse gegen einen anderen verhindert werden.

5. Im internationalen Vergleich der imperialistischen Führungsmächte fällt auf, daß die Gewerkschaften der BRD – trotz der sozialpartnerschaftlichen Ausrichtung ihrer Apparate – für die ungehemmte neoliberale Offensive der Bürgertums immer noch einen Bremsklotz darstellen. Wenn die arbeitende Klasse nicht eine entscheidende Schwächung hinnehmen will, müssen ihre organisierten Teile den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit endlich aufnehmen. Das kann im Prinzip nur heißen: Verteidigung aller Arbeitsplätze, Schaffung neuer, sozial und ökologisch sinnvoller Arbeitsplätze und Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle.

Die Dauer der Arbeitswoche muß so weit verkürzt werden, bis die Arbeitslosigkeit beseitigt ist. Die Löhne und Gehälter müssen regelmäßig entsprechend der Steigerung der Lebenshaltungskosten angehoben werden. Es muß ein Mindesteinkommen für alle garantiert werden (zur Zeit etwa 2200,- DM pro Person). Die Durchsetzung der 30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als ein erster radikaler Schritt würde Millionen Arbeitsplätze schaffen.

1994 wurden durch Überstunden Millionen Arbeitsplätze „ersetzt“. Auf der betrieblichen Ebene muß deshalb die Auseinandersetzung um den Abbau von Überstunden geführt werden. Anstelle von Mehrarbeit und Sonderschichten fordern wir die Wiedereingliederung von Erwerbslosen in die Produktion. Wenn Überstunden nicht abgewendet werden können, muß ein Freizeitausgleich mit einem dem Überstundenzuschlag entsprechenden zeitlichem Aufschlag gewährt werden.

Jede Form von weiterer Flexibilisierung der Arbeitszeit im Interesse des Profits ist abzulehnen: ob Kurzarbeit oder produktionsorientierte variable Arbeitszeit. Vom Unternehmen zu verantwortende Reduzierung der Arbeitszeit darf keine Einkommenseinbußen zur Folge haben. Kurzarbeit nur bei vollem Lohnausgleich – bezahlt vom Unternehmen.

Im Kampf gegen Massenentlassungen und Betriebsstillegungen stellen Warnstreiks, Demonstrationen und andere Aktionen wirkungsvolle Mobilisierungsmittel, aber noch keine geeigneten Aktionsformen dar. Nur wenn der Betrieb von der Belegschaft besetzt ist, wenn die von Entlassung bedrohten Beschäftigten ihr Anrecht auf die von ihnen geschaffenen Produktionsanlagen und Produkte ankündigen, sind sie in einer Position der Stärke. Allerdings darf nicht gewartet werden, bis ein Betrieb bankrott ist. Die Besetzung muß an bestimmte Ziele gebunden sein und Unterstützung von außen erfahren. Betriebsbesetzungen gegen Standortstillegungen sollten mit der Perspektive der Verstaatlichung des Betriebes und der Wiederaufnahme der Produktion unter der Kontrolle der Belegschaft erfolgen.

Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit ist undenkbar ohne eine entschlossene Finanzierung neuer Arbeitsplätze.

Nur in Verbindung damit wird es möglich sein, die Verteilung der Arbeit auf alle Hände sicherzustellen. Der Kampf für die planmäßige Vergabe öffentlicher Arbeiten bedeutet, von den vorhandenen gesellschaftlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten auszugehen. Er bedeutet ferner, feste Ziele zu setzen: z.B. Neubau menschengerechter Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser, Ausbau eines umweltfreundlichen Verkehrssystems und einer Energieversorgung, die auf regenerativen Quellen beruht. Die entsprechenden Pläne müssen unter öffentlicher Kontrolle ausgearbeitet und realisiert werden.

Im Unterschied zur gegenwärtigen Wirtschaftspolitik muß dies Auflagen für die Unternehmen zur Folge haben. Sie erhalten die jeweiligen Aufträge nur, wenn sie eine entsprechende Zahl von Arbeitslosen einstellen. Gibt es nicht genügend Menschen mit entsprechenden Qualifikationen, so sollten sie umgeschult oder weitergebildet werden. Die Belegschaften müssen die Einhaltung der Auflagen solcher öffentlichen Aufträge kontrollieren.

Die Berufung auf wirtschaftliche Gründe ist für Unternehmer der einfachste Weg, um Beschäftigte zu entlassen. Gegen Personalabbau benötigen die Betriebs- oder Personalräte ein Vetorecht. Das Geschäftsgeheimnis hindert die Belegschaften daran, die „Gründe“ für Entlassungen zu prüfen. Sie benötigen deshalb die Aufhebung des Geschäftsgeheimnisses und das Recht auf Einsicht in die Geschäftsbücher des Unternehmens

Bei Kurzarbeit fordern wir die Aufstockung des Kurza
rbeitergeldes durch die Unternehmer auf die Höhe des bisher gezahlten Entgeltes. Bei Arbeitslosigkeit treten wir für ein unbefristetes Arbeitslosengeld ein. Die Deckung des Defizits der Bundesanstalt für Arbeit muß von den Unternehmen gesichert werden. Bis eine derartige Regelung durchgesetzt ist, muß das Bundesministerium für Arbeit in Vorlage treten. Die Bedürftigkeitsprüfung bei Arbeitslosenhilfe muß abgeschafft werden. Die Arbeitslosenunterstützung muß im gleichen Umfang wie der Anstieg der Lebenshaltungskosten mindestens halbjährlich angehoben werden.

Statistische Betrügereien der Bundesanstalt für Arbeit gelten mittlerweile als normal. Aus durchsichtigen politischen Gründen registrierte sie allein im Westen der BRD 1994 ein Viertel der BewerberInnen nicht mehr. Lediglich etwa die Hälfte aller jungen Leute, die eine Lehre beginnen wollten, hatte eine entsprechende Stelle gefunden. In diesem Jahr sind nach offiziellen Angaben noch 165000 Jugendliche ohne Lehrstelle gemeldet (55000 im Osten, 110000 im Westen). Um dem Lehrstellenmangel Herr werden zu können, ist die Einrichtung staatlicher Lehrwerkstätten unter gewerkschaftlicher Kontrolle erforderlich. Für die Finanzierung dieser Einrichtungen müssen die Nutznießer qualifizierter Arbeitskraft, die Unternehmen, aufkommen. Alle Ausgebildeten müssen in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen werden.

Bevorzugt müssen die Hauptverlierer auf dem Arbeitsmarkt eingestellt werden. Wir fordern 50% aller qualifizierten Arbeitsplätze für Frauen. Wir treten für die volle Ausschöpfung der 6%-Quote für behinderte Menschen ein – ohne die Möglichkeit des Freikaufs durch Ausgleichszahlungen der Unternehmen.

Wir lehnen die Befristung von Arbeitsverhältnissen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ab. Leiharbeit und Arbeit auf Abruf dürfen in Zukunft nicht mehr zugelassen werden. Der §19 Arbeitsförderungsgesetz, der Menschen aus Staaten von außerhalb der EU faktisch legale Beschäftigung unmöglich macht, muß gestrichen werden.

6. Das Geld für die Verwirklichung dieser Forderungen ist da. Es muß allerdings gesellschaftlich verfügbar gemacht werden: durch die drastische Reduzierung der Militärausgaben (ca. 64 Milliarden DM pro Jahr), durch eine radikale Steuerreform, die auch die Reichen und Superreichen zur Kasse bittet (ca. 200 Milliarden DM pro Jahr), durch eine Streichung der öffentlichen Schulden, denn die Banken schwimmen im Geld (ebenfalls etwa 200 Milliarden DM im Jahr), und durch eine Nutzung der Spekulationsgelder (ca. 1000 Milliarden DM) für soziale und produktive Zwecke.

Es ist keine Frage, daß nur durch massiven öffentlichen Druck ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit und ein weiterer Sozialabbau verhindert werden kann. Er ist Voraussetzung für eine politische Wende „von unten“, wie wir sie eben skizziert haben. Wenn wir von dem auf Sparflamme geführten Bayernstreik der IG Metall im Frühjahr 1995 einmal absehen, so sind die bisherigen Angriffe von Kohl & Kapital ohne einheitliche und wirkungsvolle Gegenwehr geblieben. Dafür tragen auch die sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Gewerkschaftsführungen ihren Teil der Verantwortung. Ohne eine demokratisch kontrollierte und aktive Gewerkschaftsbewegung wird es kaum möglich sein, die Verteidigung gegen die Umverteilung von unten nach oben effektiv zu organisieren, geschweige denn in die Gegenoffensive zu gelangen. Sie ist undenkbar ohne die gleichberechtigte und uneingeschränkte Einbeziehung der Erwerbslosen in die Gewerkschaftsarbeit. Sie ist unmöglich ohne den Kampf gegen Frauenunterdrückung und Rasssimus. Sie ist unvorstellbar ohne das Eintreten für eine Solidarität ohne Grenzen.

7. Für die Arbeiterbewegung und die gesamte Linke stellt der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit die entscheidende soziale Herausforderung da. Ende der 20er/ Anfang der 30er Jahre haben sie bereits bei der Beantwortung dieser Frage versagt. Die Folgen davon sind bekannt:

  • • Zerschlagung der mächtigsten Arbeiterbewegung der damaligen kapitalistischen Welt durch die Nazi-Diktatur,
  • • massiver Sozial- und Lohnabbau,
  • • Terror gegen alles „Andersartige“,
  • • Aufrüstung, Krieg und millionenfache Vernichtung.

Auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt: Die soziale Lage in der BRD hat sich unter dem Druck der Massenarbeitslosigkeit bereits stark verschlechtert. Dramatische weitere Angriffe stehen bevor. Die Revolutionären SozialistInnen stellen sich der Verantwortung, ihren Beitrag zur Entwicklung der Gegenwehr zu leisten – in den Arbeitsloseninitiativen und den Gewerkschaften, in den Betrieben und im Ausbildungsbereich.

Dies ist eine langfristig angelegte, mühselige Aufgabe und erfordert eine auf lange Sicht angelegte Kampagne der gesamten Organisation.

Konkret bedeutet das für den RSB:

  • • kontinuierliche Analyse der Entwicklung der sozialen Frage,
  • • Diskussion und aktuelle Berichterstattung in unseren Publikationen,
  • • Unterstützung vor allem von exemplarischen Kämpfen gegen Massenentlassungen,
  • • Vermittlung von internationalen Erfahrungen im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Entlassungen (z.B. AC in Frankreich, Busfahrerstreik in Dänemark),
  • • Herstellung fester Kontakte mit nationalen und internationalen Koordinationen gegen Arbeitslosigkeit und Armut,
  • • Einbeziehung von erwerbslosen GenossInnen in unsere BuG-Arbeit,
  • • besonderes Aufgreifen des Themas Jugendarbeitslosigkeit durch die Jugendkommission,
  • • Veröffentlichung von Materialien zur Frage Arbeitslosigkeit (Broschüren, Flugblätter, Plakate, Aufkleber).

Einzelne praktische Schritte für 1996 müssen noch durch das PK, die BuG-Kommission und die Delegiertenkonferenz festgelegt werden.

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