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Innenpolitik

Regierungswechsel in Thüringen: Bleibt alles anders?

Von Paul Brandt | 28.01.2015

Nun hat es Die Linke geschafft – sie stellt mit Bodo Ramelow den neuen Ministerpräsidenten Thüringens, den ersten in einem Bundesland überhaupt.

Möglich wurde dieser Schritt durch die Bildung einer Koalition mit den GRÜNEN und der SPD als deutlich kleinere Partner der neuen Landesregierung. Die knappe Mehrheit von nur einer Stimme gegenüber der Opposition aus CDU und AFD wird die Koalition zu Disziplin und äußerer Geschlossenheit zwingen, die auch und besonders in die Partei DIE LINKE hineinwirken wird.

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 52 %; die rechte AFD ist auf Anhieb relativ stark in dem neuen Parlament vertreten. Von einer Verschiebung nach Links kann daher nicht die Rede sein, zumal mit der SPD und den GRÜNEN keine Parteien an der Regierung beteiligt sind, denen ernsthaft eine Politik im Interesse der lohnabhängigen Klasse attestiert werden kann. Mit diesen zwei Parteien sind zwei voll und ganz in das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem integrierte Verwalter eben dieser Klassenherrschaft im Dienste des Kapitals mit am Tisch.

Sicher gibt es im Führungskader von SPD und Grünen moralisch integre und sehr vereinzelt sogar gesellschaftskritische Persönlichkeiten, das rechtfertigt allerdings überhaupt nicht eine Einschätzung dieser Parteien als linke Kräfte. Von den Parteien der Landesregierung kann allein Die Linke das Ziel eines demokratischen Sozialismus auf dem Wege von Reformen für sich in Anspruch nehmen. Bis es soweit ist, gibt es wenn möglich Reparaturmaßnahmen an den schlimmsten Auswüchsen bürgerlicher Herrschaft und deren politischer Verwaltung. Bedauerlicherweise – und das ist völlig ernst gemeint – wird es keinen friedlichen Weg in Richtung einer sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung geben, die Bourgeoisie wird sich nie per Stimmzettel die Macht aus den Händen nehmen lassen, das lehrt uns die Geschichte. Was auf dem Weg durch die Institutionen hin zu einem demokratischen Sozialismus allerdings wie zwangsläufig geschieht, ist die formelle und inhaltliche Anpassung an das herrschende System. Formen und Verkehrsformen bedingen die Inhalte, diesen Weg wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch Die Linke gehen.

Diese Landesregierung gründet sich eben nicht auf soziale Kämpfe oder nennenswerte soziale Bewegungen, sie ist per Wahlzettel in einem Klima relativer Klassenkampfruhe an ihre Posten gekommen – nicht mehr und nicht weniger.

Der Eintrittspreis: das Diktat vom Unrechtsstaat

Die offen bürgerlichen Koalitionspartner der Linken (Grüne und SPD) erzwangen von der Linken eine Charakterisierung der DDR als Unrechtsstaat; das kam einer Unterwerfung gleich. Unbestreitbar gab es Fehlentwicklungen in der DDR und für viele ehemalige Bürger der DDR partiell großes persönliches Leid, das ist nicht wegzureden. Die DDR aber als Ganzes auf diesen Teil ihrer Geschichte reduzieren zu wollen, ist in keiner Weise akzeptabel. Es geht der herrschenden Klasse in der BRD doch nicht um Menschenrechte, diese werden nur nach Opportunität angemahnt. Mit dem Begriff des Unrechtsstaates sollen die Grundlagen der DDR diskreditiert werden – und diese waren unverzichtbare Elemente einer nicht-kapitalistischen Übergangsgesellschaft. Insofern war die Gründung der DDR ein Sieg über den Kapitalismus in Deutschland. Der spätere Zusammenbruch der DDR war ein Resultat bürokratischer Verkrustung, ideologischer Blindheit und ökonomischer Fehlentwicklung. Dennoch lag keine Notwendigkeit in dieser Entwicklung.

Der Bourgeoisie kommt es darauf an, jeglichen Versuch zur Überwindung der Ausbeuterordnung zu verteufeln. An dieser Stelle sollte nicht vergessen werden, dass mit der These vom Unrechtsstaat die Lebensleistung tausender ehemaliger DDR-Bürger­Innen diskreditiert wird. Die DDR lässt sich nicht auf Stasi und Grenze reduzieren. Leider haben die Deutschen in der DDR die Aufarbeitung ihrer Geschichte dem kapitalistischen Klassenfeind überlassen.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass 500 neue Lehrkräfte eingestellt werden sollen, ein Kita-Jahr kostenfrei sein soll, bei Landesaufträgen der Mindestlohn gezahlt werden muss und ein Tariftreuegesetz beachtet wird; die Arbeit des Verfassungsschutzes wird eingeschränkt. Alles Weitere steht unter einem Finanzierungsvorbehalt, der sich strikt an der Schuldenbegrenzung orientiert.

Wer sich mit und ohne Arbeit in den sozial-ökonomisch untersten Etagen dieser Klassengesellschaft befindet, wird diese Reformen schätzen – bei aller Bescheidenheit. Revolutionäre Sozialist­Innen unterstützen grundsätzlich alle Reformen, die eine Verbesserung für die Lebensverhältnisse der Arbeiter­Innenklasse mit sich bringen.

Die jetzige Landesregierung spiegelt auch den Stand des Klassenbewusstseins und des Klassenfriedens wider. Es gibt keine relevanten Kräfte bzw. sozialen Bewegungen, die Die Linke zu einer radikalen linken Politik treiben würden. Diese Erwartungen bestehen nicht; sie bestehen erst recht nicht gegenüber der SPD, die von Teilen der radikalen Linken immer noch als bürgerliche Arbeiterpartei betrachtet wird. Diese Kräfte warten seit Jahrzehnten auf den beschworenen Bruch der Klasse mit der SPD, weil ihre angeblichen Erwartungen enttäuscht werden. Erwartungen können nur enttäuscht werden, wenn sie auch existieren; dies ist aber nicht der Fall. Selbst dort, wo es noch eine marginalisierte Verankerung der SPD in der Klasse gibt, hegen diese Kräfte absolut keine antikapitalistischen Erwartungen.

Die Partei Die Linke ist der reformistische Part in der Landesregierung. Die Grenzen ihrer Gestaltungskraft können wir nicht auf Unwillen reduzieren, sie liegen auch nicht allein in einer parlamentarischen Fixierung ihrer Politik. Ohne gesellschaftlichen Druck aus den Reihen der Arbeiter­Innenklasse wird sich nichts bewegen. Der ideologische Griff der Bourgeoisie in den Köpfen der Klasse ist nicht voluntaristisch zu knacken. Das außerparlamentarische Spielbein ist noch zu unterentwickelt, um darauf bauen zu können.

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