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Ökologie

Regierung zerstört Solarförderung und verzögert Energiewende

Von K. Hasse | 01.04.2012

Nach dem Atomunfall von Fukushima sowie den Wahlschlappen in Baden-Würtemberg und Rheinland-Pfalz verkündete die Bundesregierung in einer großen Anzeigenkampagne eine Energiewende. Das Ziel sei: weg von der Atomenergie, hin zu erneuerbaren Energien. Was ist ein knappes Jahr nach dieser Ankündigung von der Energiewende geblieben? Wie ist die gerade stattgefundene Kürzung der Solarförderung einzuschätzen?

Nach dem Atomunfall von Fukushima sowie den Wahlschlappen in Baden-Würtemberg und Rheinland-Pfalz verkündete die Bundesregierung in einer großen Anzeigenkampagne eine Energiewende. Das Ziel sei: weg von der Atomenergie, hin zu erneuerbaren Energien. Was ist ein knappes Jahr nach dieser Ankündigung von der Energiewende geblieben? Wie ist die gerade stattgefundene Kürzung der Solarförderung einzuschätzen?

In der Atompolitik hat es einen Ausstiegsbeschluss gegeben und 7 AKWs wurden abgeschaltet. Diese Entscheidung hat das Merkel-Rösler-Kabinett nur unter großem politischem Druck gefällt. Das ist aber auch schon alles, was diese Regierung an positiven Maßnahmen zur Energiewende vollbracht hat. Betrachten wir die Energiepolitik der Schwarz-Gelben Regierung im Einzelnen.

In einer ersten Phase nach ihrem großen Energiewendebeschluss hat die CDU-FDP- Regierung die Dinge zunächst einfach treiben lassen. Obwohl eine Ener­gieumstellung propagiert wurde, wurden die Ausbauziele für Solar- und Windstrom nicht nach oben korrigiert. Es blieb beim alten im EEG verankerten Ausbauplan, dass bis 2020 35 % der Strom-Versorgung aus erneuerbaren Energien stammen sollten. Das Einzige, was Merkel intensiv propagierte, war der Ausbau klimaschädlicher fossiler Kraftwerke, die angeblich für den Übergang erforderlich seien. Dass auch ein ambitionierter Umstieg zu regenerativen Energien möglich gewesen wäre, zeigte die Deutsche Energieagentur in einer Studie, die für 2020 fünfzig Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien vorsah.
Offshore-Windenergie
Die Merkel-Regierung erklärte nach der Abschaltung von 7 AKW die Offshore-Winden­ergie zu einem angeblich zentralen Baustein der Energiewende. Sie wollte damit ihren Freunden in den Chefetagen der großen Energiekonzerne eine Kompensation zukommen lassen, denn die kapitalintensiven Offshore-Windkraftwerke können nur unter hohem Kosten- und Technologieaufwand von großen Akteuren aufgebaut werden. Der Offshore-Windenergie wurde folgerichtig mit 18 Cent/KWh eine doppelt so hohe Förderung zugesprochen wie die deutlich kostengünstigere und schneller aufbaubare Windenergie an Land. Doch dieses Vorgehen erwies sich als Flop: Während bei Onshore-Windanlagen die installierte Leistung in Deutschland in 2011 um 2007 MW anstieg – immerhin 30 % mehr als im Vorjahr – gingen in der selben Zeit nur 108 MW offshore ans Netz. Für dieses Versagen gibt es mehrere Gründe. So hat sich das Unternehmen Tennet, das für die Netzanschlüsse von Offshore-Anlagen zuständig ist, in seiner Gier offensichtlich übernommen und kann jetzt nicht im erforderlichen Umfang liefern. Bedeutsamer ist aber, dass die großen Energiekonzerne gar keinen schnellen Ausbau der Offshore-Energie wollen, da sie so ihre profitablen Kohle- und Atommeiler noch möglichst lange ungestört nutzen können. So kündigte der RWE-Konzern Mitte Februar 2012 an, dass er weitere Offshore -Projekte zunächst auf Eis legen wolle. Es wird deutlich, dass sich die Regierung in ihrem Vertrauen in die privaten Energiekonzerne schlicht verrechnet hat – gegengesteuert wurde aber nicht.
Solarstrom kontra Kohle- und Atomstrom
Trotz der Untätigkeit der Bundesregierung stieg 2011 der Anteil der Erneuerbaren an der gesamten Stromerzeugung auf 20 % an. Einen besonderen Anstieg mit 7,5 GW hatten die neu installierten Photovoltaik-Anlagen zu verzeichnen. An sonnigen Tagen deckt die Photovoltaik mittlerweile bis zu 20 % des momentanen Strombedarfs und damit einen Großteil der Tagesspitze.

Damit verdrängt sie den Strom aus den teuren konventionellen Spitzenkraftwerken. In der Folge sanken bereits 2011 die Preise an der Strombörse, was auf die Profite der bislang gewinnträchtigen Kohle- und Atomkraftwerke drückte. Bereits jetzt müssen im Frühjahr und Sommer durch den Solarboom mittags auch die für die Grundlast zuständigen Braunkohle- und Atomkraftwerke gedrosselt werden. Das ist für die großen Energiekonzerne schon schwer erträglich. Aber es drohte noch schlimmer zu kommen: Würde in den nächsten Jahren weiterhin ein so großer Zubau an Photovoltaikanlagen wie 2010 und 2011 stattfinden, so müssten die Konzerne ihre Kraftwerke immer häufiger komplett herunterregeln. Diese Betriebsweise ist aber insbesondere schädlich für die großen Braunkohle- und Atomkraftwerke. Sie können die Schwankungen nur bedingt ausgleichen und ihr Verschleiß nimmt deutlich zu. Damit wäre die Wirtschaftlichkeit der Kohle- und Atommeiler in Frage gestellt. Sie drohten sich bei weiterer massiver Einspeisung von Solarenergie in Investitionsruinen zu verwandeln.

Einzig der Bau von Energiespeichern und der Aufbau von gut regelbaren Gaskraftwerken wären für die Kombination mit massenhaft eingespeistem Solar- und Windstrom geeignet. Das lehnten die großen Energiekonzerne aber ab, da sie damit noch schneller ihr bisheriges Großkraftwerke-Geschäftsmodell untergraben würden.
Aggressive Kampagne
Die großen Kohle- und Atomenergiekonzerne in Deutschland haben in dieser für sie bedrohlichen Situation eine massive Kampagne gegen die Solarförderung mit Hilfe der ihnen verbundenen Politiker angestoßen. Die bürgerlichen Massenmedien haben dies weitgehend unkritisch unterstützt. So die Süddeutsche Zeitung, die sich nicht entblödete zu schreiben: „Deutschlands Solarbranche erinnert an ein verwöhntes Kind, das von der Tante ständig Süßes zugesteckt bekommt. Es wird dick und träge.“ (23.12.11) Trotzdem verfing die Kampagne in der Bevölkerung nicht. Nach einer Untersuchung von Infratest im Februar 2012 unterstützen 79 Prozent eine Beibehaltung und sogar eine Erhöhung des derzeitigen Ökostromzuschlags durch das EEG. Doch dies hinderte insbesondere die FDP um Rösler und den CDU-Wirtschaftsflügel nicht, ihre Angriffe zu verstärken.
Zerschlagung der Solarförderung
Im Februar 2012 ist die Regierung von der Antisolar-Propaganda zu Taten übergegangen und hat die Solarenergie-Förderung massiv angegriffen. Der von ihr gefällte Beschluss gegen die Solarenergieförderung umfasst im Einzelnen:

  • Absenkung der solaren Einspeisevergütung um rund 30 % ab März 2012.
  • Ab Mai 2012 sollen die Einpreiserfüllungen dann monatlich um 0,15 Cent/kWh abgesenkt werden.
  • Weiterhin soll zukünftig die Regierung allein ermäch­tigt werden, zusätzliche Kürzungen durchführen zu können – ohne den Bundestag befragen zu müssen.
  • Bis zum 1.1.2016 soll die Förde
    rung gegenüber Anfang 2012 um rund 50 % gekürzt werden.

Die Merkel-Regierung will nur noch einen sog. „Zielkorridor" für die Installation von Solaranlagen zulassen: Während 2010 und 2011 noch jeweils rund 7,5 GW Photovoltaikanlagen installiert wurden, soll 2012 und 2013 eine Obergrenze von 2,5 bis 3,5 GW strikt eingehalten werden. Danach soll der „Zielkorridor" jährlich um 0,4 GW absinken und soll von 2017 an nur noch 0,9 bis 1,9 GW betragen.
Damit hat Schwarz-Gelb 2012 einen kalten Ausstieg aus der Solarförderung erreicht.
Drohende Arbeitsplatzvernichtung
Es hat in der Vergangenheit große Fortschritte bei der Preisentwicklung von Solarmodulen gegeben, die immer kostengünstiger geworden sind. So lagen in Deutschland im Juli 2007 die Photovoltaik-Modulpreise bei 3,25 Euro/Wp während sie im Januar 2012 bei 1,07 Euro/Wp lagen. Allein von Januar 2009 bis zum Dezember 2011 – also innerhalb der letzten 3 Jahre – hat es einen Preisverfall der Module um 66,4 % gegeben. Der technologische Fortschritt und der Skaleneffekt werden auch in der Zukunft zu weiteren bedeutsamen Preissenkungen von photovoltaischen Anlagen führen. Aber eine Halbierung der Solarförderung innerhalb von einem Jahr, wie es 2012 die Regierungsbeschlüsse vorsehen, kann von Technologiefortschritten nicht mehr aufgefangen werden. Damit wird es zu dem von Merkel-Regierung und Energiekonzernen gewünschten massiven Einbruch beim Ausbau der Solarenergie kommen. Sie nehmen damit auch billigend in Kauf, dass die Solarunternehmen einschließlich ihrer fortschrittlichen Technologie in ihrer Exis­tenz gefährdet werden und massiv Arbeitsplätze insbesondere in Ostdeutschland zerstört werden.
Blinder Markt und erneuerbare Energien
Die Kürzungen werden damit begründet, dass die Solarenergie nun schrittweise an den sog. „Markt" herangeführt werden solle. Die Wahrheit ist aber, dass der "Markt" heute die fossile und die atomare Energie begünstigt, weil er blind gegenüber den Schäden und den Katastrophen ist, die diese Energieformen zur Folge haben. Die Marktüberlegenheit fossiler und atomarer Energien existiert nur, weil die ökologischen Folgekosten dieser Energien nicht in ihre Preise eingerechnet werden. Würde eine reale Rechnung stattfinden, so wären die Erneuerbaren bereits heute den Nichterneuerbaren kostenmäßig weit überlegen.
Netzparität kontra Energiekonzerne
Mit der massiven Kürzung der Solarförderung haben die großen Energieversorger die Konkurrenz erst mal für mehrere Jahre ausgebremst. Trotzdem werden sie auf mittlere Sicht wieder in die Defensive geraten. Ende 2011 erhielt ein Betreiber einer kleinen Solarstromdachanlage für seinen in das Netz eingespeisten Solarstrom mit 24,43 Cent/kWh etwa genauso viel wie er für seinen Strombezug bei einem Energieerzeuger bezahlen musste. Damit ist offensichtlich jetzt bereits die sog. Netzparität erreicht. Das wird aber ohne die Solarförderung noch keine Wirkung zeigen. Es ist absehbar, dass die Kosten der solaren Stromerzeugung weiter sinken werden, während die Kosten für den Haushaltsstrom steigen. Dann wird in wenigen Jahren der Zeitpunkt kommen, ab dem der selbst auf dem Dach erzeugte Photovoltaik-Strom einschließlich Hausbatterien billiger ist als der Strom aus der Steckdose. Das dürfte bereits 2016 der Fall sein. Ab diesem Zeitpunkt werden immer mehr Stromkunden dazu übergehen, sich ihren Strom selbst zu erzeugen. Selbst Heizen mit Solarstrom kann dann rentabel sein. Den großen Energieversorgern droht dann bereits in wenigen Jahren ein Teil des Endkundenstrommarktes wegzubrechen.
Mögliche Fallstricke und politische Orientierung
Die kommende Netzparität wird die Energiekonzerne ohne Zweifel schwächen. Man muss aber verhindern, dass ein besonders beweglicher Teil der Kundschaft sich von RWE, EON usw. individuell emanzipiert, aber die Großkunden und die Nichtbesitzer von Solardächern weiter unter der Kontrolle der großen Energieversorger bleiben. Die könnten dann weiter ungestört ihre Kohlemeiler laufen lassen. Aber es ist auch unter Ressourcengesichtspunkten nicht unbedingt sinnvoll, dass in Zukunft ein Teil der Solaranwender mit Strom heizt und jeder selber ein Speichersystem im Keller aufbaut (z. B. waschmaschinengroße Bleiakkus). Die Erzeuger von Solar- und Windstrom benötigen dagegen das Recht, zu akzeptablen Preisen ihren Strom in die Netze einspeisen zu dürfen. Die Netze dürfen nicht den Kohle- und Atomstromproduzenten überlassen werden, wie es sich vielleicht ein Philipp Rösler vorstellt. Das bedingt aber auch, dass der Staat die Verantwortung übernimmt und für dezentral angelegte Tagesstromspeicher (ideal: Druckluftspeicher) und Jahreslangzeitspeicher zum Ausgleich von Stromschwankungen in den Netzen sorgt. Für letzteres würden sich insbesondere Elektrolyseure mit Wasserstoffspeichern und nachgeordneten Gaskraftwerken zur Rückverstromung anbieten. Die Merkel-Regierung glänzt auch hier durch komplette Untätigkeit.

Bedauerlicherweise gibt es keine zwangsläufige Entwicklung zu einer ökologisch-verträglichen Energieversorgung, sondern es muss die Auseinandersetzung gegen die großen Konzerne und ihre Regierungen geführt werden.

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