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Antifa/Antira

Potsdam: Neonazis vertrieben!

Von Korrespondent Potsdam | 01.12.2005

Am 05. November war es wieder einmal Zeit für eine bedenkliche Tradition: Der hauptberufliche Nazidemoveranstalter Christian Worch aus Hamburg wollte wie in den vergangenen Jahren eine Demonstration durch Potsdam durchführen. Potsdam hatte in den vergangenen Monaten eine traurige Berühmtheit erlangt, nachdem FaschistInnen aus dem sogenannten Anti-Antifa Umfeld immer wieder Überfälle auf antifaschistisch aktive Menschen und MigrantInnen durchgeführt hatten.

Am 05. November war es wieder einmal Zeit für eine bedenkliche Tradition: Der hauptberufliche Nazidemoveranstalter Christian Worch aus Hamburg wollte wie in den vergangenen Jahren eine Demonstration durch Potsdam durchführen. Potsdam hatte in den vergangenen Monaten eine traurige Berühmtheit erlangt, nachdem FaschistInnen aus dem sogenannten Anti-Antifa Umfeld immer wieder Überfälle auf antifaschistisch aktive Menschen und MigrantInnen durchgeführt hatten.

Auch vor Mordversuchen hatten die Neonazis dabei nicht zurückgeschreckt. Von staatlicher Seite wird hingegen versucht, die ungeheuer angestiegene Zahl von Naziangriffen auf eine „Gewaltspirale zwischen linken und rechten Jugendgruppen“ zu relativieren. Das gipfelte darin, dass fünf Potsdamer AntifaschistInnen wegen eines ihnen unterstellten Angriffes auf einen Neonazi (bei dem dieser laut ärztlichem Attest leicht verletzt wurde) wegen versuchten Mordes angeklagt wurden und eine von ihnen seit nunmehr fünf Monaten streng isoliert in Untersuchungshaft gehalten wird.
Jedes Jahr aufs neue
Unter diesen Vorzeichen hatte Potsdam auch für die bundesweite Naziszene den Ruf einer Stadt des offenen Straßenkampfes mit den Linken erlangt. Bei der Routenplanung der Demo bemühte sich Worch genau diesem realitätsverzerrenden Bild gerecht zu werden und plante unter anderem, an der Wohnung eines Opfers des Mordversuches vorbeizuziehen. Des weiteren wollte der Nazihaufen an einem ehemalig besetzten Potsdamer Hausprojekt vorbeiziehen. Diesmal wollten die FaschistInnen aber nicht wie im Vorjahr gestört werden: Damals hatten über 1000 linke GegendemonstrantInnen eine Brücke über die Havel versperrt und so verhindert, dass die Nazidemo in die Potsdamer Innenstadt laufen konnte. So begann die diesjährige Demo dann auch gleich da, wo die Nazis ohnehin hinwollten, nämlich in dem immer noch „links-alternativ“ geprägten Potsdamer Stadtteil „West“. Trotz der „kämpferischen“ Vorgeschichte gelang es Worch nur etwa 250 FaschistInnen für den Aufmarsch nach Potsdam zu locken.

Den verschiedenen Aufrufen antifaschistischer und linker Gruppen waren zwischen 3000 und 5000 GegendemonstrantInnen gefolgt. Doch nicht nur linke Gruppen hatten diesmal zur Verhinderung des Aufmarsches mobilisiert, auch die „Stadtoberen“, allen voran Oberbürgermeister Jann Jacobs, hatten bereits im Vorfeld angekündigt, nicht am Rande demonstrieren zu wollen, sondern die Route der Nazis friedlich zu blockieren. Ironischerweise wurde zu dieser Aktion unter anderem mit einem Plakat aufgerufen, auf dem die „300jährige Tradition preußischer Toleranz“ beschworen wurde.
Breite Mobilisierung
Da auf die Versprechungen der Potsdamer PolitikerInnen jedoch nach ihrem fluchtartigen Rückzug von der Blockade im Vorjahr wenig Verlass zu sein schien (die Polizei ging mit Knüppeln und Wasserwerfern gegen die AntifaschistInnen vor), setzte das „Linke Bündnis Potsdam“, in dem auch der RSB Potsdam mitarbeitet, alles daran, die Nazidemo komplett zu verhindern – notfalls auch ohne Unterstützung der Politiker­Innen. Die Planung des Bündnisses, zur Kundgebung der offiziellen Stadt zu mobilisieren, mit dieser dann die Blockade an einer Seite der Nazidemo aufzubauen und dann einen Teil der Antifas auf die einzig mögliche Ausweichroute zu leiten, ging voll auf. Es wurden Stadtpläne verteilt und mit guter Organisierung den GegendemonstrantInnen mögliche Wege zu den nötigen Blockadeorten gezeigt.

Die mit über 2000 Beamten vor Ort befindliche Polizei war mit der Situation überfordert und unternahm keine ernsthaften Versuche die friedlich Blockierenden zu räumen. Die Masse der AntifaschistInnen ließ sich von den vereinzelten Provokationen der Polizei auch nicht zu übermäßiger Gegenwehr hinreißen. Die Neonazis brachen ihre Demonstration unter dem Motto „Keine Opfer zweiter Klasse! Gegen die Diffamierung deutscher Opfer von links!“ ab, und flüchteten nach Berlin, wo sie abends noch eine Spontandemo über 800 Meter durchführten. Von der Zurückhaltung der Polizei in Potsdam war dort allerdings nichts mehr zu spüren, diese ging mit äußerster Brutalität gegen die antifaschistischen GegendemonstrantInnen aus vorwiegend autonomen Zusammenhängen vor.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der volle Erfolg des „Kein Fußbreit!-Planes“ in Potsdam nicht den wenigen PolitikerInnen, sondern der vorbildlichen Mobilität und Entschlossenheit der vielen hundert vorwiegend jungen AntifaschistInnen (oft aus autonomen Antifa-Gruppierungen), sowie den ca. 1 200 engagierten Potsdamer EinwohnerInnen zu verdanken ist. In der Presse hingegen fanden erstere keine Beachtung, dort war der Erfolg scheinbar einzig dem Engagement des Oberbürgermeisters und der „deeskalierend wirkenden“ Polizei zu verdanken. Bemerkenswert ist, dass es genau die selben Polizeieinheiten waren, die am Abend in Berlin, wo sich kein Bürgermeister zu den GegendemonstrantInnen gesellte, wieder die Knüppel sprechen ließen. 

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