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Innenpolitik

PDS – Neuer, alter Programmentwurf

Von B.B. | 01.09.2003

Den überarbeiteten Entwurf vom Februar befürwortete der PDS-Parteivorstand am 25.08.2003 mit 17 Stimmen bei einer Enthaltung. Er soll auf dem kommenden Chemnitzer Programmparteitag im Oktober verabschieden werden. Der neue Programmentwurf spiegelt den Prozess der Sozialdemokratisierung der PDS wieder.

Den überarbeiteten Entwurf vom Februar befürwortete der PDS-Parteivorstand am 25.08.2003 mit 17 Stimmen bei einer Enthaltung. Er soll auf dem kommenden Chemnitzer Programmparteitag im Oktober verabschieden werden. Der neue Programmentwurf spiegelt den Prozess der Sozialdemokratisierung der PDS wieder.

An vielen Stellen ist der alte Entwurf verändert worden. Die meisten Änderungen sind Verschlimmbesserungen, die die vorhandene Kritik am Kapitalismus abschwächen sollen. Revisionen wurden vor allem am Verhältnis zur EU, weniger bei den Punkten Regierungsbeteiligung und UNO vorgenommen.
Strategie der „Demokratisierung"
Den „Fortschritt des jetzigen Entwurfes" sieht Frau Gabi Zimmer als Vorsitzende der Programmkommission darin, „dass es nicht einfach darum geht, den Kapitalismus abzulehnen. Die PDS versteht sich nicht einfach als antikapitalistische Kraft. Unser Antikapitalismus ist demokratisch und sozialistisch". Weiter erklärte sie, die PDS „folge nicht einem starren Systemdenken, sondern sehe Gesellschaftsentwicklung als transformatorischen Prozess, in dem die Veränderungen politischer Entwicklungsrichtungen von Beginn an demokratisch erstritten werden und als emanzipatorischer Prozess stattfinden müssen". Mensch müsse „realistische Reformalternativen" entwickeln.

Der Weg zu den Ministerposten wird als Strategie zur „Demokratisierung der Gesellschaft" verkauft. „Es (kommt) darauf an, die Verfügungsgewalt über hochkonzentriertes Kapitaleigentum und Finanzfonds schrittweise sozialen Kriterien zu unterwerfen". So befürwortet die PDS die „Gleichberechtigung verschiedener Eigentumsformen und die Förderung genossenschaftlichen Eigentums". Auch „Mitbestimmung", „Runde Tische" und „partizipativen Bürgerhaushalte" sollen der „Demokratisierung" dienen.

Niemanden kann es überraschen, wenn die „realistischen Reformalternativen" dieser völlig parlamentarische Partei über eine Beteiligung an der Leitung der Staatsgeschäfte verwirklicht werden sollen. Die neuen Formeln für alte sozialdemokratische und stalinistische Strategien waren schon im Programmentwurf vom Februar, mehr noch aber in der Praxis der Beteiligung an Landesregierungen angelegt. Die PDS ist zukünftig „bei entsprechenden Kräfteverhältnissen bereit, Vertreterinnen und Vertreter unserer Partei für Regierungsämter zu nominieren". Dafür sucht sie nun ein „Mitte-Links-Bündnis", „damit zukunftsorientierte demokratische, soziale und ökologische Alternativen durchgesetzt werden können". Wer im Bündnis für „Links" steht und bis wohin die „Mitte" reicht, bleibt offen. Die Demokratisierungsstrategie als Softversion aus Sozialpartnerschaft und Volksfrontpolitik kann nur das bekannte Ergebnis haben: Für ein paar Ministerposten, die Forderungen der Lohnabhängigen zu verkaufen.
UNO und EU
Auch im Verhältnis zur UNO gibt es nicht viel Neues. Der Programmentwurf verurteilt „Nichtachtung und Missbrauch des internationalen Gewaltmonopols des Sicherheitsrats und die damit verbundene Schwächung der UNO", deren demokratische Reform die PDS fordert. Wichtigere Änderungen finden sich im Verhältnis zur EU. Wie im alten Programmentwurf heißt es zunächst: „Die PDS befürwortet die europäische Integration und die Erweiterung der Europäischen Union auf einer demokratischen, sozialen, ökologischen und zivilen Grundlage". Kritische Töne wurden jedoch ersetzt durch eine Art Neuauflage der Lagertheorie, wenn die EU gegen die USA unterstützt wird. Denn „die PDS wirkt dafür, dass die Europäische Union künftig eine eigenständige Rolle in der internationalen Politik spielt, indem sie sich dem Hegemonialstreben der USA widersetzt und zu einer Staatengemeinschaft wird, die […] gezielt zur Entwicklung einer solidarischen Weltgemeinschaft beiträgt".

Der Hauptfeind steht somit weder im eigenen Land, auch nicht im eigenen imperialistischen Block, sondern auf der anderen Seite des Atlantik. Das eine klassisch pro-imperialistischen Position, wie sie Gregor Gysi seit langem vertritt.
Was heißt Sozialdemokratisierung?
Die Kritik an der PDS wird häufig auf den Begriff der Sozialdemokratisierung gebracht. Doch dabei gilt es genauer zu bestimmen, mit welcher Etappe der langen Entwicklung der SPD die heutige PDS verglichen wird. Was die Programmkritik betrifft, handelt es sich auch beim neuen Entwurf des Parteivorstandes noch immer um ein sozialistisch-reformistisches Programm. Es enthält nach wie vor eine schwache Berufung auf ein sozialistisches Gesellschaftssystem und eine schwache Kritik am kapitalistisches Gesellschaftssystem – weit jenseits der Anerkennung des Klassengegensatzes und der Berufung auf den Klassenkampf.

Die PDS ist programmatisch noch nicht bei der Absage an jede sozialistische Perspektive, wie sie im Godesberger Programm der SPD enthalten ist, angelangt. Das sog. „Berliner Programm" der SPD von 1989 ist kein Maßstab, weil es trotz des Begriffs des „demokratischer Sozialismus" ebenfalls ein nicht-sozialistisches Programm einer nicht-sozialistischen SPD ist.

Die dortige mehrmalige Erwähnung des „demokratischer Sozialismus" erklärt sich allein aus dem Versuch der SPD, nach der kapitalistischen Wiedervereinigung massiv Mitglieder in der ehemaligen DDR zu gewinnen.

Auch bei Annahme des neuen Programmentwurfs ist die PDS noch keine sozialliberale, bestimmt keine neoliberale Partei, sondern bleibt bürgerlich-sozialistisch. Sie versucht sich im neuen Entwurf sogar an einigen Punkten mehr von SPD und Grünen abzugrenzen, indem sie die Schwäche von deren linken Flügeln betont.
Wohin PDS-Linke?
Die heterogene sozialistische Linke in der PDS steht einmal mehr vor der Frage, wie sie sich bei Annahme des Programms verhalten soll. Einige werden austreten, aber wohl kaum die linken Galionsfiguren. Ohne ihnen die Überzeugung absprechen zu wollen – eine Sarah Wagenknecht oder ein Winfried Wolf werden sicherlich in der PDS bleiben. Nur innerhalb der PDS ist ihnen als „KritikerInnen" des Parteivorstands das Echo der Medien sicher. Nur dort bietet sich ihnen ein breites Forum, wenn sie als SprecherInnen der „Linken" jährlich zu vielen PDS-Veranstaltungen eingeladen werden, um dort ihre „Kritik" zu äußern. Wagenknecht und Wolf haben in der PDS die Funktion, die die Jusos in den 70er Jahren in der SPD hatten: Kritisches Potential der Linken in die Bahnen einer völlig parlamentarischen Partei zu lenken.

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