TEILEN
Feminismus

Pakistan: Der Mut der Frauen

Von B.S. | 01.01.2006

Wie wehren sich Frauen in einem Land, in dem nach Erkenntnis der Human Right Commission of Pakistan an jedem Tag mindestens ein Ehrenmord geschieht und alle zwei Stunden eine Vergewaltigung? Prinzipiell sind Mord und Vergewaltigung auch in Pakistan strafbesetzt und manchmal reagieren sogar Polizei und Justiz korrekt. Aber wie eine Vergewaltigung anzeigen, wenn der Frau nach dem Zina-Gesetz Anklage wegen Unzucht droht, wenn sie die Gewalt nicht beweisen kann – durch vier männliche Zeugen.

Wie wehren sich Frauen in einem Land, in dem nach Erkenntnis der Human Right Commission of Pakistan an jedem Tag mindestens ein Ehrenmord geschieht und alle zwei Stunden eine Vergewaltigung?

Prinzipiell sind Mord und Vergewaltigung auch in Pakistan strafbesetzt und manchmal reagieren sogar Polizei und Justiz korrekt. Aber wie eine Vergewaltigung anzeigen, wenn der Frau nach dem Zina-Gesetz Anklage wegen Unzucht droht, wenn sie die Gewalt nicht beweisen kann – durch vier männliche Zeugen.
Beispiel Mukhtar Mai
Der Mut von Mukhtar Mai ist deshalb besonders bemerkenswert. Ein Dorfrat hatte beschlossen, dass sie von vier Männern vergewaltigt wird, weil ihr zwölfjähriger Bruder mit einem Mädchen aus einem einflussreichen Clan gesehen wurde. Die Ehre dieses Clans sollte durch die öffentliche Vergewaltigung wiederhergestellt werden. Aber die junge Frau wehrte sich, sie beging nicht Selbstmord, sondern zeigte die Täter an. Vierzehn Männer wurden verhaftet, sechs zum Tode verurteilt, fünf davon später freigesprochen, die Strafe des sechsten in lebenslange Haft verwandelt.

Mukhtar Mai erhielt vom Staat eine Entschädigung, die sie zur Finanzierung von Mädchenbildung verwendet, ebenso wie ein Preisgeld des US-Magazins Glamour. Dass sie sich so an die Öffentlichkeit wendet, wird von Faiza Kamar vom muslimischen Frauenkomitee in New York kritisiert: “Sie sollte nicht darüber reden. Es ist peinlich genug, dass sie vergewaltigt wurde.”
Asma Jehangir
Wer aber hilft Frauen in einem Land, in dem sie als Besitz des Mannes, ja als Ware gelten? Eine Familie kann z.B. ihre Schulden bezahlen, indem sie eine Dreizehnjährige dem siebzigjährigen Gläubiger als Frau überlässt. Asma Jenhangir, Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin in Lahore, kämpft für die Rechte der Frauen. Sie verteidigt sie gegen die Verurteilung zu Steinigung oder Verstümmelung, kann aber Verurteilungen zu 100 Peitschenhieben nicht immer verhindern.
Shad Begam
Aus allen Berichten kann mensch entnehmen, dass Frauen, die sich an die Öffentlichkeit wagen, massiv bedroht werden. Bei den Kommunalwahlen im August wurden tausende von Gemeinderätinnen gewählt. Ihre Möglichkeiten sind aber schon dadurch eingeschränkt, dass sie meist nicht alphabetisiert sind und keine Ausbildung haben. Was und wen können sie vertreten?
Aber auch hier wurden Kandidatinnen, die eine gewisse Unabhängigkeit zeigten, bedroht. Shad Begam in Peschawar hat vor ihrem Büro einen bewaffneten Wachmann stehen. In der Dorfmoschee hetzten die Imame gegen Frauen in der Politik, ohne sie persönlich zu benennen. Die Ressentiments gegen Frauen in der Politik werden religiös begründet, aber auch mit der Tradition. Und die erstarkenden Islamisten in der Nordwestregion machen Frauen wie Shad Begam zu einer bedrohten Art.
Frauenhaus
In Karachi versucht das Panah Frauenhaus aus privater Initiative Frauen und Kindern Schutz zu bieten. 2004 suchten 71 Frauen und 32 Kinder Zuflucht. Neben der Betreuung wird versucht, den Frauen eine Perspektive zu geben. Alphabetisierung und eine Ausbildung zum Dienstmädchen sollen sie unabhängig machen. Für uns ist das schwer nachvollziehbar, aber in einer Gesellschaft, in der es für eine Frau kaum möglich ist allein zu leben, ist das eine akzeptable Lösung, ja ein Schutz.
Daneben gibt es staatliche Frauen-Schutzhäuser. Hier werden Frauen aufgenommen, die durch richterliche Anordnung geschickt werden. Sie dürfen die Häuser aber auch nur auf richterliche Anordnung verlassen und leben praktisch im Gefängnis.
Dennoch, dass wir so viel über einzelne Schicksale und über die Kämpfe der Frauen wissen, ist ein Fortschritt. Kaum ein Land kann sich noch so abschotten, dass es nicht den kritischen Augen anderer geöffnet wird. Auch an uns liegt es, nicht selbstgerecht auf unsere “Errungenschaften” zu schauen, sondern den Kampf um die Rechte der Frauen voranzutreiben. Also – das Patriarchat zum Tanzen bringen.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite