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Antifa/Antira

Nazis marschieren, Rassisten regieren. Widerstand organisieren!

Von RSB Potsdam | 15.10.2008

Was passiert eigentlich nach einem Nazi-Überfall? Der Bürgermeister leugnet, dass es überhaupt ein Problem gibt. Die Polizei schüchtert die Betroffenen ein. Das Innenministerium lässt die Tat unter den Tisch fallen und schönt seine Statistiken. Die Regierung verschärft die Gesetze gegen MigrantInnen und schiebt schneller ab. Sat.1 zeigt eine Doku über „Sozialschmarotzer“. DVU und NPD hängen Plakate für „soziale Gerechtigkeit“ und „Abschiebung von Ausländern“, während Unternehmen ihre „soziale Gerechtigkeit“ zeigen und wegen der Profite ArbeiterInnen entlassen. Die Gewerkschaften gucken zu…

Täglich Übergriffe von Nazis
Es war vor gut einem Jahr. Es passierte mitten in der sächsischen Kleinstadt Mügeln: 50 Nazis hetzen acht Menschen indischer Herkunft durch die Straßen. Die Flucht in eine Pizzeria gelingt. Dort sind sie sicher. Draußen auf der Straße tobt der Lynch-Mob. Juni diesen Jahres: 2 Nazis verüben in Bad Freienwalde einen Brandanschlag. Ziel ist ein selbstverwalteter Jugendclub. Er brennt fast vollständig nieder. Juli: Nazis greifen ein Camp der Linksjugend an. Auf ein 13-jähriges schlafendes Mädchen wird mit einem Spaten eingeschlagen. August: Zwei Rechte töten einen Mann in Templin. Vorher quälen sie den Obdachlosen.
Auf dem rechten Auge blind
Mehrfach täglich werden Menschen auf Grund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft bedroht, angegriffen und schwer verletzt – manchmal auch getötet. In allen Fällen, die öffentlich werden, ist die Reaktion der Kommunalpolitik die gleiche: Systematisch wird geleugnet, eine rechte Szene im Dorf zu haben, die Angriffe werden heruntergespielt, ihr politischer Hintergrund bestritten, den Opfern die Schuld zugewiesen. Dabei bekommen die Kommunen Rückendeckung von den Innenministerien und dem Verfassungsschutz. Das Brüllen von „Sieg Heil“ oder das Schmieren eines Hakenkreuzes ist für die Statistiker-Innen kein Anlass, von einem sogenannten „Propagandadelikt – rechts“ auszugehen. Auf den Polizeiwachen werden MigrantInnen eingeschüchtert, wenn sie darauf bestehen, dass sie nicht von „Unbekannt“, sondern von Nazis angegriffen wurden. Die Behörden und die Politik leugnen konsequent die Existenz organisierter Naziszenen. Diese sind nicht nur hochgradig gewaltfixiert, sondern gewaltbegeistert.
Stichwortgeberinnen sitzen in den Regierungen
Bedroht werden MigrantInnen nicht nur von Nazis, sondern auch vom bürgerlichen Staat. Grüne, SPD, CDU, FDP betreiben eine Politik, an die Nazis nahtlos anknüpfen können. In Abschiebelagern sollen Asylsuchende dazu gebracht werden „freiwillig“ das Land zu verlassen. Das Leben wird ihnen zur Hölle gemacht: Strenge Bewachung, ständige Beobachtung und Kontrolle, regelmäßige Verhöre und Durchsuchungen, Verweigerung elementarer medizinischer Hilfe. Zehn solcher Einrichtungen gibt es in Deutschland (in Berlin, wo Die Linke mitregiert, existiert auch eines). Hinzu kommen rassistische Sondergesetze für Asylsuchende: Residenzpflicht, Ausländerzentralregister, Gutscheinsystem, Arbeitsverbot. Der staatliche Rassismus schürt und reproduziert die täglichen Ressentiments. Wo die Behörden mit Nazis lasch umgehen, da erst recht mit sich selbst. Die Polizisten, die 2005 in Dessau einen in der Zelle gefesselt und nach Hilfe schreienden Migranten lebendig verbrennen ließen, erwarten ein bis zwei Jahre auf Bewährung.
Nicht der Nachbar ist der Feind, sondern der Kapitalismus
Die berechtigte Empörung vieler Menschen über die ungerechten Lebensverhältnisse greifen die Nazis mit pseudo-antikapitalistischen Sprüchen und dem Deckmäntelchen des Sozialen und des braven Demokraten auf. Für rassistische Losungen wie „Arbeit zuerst für Deutsche!“ ist kein höheres, kein antikapitalistisches Bewusstsein erforderlich. Dies wäre aber nötig, um die Angriffe auf die Erwerbstätigen, Erwerbslosen, RenterInnen und SchülerInnen abzuwenden. Rassismus führt dazu, den Nachbarn und nicht den Kapitalismus anzugreifen.

Mit zunehmender Arbeitslosigkeit und Prekarisierung steigt die Hetze gegen „Sozialschmarotzer“ oder „faule Arbeitslose“, um soziale Einschnitte ideologisch zu flankieren. Sat.1 hat seit kurzem eine Propaganda-Sendung ersten Ranges im Programm: „Gnadenlos gerecht, Sozialfahnder ermitteln“, in der genau das getan wird. Dann muss mensch sich nicht wundern, wenn Jugendliche Obdachlose angreifen. Die Nazis treiben auf die Spitze, was im Kapitalismus bereits angelegt ist. Egoismus, Konkurrenzdenken und der „Kampf ums Dasein“. Die Spaltung der Unterdrückten verhindert effektive gemeinsame Gegenwehr. Der bürgerliche Staat wird niemals mit voller Härte gegen die Nazis durchgreifen. Denn sie greifen nicht die Grundpfeiler der bürgerlichen Gesellschaft an: das kapitalistische Wirtschaftssystem. Im Gegenteil. Der Faschismus treibt den rassistisch-biologischen Gipfel des Kapitalismus bis zu seiner grausamen vernichtenden Absurdität.
Antwort auf die Angriffe des Kapitals, nicht den Nazis überlassen
Nur Streiks in den Betrieben können dem Kapital eine schmerzhafte Antwort auf die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen geben. Das wäre eigentlich die Aufgabe der Gewerkschaften. Doch ihre Vorstände sind bis in die hinterste Ecke neoliberal durchsetzt. Sie riskieren lieber die Existenz der Gewerkschaften, als Gegenwehr zu organisieren. Statt den Klassenkampf von oben mit dem Klassenkampf von unten zu beantworten, bleibt es bei Alibiveranstaltungen wie Unterschriftensammlungen oder zahme Tarifauseinandersetzungen. Wir brauchen kämpferische Massengewerkschaften! Denn den Frust, den sie nicht kanalisieren, wissen die Nazis zu nutzen. So bereitet die Sozialpartnerschaft der Vorstände den Nährboden für Nazis. Ein Übriges tut die Fixierung fast der gesamten Linken auf den Parlamentarismus zur Eroberung möglichst vieler Abgeordnetensitze. Während Die Linke vielerorts „große Politik“ macht, erledigt die NPD die Kleinarbeit an der Basis.
Außerparlamentarische Opposition gegen Nazis
Die Stärke der Nazis ist zu aller erst die Schwäche der Linken. Was wir brauchen, ist eine breite außerparlamentarische Bewegung, die mit ihren Forderungen für eine große Masse anziehend wirkt. Wir brauchen keine abstrakten antikapitalistische Parolen, sondern Forderungen, die unmittelbar an die Lebensverhältnisse der Menschen anknüpfen und zugleich den Weg aus der kapitalistischen Sackgasse weisen. Die Antifa-Bewegung muss sich wieder bundesweit vernetzen, um den Nazis im Dorf und in der Stadt entschlossen und wirksam entgegen treten zu können. Auch neue Aktionsformen sind angesagt, wie den Hack der Internetseite des rechten „blood and honour“-Netzwerkes Ende August. Wir brauchen keine Privatkriege mit der Polizei, die erst mal stärker als wir ist. Unser Hauptfeind sind die Faschisten. Wir brauchen auch keinen „gerechten Kapitalismus“, der nur die ewige Wiederkunft des Faschismus implizieren würd
e, sondern gar keinen.

Diesen Flyertext in der gelayouteten Fassung herunterladen.

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