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Kultur

Let’s make tourism

Von Tom Bogen | 01.12.2008

Nach seinem erfolgreichen Dokumentarfilm „We feed the world“ läuft Erwin Wagenhofers neues Werk „Let’s make money“ seit Ende Oktober in deutschen Kinos. Fast zeitgleich zur Finanzkrise setzt er sich darin mit dem Zusammenhang von internationalen Geldströmen und der ungleichen Entwicklung in der Welt auseinander. Ein Unterfangen, das nur mäßig gelingt. Wer Wagenhofers ersten Kinofilm gesehen hat, wird sich noch an die bis zum Horizont reichenden Gewächshäuser in der spanischen Region Almeria erinnern.

Nach seinem erfolgreichen Dokumentarfilm „We feed the world“ läuft Erwin Wagenhofers neues Werk „Let’s make money“ seit Ende Oktober in deutschen Kinos. Fast zeitgleich zur Finanzkrise setzt er sich darin mit dem Zusammenhang von internationalen Geldströmen und der ungleichen Entwicklung in der Welt auseinander. Ein Unterfangen, das nur mäßig gelingt.

Wer Wagenhofers ersten Kinofilm gesehen hat, wird sich noch an die bis zum Horizont reichenden Gewächshäuser in der spanischen Region Almeria erinnern. In seinen Bildern ähnlich opulent ist auch „Let‘s make money“. Knapp 150 km westlich an der Costa del Sol steht wohl die zurzeit größte Geisterstadt. Aber nicht staubig und kalt sondern sonnig und grün. Hier wurden in den letzten Jahren jährlich 800.000 neue Wohnungen gebaut. Nicht um darin zu wohnen, sondern als Wertanlage. Eine Wohneinheit kostet zwischen 124.000 und 1 Million Euro. Fast bis zum Horizont reichen die mitten in der Wüste erbauten leerstehenden Wohnungen und leergefegten Straßen. Für die ungenutzten grünen Golfplätze eine Verschwendung von Wasser – und für die Infrastruktur eine Verschwendung von Steuergeldern. Der spanische Staat kommt natürlich dafür auf. Für die Investoren rechnete es sich mit einer jährlichen Rendite von bis zu 20 %.
Baumwolle in Burkina Faso
Szenenwechsel. In Burkina Faso leben 10 – 15 Millionen Menschen mehr schlecht als recht vom Baumwollanbau. Und obwohl hier der weltweit hochwertigste und günstigste Kleidungsrohstoff hergestellt wird, zählen die Bauern und Bäuerinnen in Burkina Faso zu den ärmsten der Welt. Möglich machen das die Agrarsubventionen in USA und EU. 2 bis 3 Milliarden Dollar lässt sich der amerikanische Staat den Schutz der heimischen Wirtschaft, das Preisdiktat und das resultierende Elend in Burkina Faso jährlich kosten. Die EU sogar noch mehr. Im Film sagt Francis Kologo vom Baumwollmonopolisten Sofi Tex: „Das ist kein Liberalismus! Sie selbst betreiben Protektionismus und verlangen von uns Liberalismus. Das ist mit zweierlei Maß gemessen!“ Der afrikanische Staat hat allein durch die US-Subventionen im Jahr 122 Millionen Euro Mindereinnahmen. 30 Millionen Euro erhält der Staat jährlich an Entwicklungshilfe. Die protektionistische Politik hat Afrika besser im Griff als es der Kolonialismus jemals konnte.
Wirtschaftskiller
Szenenwechsel. Wir folgen den ehemaligen Geheimdienstler John Perkins durch wildwuchernde Pflanzen in einem Gewächshaus, der uns von seinem ehemaligen Job als „Wirtschaftskiller“ berichtet, den er bis 1982 hatte. Seine Aufgabe war es, für einige amerikanische Großkonzerne Entwicklungsländer zu völlig überdimensionierten Investitionen in Industrieprojekte zu überreden. Die über die Jahre völlig überschuldeten Staaten waren ein gefundenes Fressen für IWF und Weltbank, die dann die Deregulierung forderten. Ein Krieg gegen Staaten, der völlig ohne Bomben auskommt. Und widersetzt sich ein Land dieser Politik, so kommt das US-Militär – wie bei den Irakkriegen, berichtet Perkins mitten in Wagenhofers Kamera.
Katastrophentourismus auf 112 Minuten
So hangelt sich der Film 112 Minuten von einer Abscheulichkeit zur nächsten und nicht selten erzählen die Interview­partner ganz offen von der Ausbeutungsstrategie ihrer Unternehmen. Das ist die große Stärke des Filmes, der ihn auf jeden Fall sehenswert macht. Aber wie auch schon bei „We feed the world“ bleiben die einzelnen Szenen zusammenhangslos nebeneinander stehen. Die Doku wird zu einer Art Fotoalbum des Katastrophentourismus Wagenhofers. So ist das Publikum bestenfalls schockiert. Eine kohärente Kritik am Kapitalismus als System will er nicht üben. Es gibt noch nicht mal einen Jean Ziegler, der eine Art roten Faden bilden könnte.

Aber ganz ohne Moralapostel kommt die Doku nicht aus. Diese Rolle darf der Träger des Alternativen Nobelpreises, Ypsilantis Fast-Wirtschaftsminister, Unternehmer und neuerdings Befürworter der Bahnprivatisierung Herman Scheer geben, der über die Privati­sierung als Raub an der Bevölkerung spricht! Das ist schon sehr skurril. Und er gefällt sich sichtlich in der Rolle – sitzend auf einem Sessel irgendwo im Bundestag. Der gleiche Bundestag, in der die Regierung gewählt wird, die beispielsweise maßgeblich die EU-Subventionierungspolitik mitbestimmt. Scheer hat auch die Ehre des Schlusswortes im Film. Er sagt: „Letztlich zahlen es immer die normalen Bürger, die als Einzelne auf diesen Prozess [der Privatisierung, Anm. T.B.] keinerlei Einfluss haben, es sei denn, sie finden eine organisierte Vertretung ihrer Interessen, die mächtig genug ist, diesem Prozess entgegen zu treten.“ Ob sich Scheer vielleicht die SPD darunter vorstellt und welcher Art diese Vertretung sein kann, erfahren wir leider nicht. Denn bei der wichtigsten Frage des Filmes, die den Baumwollpflücker genauso interessiert wie die spanische Bauarbeiterin, blendet Wagenhofer aus.

Titel: Let‘s Make Money
Land: Österreich, 2008
Buch, Kamera, Regie: Erwin Wagenhofer
Laufzeit: 112 Minuten
Infos: www.letsmakemoney.at

 

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