TEILEN
RSB4

Kritik am BGE

Von RSB | 01.08.2008

Schröders Agenda 2010 wird heute ungeschmälert von der Großen Koalition weitergeführt. Sie war und ist das bedeutendste Sozialabbauprogramm in der Geschichte der BRD. Vor allem mit der Arbeitsmarktreform Hartz IV hat sich die Lebenssituation von Hunderttausenden auf einen Schlag dramatisch verschlechtert. Insgesamt leben heute 13,9 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze (Stand Juli 2007). Gemäß der EU-Berechnungsmethode liegt sie heute bei 730 € im Westen und 605 € im Osten.

Schröders Agenda 2010 wird heute ungeschmälert von der Großen Koalition weitergeführt. Sie war und ist das bedeutendste Sozialabbauprogramm in der Geschichte der BRD. Vor allem mit der Arbeitsmarktreform Hartz IV hat sich die Lebenssituation von Hunderttausenden auf einen Schlag dramatisch verschlechtert. Insgesamt leben heute 13,9 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze (Stand Juli 2007). Gemäß der EU-Berechnungsmethode liegt sie heute bei 730 € im Westen und 605 € im Osten. Es sind dies in zunehmendem Maß:

  • •    viele RentnerInnen, weil jetzt Menschen in den Ruhestand treten, die zum Teil lange Jahre erwerbslos waren. Vor allem aber die verschiedenen Rentenreformen der letzten Jahre 1 bewirken, dass das Rentenniveau in den kommenden Jahren drastisch sinken wird. Schon ohne die letzte Rentenreform hätte die heutige Durchschnittsrente von 950 € nach 40 Versicherungsjahren im Jahr 2029 nur noch 750 € betragen. Mit der Rente mit 67 sind es dann nur noch 700 €. 2005 betrug das Nettorentenniveau 51,5 %, 2030 werden es nur noch 43 % sein;
  • •    die meisten Erwerbslosen, die noch das ALG I empfangen; 2
  • •    vor allem die nicht Erwerbsfähigen und diejenigen, die nur das ALG II empfangen. Diese sind längst nicht alle „Langzeiter­werbslose“;
  • •    Menschen, die im so genannten Niedrig­lohnsektor mit Hungerlöhnen abgespeist werden. Selbst dann, wenn sie die dafür erforderlichen bürokratischen Hürden nehmen und ergänzendes ALG II bekommen, ist damit meist kein Einkommen zu erzielen, das eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht;
  • •    viele junge Menschen, die trotz Volljährigkeit kein eigenständiges Leben führen können, weil ihnen das Recht auf eine eigene Wohnung verwehrt wird. Nach der EU-Berechnungsmethode leben heute 15 % der Kinder bis 14 Jahre und 19,1 % der Jugendlichen bis 24 Jahre unterhalb der Armutsgrenze;
  • •    Millionen Kinder. Jedes 6. Kind unter 15 Jahren lebt auf Hartz IV-Niveau. Hier ist die Dunkelziffer nicht eingerechnet. In NRW schätzt man die Zahl auf 25%, in Hamburg Bremen und Berlin auf 30 %. Hartz IV-Niveau für Kinder bedeutet für unter 14 Jährige einen Regelsatz von 208 € im Monat (= 60 % des Eckregelsatzes) und für Kinder im Alter von 15 bis 18 Jahren 278 Euro (80 % des Eckregelsatzes). Das bedeutet für die tägliche Ernährung 3,79 €. Aus dem schmalen Katalog, der ihnen monatlich zugebilligt wird: 14,73 € für Klamotten; 3,76 € für Sport und Freizeit und Null Euro für Schulsachen!


Zu der insgesamt dramatisch verschärften materiellen Lage speziell für die Erwerbslosen, an denen der berühmte Aufschwung fast ausnahmslos vorbeigeht, kommen andere Momente hinzu, die ihr Leben voller Demütigungen macht. Dazu gehören:

  • •    die nochmals verschärften Zumutbarkeitsregelungen;
  • •    der wegfallende Berufsschutz
  • •    das Ausforschen ihrer familiären Lebenssituation;
  • •    die Durchleuchtung der Bankkonten und das Heranziehen der Ersparnisse
  • •    die entwürdigenden Behandlungen durch die Verfolgungsmanager-/ „FallmanagerInnen“.
  • •    das Heranziehen zu Lohndrückertätigkeiten (1-€-Jobs), die zunehmend alle Kennzeichen klassischer Zwangsarbeit annehmen, usw.

Wo bleibt der Widerstand?
Die Gewerkschaften sind heute meilenweit von einer konsequenten Politik im Interesse der Lohnabhängigen entfernt. Sie sind zwar noch von den Regungen ihrer Basis abhängig, aber ihre Führungen haben über weite Strecken das neoliberale Denken übernommen und können sich eine erfolgreiche Gegenwehr nicht mehr vorstellen. Die Gewerkschaftsbürokratie verteidigt zu allererst ihre unmittelbaren Apparatinteressen und reagiert nur sehr widerwillig auf kämpferische Bestrebungen von unten.

Doch auch viele Mitglieder sind passiv und vor allem schlecht organisiert. Zurzeit ist es nicht absehbar, dass sie sich die Gewerkschaften wieder aneignen, indem sie für demokratische Strukturen sorgen, darüber eine andere Politik durchsetzen und so ihre Interessen konsequent verfolgen.
Gleichzeitig erleben die direkt Betroffenen – aber auch die indirekt Betroffenen in den Betrieben – dass sich heute keine politische oder soziale Kraft mit ausreichendem Gewicht für ihre Belange einsetzt, Menschen mobilisiert und Perspektiven für einen erfolgreichen Abwehrkampf weist. Die Partei Die Linke sieht den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten in dem Rennen um Parlamentsmandate, um… möglichst bald auf allen Ebenen in die Regierung zu gelangen. Wozu ihre Orientierung auf das Mitregieren und Mitverwalten der bestehenden Ordnung und der neoliberalen Verhältnisse führt, haben die Betroffenen und nicht zuletzt die KollegInnen im Öffentlichen Dienst in Mecklenburg-Vorpommern – und schlimmer noch in Berlin – erlebt und erleben es weiterhin bei der Senkung der Einkommen, über die Freigabe der Ladenöffnungszeiten bis hin zu Stellenstreichungen. Die Linke ist ganz offensichtlich keine Organisation, deren oberste Maxime die Verteidigung der Interessen der Lohnabhängigen ist.
Wie die Forderung nach einem „Bedingungslosen Grundeinkommen“ aufkam
Da auch die Bewegung gegen Hartz IV auf ein Minimum zurückgegangen ist, verwundert es nicht, wenn vor allem die von Hartz IV Betroffenen nach Wegen suchen, die ihnen mindestens die entwürdigende Behandlung durch Arbeitsagenturen und Arbeitsgemeinschaften – den speziellen Kooperationsstrukturen von Arbeitsagenturen und Kommunen – erspart und gleichzeitig ein einigermaßen solides materielles Auskommen sichert.

Aus den Reihen der Erwerbslosenstrukturen wird seit einigen Jahren verstärkt die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) erhoben. Diese Losung stößt ganz spontan bei vielen Erwerbslosen – auch bei Menschen, die sehr wenig politisch interessiert sind – auf große Sympathie. Die durch Hartz IV verschärfte Ausgrenzung aus der Gesellschaft und die damit einhergehende Bespitzelung und B
evormundung durch ARGEN und Jobcenter speisen diese Sympathien. Dies ist in unsren Augen Ausdruck einer politisch verfahrenen Situation. Es wird nicht dadurch besser, dass die entschiedensten Verfechter des BGE auf der Linken mit der Einführung eines BGE die Perspektive der Überwindung der Lohnarbeit verbinden. Wir halten diese Losung für eine absolute Sackgasse; ja einen gefährlichen Irrweg. Um so mehr, als inzwischen Teile des bürgerlichen Lagers ähnliche bzw. ähnlich klingende Konzepte vertreten. Die linken VerfechterInnen des BGE können damit für die Propagierung eines verschärften Sozialabbauprogramms instrumentalisiert wer­den. Dabei ist es unerheblich, ob Linke ideologisch andere Ziele vertreten, denn bei der Erklärung politischer Konzepte haben bekanntlich Linke nicht die Deutungsmehrheit, schon gar nicht, wenn die Massenmedien sich einschalten.

Andererseits wollen wir die politische Zielsetzung der linken VerfechterInnen des BGE nicht mit denen eines Götz Werner oder der Konrad-Adenauer-Stiftung gleichsetzen. Wir erkennen sehr wohl ihre emanzipatorische Zielsetzung an. Wir wollen aber in der sozialen Bewegung für einen gänzlich anderen, einen klassenkämpferischen Weg werben, weil wir uns nur so einen Ausweg aus der gegenwärtig verfahrenen Situation und eine längerfristig Erfolg versprechende Perspektive vorstellen können.

Unsere Argumentation gegen das BGE deckt sich über weite Strecken mit den Ausführungen von Rainer Roth 3, auch wenn wir seine Darstellung einer engen Verwandtschaft der linken BGE-Konzepte mit den bürgerlichen BGE-Konzepten nicht in jedem Fall glücklich finden. Seine Ausführungen in der Sache selbst finden wir allemal absolut korrekt und wollen deswegen hier nicht im Detail auf alle Einzelheiten der Darstellung des BGE und der Kritik am BGE eingehen. Rainer Roth hat seit der Veröffentlichung seiner Broschüre im Jahr 2006 auf zahlreichen Veranstaltungen für seine Sicht geworben. Viele seiner entsprechenden Referate sind auch im Netz abrufbar und ein Großteil der Kontroverse ist im Labournet.de dokumentiert) 4.

Was uns allerdings in seiner Broschüre und seinen Referaten zu kurz kommt ist die Erläuterung der politischen Alternative. Diese vertritt er durchaus, legt sie aber – oft wohl mangels Zeit auf solchen Veranstaltungen – in der Regel meist nicht groß aus. Eine solche Alternative muss unsrer Ansicht nach Teil eines klassenkämpferischen Programms sein, das wir – bezogen auf die Problematik Erwerbslosigkeit – hiermit zur Diskussion stellen.

Zum besseren Verständnis müssen wir aber vorher kurz auf die wichtigsten Modelle eines BGE eingehen.
Die Idee des BGE
„Das BGE soll ein steuerfinanziertes Basiseinkommen für alle sein, in Existenz und Teilhabe sichernder Höhe und ohne sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung von Einkommen und Vermögen bzw. ohne Arbeitszwang oder Tätigkeitsverpflichtung. Es kann aber soviel hinzu verdient werden, wie es jeder einzelne für erstrebenswert hält und soweit dies am Markt aushandelbar ist.

Je nach Modell des Grundeinkommens wird eine Zahlung in Höhe des Sozialhilfesatzes bzw. des Arbeitslosengeldes II bis hin zu 1 500 € vorgeschlagen. Einige Modelle sehen einen schrittweisen Ersatz der (versicherungsbasierten und steuerfinanzierten) Sozialleistungen durch das BGE vor.

Das Grundeinkommen unterscheidet sich damit von einer Grundsicherung, die nur gezahlt wird, wenn kein anderes ausreichendes Einkommen vorhanden ist und die mit einer Bedürftigkeitsprüfung und in der Regel mit Arbeitsverpflichtung bzw. dem Nachweis der Arbeitsbereitschaft verbunden ist.“ (Wikipedia)
Die Modelle der Linken
Erste Vorläufer des Konzepts reichen bis in die 80er Jahre zurück. Seite Ende der 90er Jahre wird es verstärkt propagiert und operiert aktuell mit folgendem Zahlenwerk: Gefordert wird meist ein bedingungsloses Grundeinkommen (= ohne Bedürftigkeitsprüfung) von 850 Euro für alle Personen + Warmmiete. Es wird nicht unterschieden nach Alter, sozialer Lage usw.

Finanziert werden soll dies durch eine Abgabe, die alle bezahlen sollen, die mehr als den Durchschnitt verdienen. 50 % des Durchschnitts wären zu behalten und 50 % wären anrechnungsfrei. Der Lohnzuschuss würde demnach heute bei 4600 Euro brutto auslaufen, etwa 2400 Euro netto. Das bedeutet: ab dieser Höhe müssten allein stehende LohnarbeiterInnen mehr zahlen als sie empfangen. (Es gibt aber auch andere Detailkonzepte).

Da jeder Mensch, ob KapitalistIn, KleinbürgerIn oder Erwerbslose, ob jung oder alt, das gleiche Grundeinkommen erhalten sollen („ohne Bedürftigkeitsprüfung“), würde das Konzept des Runden Tischs der Erwerbslosen bei einer mehrköpfigen Familie zu einer gewaltigen Einkommenssteigerung führen und zwar weit jenseits des Mindestlohns von 10 € bzw. 12 € in der Stunde, und ganz unabhängig davon, ob jemand aus dieser Familie überhaupt arbeitet. Denn 850 Euro netto x (beispielsweise) 4 Personen + Warmmiete ist schon ordentlich Geld: 3400 Euro netto + Warmmiete; das ist nebenbei gesagt eine Erhöhung des Kindergeldes von aktuell 154 Euro auf 850 Euro.

Niemandem wird es unter solchen Bedingungen einfallen, arbeiten gehen zu wollen. Zur Erinnerung: Heute beträgt das durchschnittliche Einkommen von ArbeiterInnen 2229 Euro brutto! (Zahlen lt. Statistischem Bundesamt für 2006).

Die Umverteilung soll der Staat vornehmen. Er müsste allerdings zunächst feststellen, welche Gesamteinkommen jede Person hat. Der Staat soll bei allen abkassieren, bei den KapitalistInnen wie bei den im kapitalistischen Betrieb Beschäftigten. Übrigens wird mensch dann nicht mehr von Lohnabhängigen sprechen können, denn sie sind ja dann gerade nicht mehr vom Lohn abhängig. Die linken VerfechterInnen des BGE begreifen diese Losung und – falls umgesetzt – dieses Modell als einen Schritt zur Überwindung der… „Arbeitsgesellschaft“. Sie polemisieren gegen alle, die „die Arbeit hoch halten“, und propagieren den individuellen Ausstieg aus der Arbeitsgesellschaft bzw. aus der „Lohnarbeit“.

Zur Finanzierung des Modells legen sie eine Rechnung zugrunde, die ein freiwilliges Mitziehen des Kapitals voraussetzt; also der Klasse in der Gesellschaft, die alles Interesse daran hat, dass die Nicht-KapitalbesitzerInnen auch wirklich lohnabhängig bleiben. Außerdem funktioniert das Kapital nur dann weiter, wenn die Renditen gesichert sind. Wenn aber nur noch wenige Menschen arbeiten – weil die anderen endlich begriffen haben, dass mensch doch aussteigen soll und kann – dann müssen diese umso länger arbeiten. In der Logik auch für immer weniger Geld.
Die Absurditäten ihres Modells sind seiner Anhängerschaft wahrscheinlich nur zum Teil bewusst. Bewusst ist ihr aber sehr wohl, dass mit diesem Modell ihre spezifische Nischensituation verändert werden könnte: entweder nicht arbeiten zu wollen und trotzdem gut ernährt zu werden, oder als KleinproduzentIn – DienstleisterIn, HändlerIn usw. – ein garantiertes Mindesteinkommen durch den bürgerlichen Staat verteilt zu bekommen.

Hier drü
;ckt sich nicht nur eine kleinbürgerliche, vollkommen kapitalistisch ausgerichtete Mentalität der Realitätsflucht und des angestrebten individuellen Ausstiegs aus der Lohnarbeit aus. Es ist auch zuhöchst unsolidarisch, weil es davon ausgeht, dass andere Deppen den gesamten gesellschaftlichen Reichtum in langen Arbeitszeiten schaffen und über den Staat so umverteilen lassen, dass auch die „Gegner der Arbeit“ noch auskömmlich leben können. Denn einen Arbeitszwang lehnen sie ab.

Dass wir die Zumutbarkeitsregelungen – Abschaffung des Berufsschutzes und alle anderen Unverschämtheiten namentlich aus dem „Optimierungsgesetz“ – ablehnen, kann nicht heißen, dass wir es gut finden, wenn jemand trotz ausreichender Angebote durch die Gesellschaft es vorzöge, keinen Beitrag zur Schaffung des gesellschaftlichen Reichtums zu leisten, obwohl er/sie es könnte. Ein auskömmliches Einkommen zu beanspruchen, ohne die Bereitschaft, selbst dazu beizutragen, hat wenig mit Fortschrittlichkeit zu tun, mehr mit individueller Flucht. Das wird erst recht nicht dadurch besser, wenn es als Modell für die ganze Gesellschaft propagiert wird. Von den logischen Widersprüchen ganz zu schweigen.

Die Modelle der Rechten

Die rechten Verfechter dieses Konzepts machen viel deutlicher, worauf dieses Modell faktisch hinausläuft: Auf eine massive Förderung von Kombilöhnen! Da der Staat ja für das Auskommen sorgen wird, können die Löhne massiv gesenkt werden, und nicht nur im unteren Bereich. Die darüber liegenden Löhne und Gehälter würden unweigerlich mit herunter gezogen. Dazu Straubhaar, Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts: „…ich schlage vor, dass wir den Arbeitsmarkt… zum Markt mit auch geringen Löhnen machen, also viel Lohnspreizung in Kauf nehmen, Löhne die an Ort und Stelle [sprich ohne Gewerkschaften und ohne Tarifverträge] verhandelt werden.“ (dradio 5.4.2006; zitiert nach Rainer Roth, S. 17). Oder derselbe: „ich denke, dass die meisten Deutschen sich etwas dazuverdienen wollen und auch werden. Das wird dann nicht mehr mit einem faktischen Mindestlohn [darunter versteht er die heutigen Tariflöhne] wie heute geschehen, sondern mit tiefen Löhnen.“

Die Zielsetzung ist also sehr klar. Die linken VerfechterInnen des Konzepts kümmert das aber zumeist nicht groß, denn erstens wollen sie gar nicht arbeiten – ja sie sind stolz, den „Arbeitsethos“ abgestreift zu haben – und zweitens brauchen sie auch keinen kollektiven Kampf zur Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Entgelt- und Personalausgleich.

Von bürgerlicher und teilweise von linker Seite wird als Vorteil des BGE oder des Bürger­geldes die Legende vom Bürokratieabbau angeführt und dass damit die Lohnnebenkosten sinken, da ja weniger in die Sozialkassen zu zahlen ist. Dass damit real die Lohnkosten für das Kapital sinken und deren Profite sich damit erhöhen, scheint einige der linken VerfechterInnen des BGE nicht zu kümmern. Wohin das führen soll wird vor allem an dem CDU-Modell deutlich. Dies wird von Thüringens Ministerpräsident Althaus mit dem „solidarischen Bürgergeld“ vertreten und von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt:

Gezahlt werden sollen demnach 800 € bei 50 % Einkommenssteuer oder (nach einem anderen Modell:) 400 € bei 25 % Einkommenssteuer. Alle Sozialleistungen gehen im Bürgergeld auf. Es kann zwar Zuschläge für Bedürftige geben, aber die sind weder beziffert noch in den Bedingungen genauer definiert. Finanziert werden soll es über die Einkommenssteuer (50 % oder 25 %, s. o.), die mit dem Bürgergeld verrechnet wird. Zusätzlich soll eine Lohnsummensteuer bezahlt werden. Ganz wichtig aber: Nicht nur muss jeder selbst zusehen, wie er/sie für das Alter vorsorgt, um dann mehr zu haben als diese Grundversorgung. Der so genannte „Arbeitgeber“ zahlt auch nichts mehr in die Krankenversicherung ein. Hier kommt dann endlich die von der CDU gewünschte ungeschmälerte Kopfpauschale. D. h. jeder muss sich nach CDU-Berechnung mit einer „Gesundheitsprämie“ von 200 € selbst versichern. Von den o. g. 800 € sind also schon von vornherein mindestens 200 € abzuziehen.

Selbstverständlich gehen auch bei der FDP und bei Götz Werner alle Sozialleistungen im Grundeinkommen auf. Unter den bürgerlichen Verfechtern weckt vor allem Götz Werner viel Interesse, denn er schwadroniert von einem BGE von anfangs 900 und später 1500 € für jeden! Finanziert werden soll das über eine stufenweise Anhebung der Mehrwertsteuer auf 48 % – er nennt es „Konsumsteuer“ – unter Abschaffung aller anderen Steuern 5. Wen das vor allem trifft muss nicht diskutiert werden! Und wer davon in  großen Mengen profitiert liegt ebenfalls auf der Hand: Unternehmen zahlen dann keine Steuern mehr. Ein gewaltiger Konkurrenzvorteil gegenüber im Ausland operierendem Kapital. Es gäbe außerdem keine Lohnnebenkosten mehr, insgesamt also eine gewaltige Quelle der Profitsteigerung.

Bei praktisch allen bürgerlichen Verfechtern des BGE oder des „Bürgergeldes“ kommt noch eine bedeutsame rassistische, mindestens nationalistische, Komponente hinzu: Die Modelle von CDU, Grünen und von Götz Werner sind nur auf „deutsche Staatsbürger“ zugeschnitten. Andere hier lebende Menschen gingen demnach leer aus. Da aber dann schon alle anderen Sozialleistungen bzw. Transferzahlungen abgeschafft sind, ist es nicht schwer auszumalen, wie dreckig es dann den hier lebenden Nicht-Deutschen gehen würde.
Mit BGE kein gemeinsamer Kampf
Das BGE kann zwar sehr wohl in Erwerbslosen-Kreisen noch weiteren Anklang finden, zumal dort die zunehmend unwürdigen Bedürftigkeitsprüfungen durch die Agenturen und die Überwachung durch die VerfolgungsmanagerInnen an den Nerven zehren. Der letzte Vorstoß der „Fünf Weisen“  Wirtschafts­wissenschaftler zur Absenkung des ALG II unter die eh schon viel zu niedrigen aktuellen Regelsätze tut hier sein übriges.

Fatal an dem Konzept des BGE ist aber, dass ein Keil zwischen Erwerbstätige und Erwerbslose getrieben wird. Wenn einem Stahlarbeiter erklärt werden soll, dass ein Erwerbsloser mit Familie mehr bekommen soll, als er für seine Maloche bekommt, kann daraus nie eine gemeinsame Front, ein gemeinsamer
Kampf erwachsen!

Als Erklärungshintergrund für die Propagierung des in sich so wenig schlüssigen Konzepts sollten wir beachten 6:
Die meisten linken VertreterInnen des BGE sind nicht nur auf einen individuellen Ausweg aus der Lohnarbeit aus. Sie lehnen es rundweg ab, die Teilung der Gesellschaft in antagonistische Klassen als Ausgangspunkt aller Überlegungen zu machen. Wer die Klassengesellschaft zu einem sekundären Merkmal macht und statt dessen die „Arbeitsgesellschaft“ als den Kern des Übels betrachtet, der wird naturwüchsig keinen Zugang zu den Erwerbstätigen finden, die sich in dieser Gesellschaft abrackern müssen, um ihren Lebensstandard zu halten und wird keinen gangbaren Weg für einen gemeinsamen Kampf vorschlagen können. Wir reden damit nicht einer Fortschreibung oder gar Idea­lisierung d
er Lohnarbeit das Wort. Im Gegenteil, nur durch den Schulterschluss der Erwerbslosen und Erwerbstätigen kann der Mensch die Fesseln der Lohnarbeit abstreifen und der menschlichen Arbeit endlich einen selbstbestimmten und selbstverwirklichenden Charakter verleihen.
Schlussfolgerungen
Da das Kapital kein Interesse an der Ausschaltung der Konkurrenz unter den Lohnabhängigen hat, ist es vollkommen undenkbar, dass es eine gesellschaftliche Lösung akzeptieren würde, nach der allen Menschen eine zufrieden stellende Grundsicherung zuteil wird, die es ihnen erlaubt, ohne Arbeit am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die linken BefürworterInnen des BGE kümmern sich nicht darum, wie und wer die Werte schaffen soll, die es den Nichtarbeitenden ermöglichen, ausreichend gut zu leben. Dann müssten die übrig bleibenden „bekloppten“ Anhänger der „Arbeitsgesellschaft“ so extrem lange arbeiten, dass auch 24 Stunden am Tag nicht reichen würden.

Den Reichtum beim Kapital zu holen, also mindestens die Profite anzugreifen, steht ausdrücklich nicht auf dem Programm der Verfechter des BGE, auch nicht bei den Linken. Schließlich wollen sie mit ihren Modellrechnungen nachweisen, dass das BGE „finanzierbar ist“ und sie wollen auch das Kapital davon überzeugen, dass dies eine gute Lösung sei.

Von Seiten der Rechten zielt das BGE ganz eindeutig auf die flächendeckende Einführung des Kombilohns und die Zerschlagung der Sozialsysteme. Götz Werner spricht offen aus, welche Zukunft er dann für die Gewerkschaften sähe: Sie wären dann „überflüssig“, denn keiner müsse ja mehr seine Arbeitskraft verkaufen.

1     Riesterreform von 2001 und vor allem die Rente mit 67.
2     Das durchschnittliche ALG I-Niveau liegt bei 898 € für Männer und 624 € für Frauen.
3     Rainer Roth: Zur Kritik des Bedingungslosen Grundeinkommens, ISBN 3-932246-52-7 (3 €).
4     Infos von Rainer Roth zu diesem Thema unter: www.klartext-info.de.
5     Lohnsteuer, Einkommenssteuer, Kapitalertrags­steuer, Vermögenssteuer.
6     Das hat R. Roth nicht ausreichend herausgearbeitet.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite