Kreuzzug für mehr Abschottung und mehr Abschiebungen

Ganz weit rechts: Horst Seehofer bei einer Wahlkampfveranstaltung 2016 in Innsbruck. Foto: Andreas Khol, GLJ_8334, CC BY-ND 2.0

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Seehofers Kampagne

Kreuzzug für mehr Abschottung und mehr Abschiebungen

Von Koordination der ISO | 20.07.2018

Die von der CSU losgetretene Kampagne abgelehnte und „papierlose“ Flüchtlinge an deutschen Grenzen abzuweisen, dominiert mittlerweile schon seit Wochen die innenpolitische Debatte. Seehofer erweckt dabei den Eindruck, als gehe es um Sein oder Nichtsein der Nation und redet einen nationalen Notstand herbei.

Phantomdebatte

Die Wirklichkeit und die nüchternen Fakten spielen in der systematisch geschürten Hysterie keine Rolle. Die Zahl der Flüchtlinge, um die es dabei geht (die nämlich trotz des verschärften Grenzregimes der EU überhaupt bis Deutschland durchkommen), nennt die CSU bezeichnenderweise nicht. Die Wucht der Hetzkampagne suggeriert, als gehe es um Hunderttausende von Flüchtlingen. „Die aktuelle erhitzte Debatte passt nicht zu den Zahlen, die uns vorliegen“, sagt Dominik Bartsch, der Repräsentant des UNHCR-Hochkommissars in Berlin. Die Zahl der Personen, die vom Vorschlag von Innenminister Horst Seehofer betroffen wäre, so Bartsch sei nämlich „verschwindend klein“. Die Flüchtlingszahlen in der BRD sind absolut rückläufig. Ganze 186 644 Menschen ersuchten 2017 um Asyl in der BRD nach. Und die Personengruppe, die Seehofer und Söder zur Bedrohung der Nation hochstilisieren, umfasst maximal ca. 60 000 Menschen. Geht es nach dem Willen der CSU, sollen möglichst alle Flüchtlinge abgelehnt werden.

Ist das noch CSU oder schon AfD?

Dass die CSU mit dieser Methode durchkommt, ist den Umstand zuzuschreiben, dass die Pegida-Denkstrukturen tief in die Gesellschaft eingedrungen sind. Die sich gerne als „besorgte Bürger“ kostümierenden Rechten haben es geschafft, dass ihre häufig erfundenen, stets bombastisch aufgeblasenen Bedrohungsphantasien nicht ‒ wie sie es verdient hätten – als bösartige Hetze zurückgewiesen werden, sondern als „gefühlte Bedrohung“ verniedlicht werden, die es angeblich ernst zu nehmen gelte.

Die Pegida-Denkstrukturen sind tief in die Gesellschaft eingedrungen.

Die CSU beherrscht von jeher auch dieses Geschäft substanzloser, aber umso heftiger lautstark vorgetragener Demagogie. Sie kann an eine Kultur der lärmenden Dummdreistigkeit anknüpfen, die in Bayern, der Hochburg der Bierzelte, wohl ausgeprägter ist als im Rest der Republik. Bei ihrer aktuellen Kampagne hat die CSU wohl auch, aber keineswegs nur die bayerischen Landtagswahlen vom Oktober im Blick. Wiederholt haben in jüngster Zeit CSU-Führer eine alte Maxime von FJ Strauß bemüht: Rechts von der CSU darf es nur die Wand geben. Schon seit vielen Jahren ist der CSU und den „Stahlhelmern“ in der CDU die von Angela Merkel betriebene Modernisierung der CSU ein Dorn im Auge. Offenbar sehen Seehofer und Söder jetzt für sich die Chance, das Kräfteverhältnis in der CDU/CSU entscheidend nach rechts zu verschieben.

Es geht ihnen darum, die Unionsparteien in eine C-Partei mit AfD-Programmatik umzubauen. Söders Gebrauch der bislang vorwiegend von offenen Rechtradikalen gebrauchten Hetzformel „Asyltourismus“ zeigt, wie skrupellos er in der der Wahl seiner Mittel ist und wie weit die geistige Verrohung bei CSU-Spitzenpolitiker*innen bereits fortgeschritten ist. Söder und Seehofer wollen die AfD mit ihren eigenen Waffen schlagen – mehr Rassismus und Rechtspopulismus. Dass das schief gehen wird, wissen eigentlich alle, die sich ein wenig mit dem Wahlverhalten von Menschen auskennen: In der Regel wird lieber das Original als die Kopie gewählt.

Was ist mit Merkel?

Bedeutet das für uns Linke, dass wir uns im unionsinternen Streit vor Merkel stellen sollten? Gewiss nicht. Die Kanzlerin steht für alles andere als einen humanen Umgang mit Flüchtlingen. Sie hat in der Vergangenheit eine Politik der systematischen Asylrechtsverschärfung betrieben und sie tritt auch gegenwärtig für eine Verschärfung der Abschottungspolitik ein. Sie will die Grenzschutzorganisation FRONTEX weiter verstärken und Internierungslager für Flüchtlinge in Nordafrika einrichten. Sie ist für „Ankerzentren“ und unterstützt die von Seehofer vorgeschlagenen Kürzungen bei den Asylleistungen, die Erschwerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge und das Errichten höherer Hürden für staatliche Integrationsmaßnahmen. Der wichtigste Unterschied zu Seehofer und Söder ist, dass Merkel das nicht in ruppiger „Deutschland zuerst“-Manier, sondern in enger Abstimmung mit anderen europäischen Regierungen machen will.

Auf jeden Fall an der Regierung bleiben…

… ist der sehnlichste Wunsch der Groko-Parteien. Die Ursache für ihre ständige Verschärfung der Flüchtlingspolitik liegt in der Angst vor dem „Machtverlust“. So reagieren sie auf die von Rechtsaußen (einschließlich FDP) betriebene Hetze ausschließlich mit Anpassung. Damit treibt die AfD sehr erfolgreich alle anderen bürgerlichen Parteien (im Moment noch mit Ausnahme der Grünen) vor sich her. Auch die SPD trägt alles mit – aus Angst, die Groko könnte zerbrechen. Jetzt werden die damals schon von der Union gewünschten faktischen Sammellager (heute umgetauft in Transitzentren) auf einmal ganz schnell akzeptiert (die SPD nannte sie damals noch Haftzentren).

Letztlich ist dies keine ausschließlich deutsche Konstellation. Wenn der österreichische Bundeskanzler erklärt, dass das eigentliche Ziel darin besteht, die „Mittelmeerroute zu schließen“, dann spricht er damit faktisch für alle Regierungen der EU.

In dieser Logik ist auch kein Ende für weitere Verschärfungen zu erwarten. Denn wenn anderen EU-Länder, die als Erfüllungsgehilfen vorgesehen sind, nicht mitspielen (bzw. das Mittelmeer nicht ausreichend abriegeln können), ist zu befürchten, dass es verstärkt um noch brutalere Schnellverfahren gehen wird. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Rechtsschutz auch für schon länger hier lebende Flüchtlinge eingeschränkt wird. Ein gutes Übungsterrain, um ‒ angesichts „überlasteter Gerichte“ ‒ auch anderen Teilen der Bevölkerung oder bei sonstigen Beschwerden gegen staatliche Maßnahmen (etwa beim Umweltschutz) die Verfahren abzukürzen. Der so genannte Rechtsstaat wird damit immer löchriger.

Solidarität statt Hetze!

Zum wiederholten Mal macht sich die CSU Hetzparolen, die das Markenzeichen der AfD sind, zu eigen. Gegen die rassistischen Tiraden der Seehofer und Söder brauchen wir eine ähnlich breite Einheitsfront wie gegen die AfD, ein Bündnis von Menschen, die in der praktischen Solidarität mit Flüchtlingen tätig sind, von antifaschistischen Gruppen, von Gewerkschafter*innen und von Menschen aus allen Spektren der Linken. Je nach örtlicher Lage werden auch Teile der Grünen und möglicherweise selbst der SPD ansprechbar sein.

Der Erfolg der Rechten gedeiht auf dem Nährboden von sozialer Kälte, Ausbeutung, rassistischen Vorurteilen, und Sexismus. Dass die Jagd nach vermeintlichen Sündenböcken immer häufiger vorkommt, ist Folge und Radikalisierung der neoliberalen Konkurrenzideologie. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Seehofer, Söder oder auch Merkel „deutschen“ sozial Schwachen das Geld geben werden, das sie bei den Flüchtlingen einsparen ‒ deutscher Pass und deutscher Stammbaum hin oder her. Wer also als Erwerbslose*r oder Beschäftigte*r mit mittlerem und niederem Einkommen die AfD wählt, „schießt sich selbst ins Knie“.

Der Erfolg der Rechten gedeiht auf dem Nährboden von sozialer Kälte, Ausbeutung, rassistischen Vorurteilen, und Sexismus.

Nur wenn „die da unten“ ‒ Einheimische und Flüchtlinge gemeinsam ‒ sich gegen „die da oben“ wehren, haben sie eine Chance, ihre Lage zu verbessern. Wir brauchen gemeinsame Kämpfe von Alteingesessenen und neu Zugewanderten gegen prekäre Arbeit und für Löhne, von denen man/frau leben kann, für Wohnraum, der bezahlbar ist und für ein Gesundheitssystem, in dem es um das Wohl der Patient*innen und nicht die Maximierung des Profits geht.

Wir wollen ein Ende des Sterbens im Mittelmeer und an den europäischen Außengrenzen. Dafür brauchen wir ein menschenwürdiges System der Aufnahme und der Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft.

Statt Internierungslagern in Nordafrika brauchen wir einen sofortigen Stopp von Waffenlieferungen aus der BRD und anderen NATO-Ländern. Ein sinnvoller Beitrag zur Bekämpfung der Fluchtursachen wäre, wenn die EU-Staaten ihre Freihandelsabkommen mit den Ländern Afrikas beenden würden, die dazu führen, dass die Märkte in Afrika von billigem Hähnchenteilen überschwemmt und die einheimischen Bauern ruiniert werden. Ein Beitrag zur Entwicklung der Länder Afrikas wäre, wenn endlich Schluss wäre mit der Ausbeutung der Rohstoffe Afrikas zu Schnäppchenpreisen durch multinationale Konzerne aus den USA oder Europa. Wenn die afrikanischen Länder durch uneigennützige Hilfe in die Lage versetzt würden, selbst über ihre Rohstoffe zu verfügen und sie selbst im eigenen Land weiterzuverarbeiten, könnten dort lebensfähige Volkswirtschaften entstehen.

Für aktiven Flüchtlingsschutz von unten

Solidarität heißt: Flüchtlingen konkret helfen, etwa beim Rechtsschutz gegen Ablehnungsbescheide, aber auch bei durch aktive Mitwirkung bei ihrer Integration. Gleichzeitig geht es auch darum, eine breite politische Bewegung zu unterstützen, die sich gegen alle Gesetzesverschärfungen richtet. Dabei setzen wir uns u. a. für folgende Forderungen ein: Keine Unterbringung in Lagern länger als 4 Wochen.

  • Keine Residenzpflicht
  • Weg mit den Arbeitsverboten
  • Das „Asylbewerberleistungsgesetz“ ist abzuschaffen
  • Für Menschen, die hierbleiben wollen, muss es ohne Umschweife einen sicheren Aufenthaltsstatus geben.
  • Kündigung aller Flüchtlingsabkommen (mit der Türkei, Tunesien usw.)
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