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Ökologie

Klima- und Energiecamp 2011: Vorbereitungen laufen

Von Jan Weiser | 01.06.2011

Es ist ein Prozess kollektiver Selbstorganisation und basisdemokratischer Selbstverwaltung, der zum Klima- und Energiecamp 2011 führt. Die Menschen, die an diesem Prozess teilnehmen, kommen z. B. aus Berlin, Potsdam, Cottbus oder Leipzig. Sie gehören Umweltgruppen, lokalen Bürgerinitiativen, Attac und/oder linken Organisationen an oder engagieren sich als Einzelpersonen. Und in diesem Prozess gewinnt das Camp immer deutlicher an Konturen.

 

Es ist ein Prozess kollektiver Selbstorganisation und basisdemokratischer Selbstverwaltung, der zum Klima- und Energiecamp 2011 führt. Die Menschen, die an diesem Prozess teilnehmen, kommen z. B. aus Berlin, Potsdam, Cottbus oder Leipzig. Sie gehören Umweltgruppen, lokalen Bürgerinitiativen, Attac und/oder linken Organisationen an oder engagieren sich als Einzelpersonen. Und in diesem Prozess gewinnt das Camp immer deutlicher an Konturen.

Das fünfte Vorbereitungstreffen in diesem Jahr fand Mitte Mai in Cottbus statt; ihm gingen vier Treffen in Berlin, Cottbus und Leipzig voraus. Bisherige Ergebnisse sind u. a. ein Aktionskonsens, der zivilen Ungehorsam mit einschließt und klar auf Gewaltlosigkeit setzt, ein politisch ausformuliertes Selbstverständnis, aber auch Beschlüsse praktischer Natur, wie ein Termin und ein Ort: Das Camp wird im Lausitzer Braunkohlerevier stattfinden, in Jänschwalde, einige Kilometer nordöstlich von Cottbus, und zwar vom 7. bis zum 14. August.
Der Aufruf
Der Aufruf des Camps richtet sich eindeutig gegen die zerstörerische Energiepolitik, d. h. zunächst konkret gegen die von der rot-roten Regierung geplante CO2-„Endlagerung“ in der Region, die ebenso wie die Atomkraft eine teure Risikotechnologie darstellt, die noch dazu als „umweltfreundlich“ verkauft wird. Darüber hinaus geht es aber v. a. auch darum, grundsätzliche Fragen zu stellen, die auf der Bühne etablierter Politik keinen Platz haben. „Das Klimachaos scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein“ heißt es in dem Aufruf. Und weiter: „Mit extremen Wetterverhältnissen, der Versteppung ganzer Regionen, dem Anstieg des Meeresspiegels und der Bedrohung der Lebensgrundlagen vieler Menschen schreitet der Klimawandel voran. Dass die Antwort nicht Atomkraft heißen kann, ist spätestens seit Fukushima klar. […] Effektiver Klimaschutz hat nichts mit der Schaffung neuer Märkte zu tun. Die Fokussierung auf Wirtschaftswachstum ist keine Lösung, sondern Teil des Problems.“ Und die Schlussfolgerung hieraus lautet: „Wir nehmen das nicht hin! Wir wollen an Auseinandersetzungen um Klimagerechtigkeit und Energiesouveränität anknüpfen und mit einem Camp Alternativen zum ‚business as usual’ denken, leben und erstreiten.“

Von einiger Bedeutung für das Camp ist bisher die politische Initiativkraft der Berliner Gruppe gegenstrom. In einem auf dem Berliner Treffen diskutierten politischen Thesenpapier der Gruppe heißt es: „Wir dürfen als Bewegungen dieses Jahr nicht nur Anti-Atom-Aktionen durchführen – es gibt auch noch andere Schweinereien, die verhindert werden müssen: Seien es neue Kohlekraftwerke, oder deren Legitimationstechnologie, die Kohlenstoffabspaltung und -verpressung (CCS).“
Was ist ein Klimacamp?
Die Aktionsform des Klimacamps kommt aus England, wo im August 2006 einige Tausend Menschen ein Feld neben dem größten Kohlekraftwerk Europas friedlich in Besitz nahmen und dort gewalt- und hierarchiefrei lebten, lernten und mit einer positiv überraschten Bevölkerung Kontakt aufnahmen, die unter der größten Luftverschmutzung Europas zu leiden hatte. Bei einer Besetzung des Kraftwerk-Geländes wurde die CO2-Produktion schließlich für einen Tag aufgehalten. Wichtiger war jedoch vermutlich die Erkenntnis, dass mensch „etwas tun“ kann, statt auf Hilfe „von oben“ zu warten oder zu resignieren.

2008 fand in Hamburg das erste Klimacamp im Bundesgebiet statt. Etwa tausend Menschen erprobten dort eine klimaneutrale Lebensweise, bildeten sich in zahlreichen Workshops und starteten etliche Aktionen zivilen Ungehorsams, um auf ökologische Zerstörung aufmerksam zu machen. Der nachhaltige Effekt des Hamburger Camps war der, dass die damals Beteiligten heute das Selbstbewusstsein und das nötige organisatorische und politische Wissen haben, um selbst klimapolitisch handlungsfähig zu werden. Viele derjenigen, die heute das Klimacamp aktiv vorbereiten, waren 2008 dabei, aber weniger zentral eingebunden. 2011 wird es nun unabhängig voneinander zwei Klimacamps geben: Eines ist das „internationale Klimacamp“ in Nordrhein-Westfahlen und das andere das „Klima- und Energiecamp“ in der Lausitz.
Vernetzung und Gegenmacht
Auf den Vorbereitungs-Plena wird bei aller Unterschiedlichkeit der Standpunkte stets achtungsvoll diskutiert, denn es geht weniger darum, diese oder jene Vorstellung durchzusetzen, als darum, Herausforderungen gemeinsam zu begegnen und dabei offen zu bleiben für andere, die sich in den Prozess einbringen wollen. So können verschiedene Bächlein zusammenlaufen und zu Strömen werden. In Berlin war zu hören, wie das Anti-Atom-Bündnis aus Potsdam Kontakt zu einer Uckermarker Bürger-Initiative aufnahm, welche ihre eigenen Kontakte zu grünen Gruppen jenseits der Grenze in Stettin hatte. Diese standen ihrerseits wiederum mit polnischen ökologischen, Anti-Atom- und anarchistischen Gruppen in Kontakt, so dass hieraus 2010 ein polnisch-deutsches Anti-Atom-Camp von Basisaktivist_innen entstand. Dieses Netzwerk will sich nun neben anderen in das Lausitzer Camp mit einbringen. Es handelt sich bei all dem um organisatorische Ansätze „von unten“, die insgesamt etwas anstreben, das völlig verschieden ist von klassischen Repräsentations-Konzepten in der bürgerlich-kapitalistischen Demokratie. Es geht – kurz gesagt – nicht um parlamentarische Teilhabe, sondern um Gegenmacht.

Hierzu bedarf es dann allerdings auch eines aktiven Sich-Einbringens anstelle des passiven Politik-Konsums, an den wir täglich gewöhnt werden. Es muss Pressearbeit organisiert, Barrierefreiheit gewährleistet, Geld eingesammelt und eine Website erstellt werden. Daneben gilt es Kontakte zu pflegen, ein Programm zu entwerfen, Menschen zu überzeugen und Komposttoiletten aufzubauen – und all das so zu diskutieren, dass alle damit leben können.

Auch die weiteren Treffen, die noch stattfinden werden, werden offen sein für alle, die mitwirken wollen.

 

Unterstützer­­Innen des Camps (Stand: 28.05.2011)
AK Klima und Erneuerbare Energien des BUND Berlin (AK KLEE)
Anti Atom Berlin
attac Cottbus
Blattwerk e.V. Cottbus
Bürger­initiative CO2ntra­Endlager Neutrebbin
Bürgerinitiative CO2-Endlager stoppen (Beeskow)
Bürgerinitiative Kein CO2-End­lager Altmark
BUND Berlin
gegenstromberlin
Grüne Jugend Brandenburg
Junge Genoss_innen des RSB / IV. Internationale
Klima!­Bewegungs­netzwerk
Klima­Gerechtig­keit
Leipzig
Lacoma e.V.
Linksjugend
[’solid]-­Brandenburg
Linksjugend[’solid]-­Sachsen
NaturFreunde Berlin
Ostsachsen wechselt e.V.
ROBIN WOOD

 

Aus dem Aufruf des Camps
Gemeinsam mit Bürgerinitiativen gegen CO2-„Endlagerung“ und Braunkohleabbau fordern wir einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Wir nehmen die Ängste der Menschen im Braunkohlerevier vor Arbeitsplatzverlusten ernst. Doch nur wenn jetzt der Strukturwandel eingeleitet wird, können rechtzeitig neue Perspektiven geschaffen werden. Brandenburg kann eine Vorbildregion für Energiesouveränität und erneuerbare Energieversorgung werden. Darin liegt das eigentliche Entwicklungspotenzial der Region und nicht am Festhalten an der Braunkohle.
Die Propaganda der großen Energiekonzerne will uns vorgaukeln, Klimaschutz sei ohne grundlegenden sozial-ökologischen Strukturwandel in der Gesellschaft möglich. Die bestehende, allein auf Profitmaximierung ausgerichtete, Wirtschaftsweise befindet sich jedoch in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Bedürfnissen der Menschen und den ökologischen Rahmenbedingungen.

 

 

Aktionskonsens des Camps
Die Ausdehnung weiterer Kohletagebaue, die unverantwortliche Nutzung von Kernkraft und die Einführung der CCS Technologie sind ineffizient, risikobehaftet und dienen den monopolistischen Interessen der Energiekonzerne. Dies steht einer Energiewende hin zu erneuerbaren, dezentralen und basis-demokratisch kontrollierte Energiesystemen entgegen.
Unsere Aktionen richten sich gegen Institutionen und Strukturen, welche Menschenleben und Ökosysteme existentiell gefährden. Das Festhalten an zerstörerischen Energiesystemen und der Ausschluss der betroffenen Menschen von Entscheidungsprozessen bilden die legitime Grundlage unseres Handelns. Von uns geht keine Gewalt oder Eskalation aus, um den Schutz der körperlichen Unversehrtheit für alle zu gewährleisten. Bei Aktionen des Zivilen Ungehorsams werden wir friedlich, aber entschlossen unsere Ziele verfolgen.
Wir stehen für ein basis-demokratisches und anti-diskriminierendes Miteinander und solidarisieren uns mit allen Menschen und Aktionen, die unsere Ziele im Rahmen unseres Aktionskonsens teilen. Wir tolerieren keine rassistischen, anti-semitischen, sexistischen, homophoben Äußerungen, Handlungen und Verhaltensweisen während der Aktionen.

 

 

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