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Linke

Japanische AktivistInnen zu Besuch in Berlin

Von RSB | 11.08.2013

Vom 14. bis zum 18.06.2013 weilte eine Delegation japanischer AktivistInnen in Berlin. Sie vertraten das Internationale Arbeiter-Solidaritätskomitee von Doro-Chiba, repräsentiert durch Nobuo Manabe, die Nationalkonferenz für den weltweiten sofortigen Stopp aller Atomkraftwerke (NAZEN), repräsentiert durch Yosuke Oda, und die Gruppe Frauen aus Fukushima gegen Atomkraftwerke, repräsentiert durch Chieko Shiina.

Vom 14. bis zum 18.06.2013 weilte eine Delegation japanischer AktivistInnen in Berlin. Sie vertraten das Internationale Arbeiter-Solidaritätskomitee von Doro-Chiba, repräsentiert durch Nobuo Manabe, die Nationalkonferenz für den weltweiten sofortigen Stopp aller Atomkraftwerke (NAZEN), repräsentiert durch Yosuke Oda, und die Gruppe Frauen aus Fukushima gegen Atomkraftwerke, repräsentiert durch Chieko Shiina.

Doro-Chiba ist eine unabhängige Eisenbahner-Gewerkschaft, entstanden 1979 im Rahmen des Kampfes gegen den Bau des Großflughafens Narita, ein Kampf, den sie unterstützte, und gegen die Privatisierung der Japanischen Staatsbahn JNR. Doro-Chiba ist nicht nur auf die Interessen der japanischen Eisenbahner ausgerichtet, sie ist treibende Kraft einer wachsenden klassenkämpferischen und klassenorientierten ArbeiterInnenbewegung.

Im Rahmen ihres Besuches in Berlin fand auch ein ausführliches Gespräch mit dem RSB vor Ort statt, in dem große Gemeinsamkeiten festgestellt wurden. Im Folgenden geben wir ein Interview mit Nobuo Manabe zu seiner Organisation und deren politischer  Ausrichtung wieder.  

Bitte stell kurz Deine Organisation vor.

Doro-Chiba ist eine aktive Eisenbahnergewerkschaft in der Präfektur Chiba. Die größte Bahngesellschaft dort heißt JR-Ost, eine privatisierte Teilgesellschaft der ehemaligen Japanischen Staatbahn JNR. Es gibt noch mehrere kleine (sogar winzige) private Bahngesellschaften. Doro-Chiba ist Teil einer gewerkschaftsübergreifenden japanweiten Bewegung von klassenorientierten Gruppen und Strömungen, auch in den großen Gewerkschaftsverbänden.

Was sind die Leitlinien und Prinzipien Eurer Organisation?

Unsere Leitlinie ist die der klassenorientierten ArbeiterInnenbewegung. Wir beschränken uns nicht auf eine sektorielle Perspektive, sondern haben immer auch die Interessen der gesamten ArbeiterInnenklasse im Auge. Wir gehen von der Unversöhnlichkeit der Interessen von ArbeiterInnenklasse und Kapital aus.

Steht ihr einer politischen Gruppierung nahe?

Doro-Chiba ist, um es klar zu sagen, keine RGO oder so etwas, keine Parteigewerkschaft. Die meisten Mitglieder von Doro-Chiba sehen sich als kämpferische Gewerkschaftler. Einige Dutzende betrachten sich auch als kämpferische Sozialisten oder revolutionäre Kommunisten. Nur einige davon sind politisch organisiert. Eine Gewerkschaft ist eine Kampforganisation der Klasse und nicht Ableger oder Vasall einer Partei.

Macht ihr hauptsächlich Lohn- und Tarifkämpfe, oder auch politische Aktionen / Demonstrationsstreiks?

Damit beginnt sogar die Geschichte von Doro-Chiba, denn wir entstanden aus einer Opposition in der früheren japanweiten Eisenbahnergewerkschaft Doro. Wir unterstützten den Kampf der Bauern gegen den Bau des Großflughafens Narita und kämpften ganz entschieden gegen die Privatisierung der japanischen Staatsbahn, auch mit Streiks. Doro-Chiba ist auf viele Arten mit anderen antikapitalistischen und demokratischen Bewegungen verbunden, schon seit Jahren oder sogar Jahrzehnten.

Wie ist allgemein die Gewerkschaftsbewegung in Japan zu verstehen? Sind die meisten Organisationen klassenkämpferisch orientiert, oder üben sie stattdessen eine korporatistische Partnerschaft mit den Unternehmen aus?

Die großen Gewerkschaften in Japan sind alle sozialpartnerschaftlich orientiert. Neben dem Dachverband Rengo (unter Kontrolle der Demokratischen Partei Japans (DPJ)) gibt es noch Sektoren, von der Kommunistischen Partei Japans (KPJ) beeinflusst. Aber es gibt auch viele kleine Gewerkschaften, die man als Basisgewerkschaften bezeichnen kann. Doro-Chiba ist eine solche. Und es gibt „amalgamisierte Gewerkschaften“.

Das muss man sich so vorstellen, dass Arbeiterinnen und Arbeiter in einem Stadtteil branchenübergreifend sich zu einer lokalen Gewerkschaft zusammenschließen. Das hat in Japan Tradition. Es gibt auch Doppelmitgliedschaften.

Ist es für Lohnabhängige in Japan eher üblich, oder eher eine politisches Bewusstsein erfordernde Ausnahme, in einer Gewerkschaft zu sein? Wie wirkt ihr der Vereinzelung der Beschäftigten entgegen?

Im Großen und Ganzen ist die Situation der in Deutschland relativ ähnlich.

Der Vereinzelung wirken wir entgegen durch „Danketsu“ (Solidarität), worunter wir in erster Linie Verhalten, praktisches Handeln, verstehen, und nicht nur ein Lippenbekenntnis. Dazu gehören Qualitäten wie gegenseitige Hilfe, Einfühlungsvermögen (jap. Original: „Menschengefühl“), Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Diese Dinge schaffen festen Zusammenhalt und ermöglichen, auch schwere Kämpfe gemeinsam zu führen.

Ihr habt gute Kontakte zur Anti-AKW-Bewegung, nicht erst seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima. Wie sind diese entstanden? Das ist für uns interessant, da in der BRD die
Zusammenarbeit von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen keineswegs selbstverständlich ist, sondern Verbindungen erst bewusst erkämpft werden müssen.

Doro-Chiba war schon vor der Reaktorhavarie von Fukushima gegen AKWs. Doro-Chiba unterstützte auch die erste Anti-AKW-Demo in Tokio nach dem Unglück und organisierte eine „Arbeiterhilfe“ für die Bewohner der betroffenen Region. Auch das unabhängige Gesundheitszentrum in Fukushima wird unterstützt.

Die großen sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsverbände waren immer für „die friedliche Nutzung der Atomenergie“. Nach der Reaktorkatastrophe reden die Gewerkschaftsführer mal so und mal so. Das ist nicht anders als in Deutschland.

Aber es ist richtig, dass diese Zusammenarbeit bewusst erkämpft werden muss.

Habt ihr Verbindung zu internationalen Bewegungen?

Doro-Chiba baut erst seit 2003 systematisch internationale Solidarität auf. Zuvor waren wir – nach unserer Meinung heute – von einer „Inselmentalität“ geprägt. Seit 2003 ist das anders. Wir haben seitdem sehr gute Beziehungen etwa zum KCTU (Korean Confederation of Trade Union) Regionalverband Seoul (Südkorea) und auch zu kämpferischen Gewerkschaften an der Westküste der USA (zum Beispiel IL WU – International Longshore and Warehouse Union).

Seit 2009 bestehen auch nach Deutschland, Heimat von Karl Marx und Friedrich Engels, gute Beziehungen, die wir weiter aufbauen und stärken wollen. Insbesondere mit dem klassenkämpferischen Block Berlin möchten wir uns gern befreundet sehen.

Der RSB arbeitet im klassenkämpferischen Block Berlin mit.

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