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Wiedervereinigung oder Neuanfang?

isl und RSB sind jetzt zusammen und heißen ISO

Von Angela Klein und Jakob Schäfer | 27.12.2016

Nach einem Anlauf von fast drei Jahren haben sich die internationale sozialistische linke (isl) und der Revolutionär Sozialistische Bund (RSB) am 3./4. Dezember 2016 zur Internationalen Sozialistischen Organisation (ISO) zusammengeschlossen. Die beiden Quellorganisationen hatten sich Anfang der 90er Jahre getrennt und sind erst im Zuge der Bildung der Neuen antikapitalistischen Organisation (NaO) vor fünf Jahren wieder zusammengekommen.

Mit alten Häsinnen und Hasen, etlichen neuen Gesichtern und einer Reihe interessierter Gäste von befreundeten Organisationen aus dem In- und Ausland war der Saal im Frankfurter Haus der Jugend gut gefüllt. Schon die Zusammensetzung zeigte: So ohne weiteres lässt sich die Frage „Wiedervereinigung oder Neuanfang“, die auf der Konferenz gestellt wurde, nicht beantworten. Einerseits kennen sich etliche von denen, die wieder zusammengekommen sind, seit vielen Jahren. Andererseits sind inzwischen auch viele dabei, die erst nach der „Zeitenwende“ von 89 politisch sozialisiert wurden und andere Anforderungen an eine politische Organisation stellen. Die ISO will ein Neuanfang sein, und das ist ein klares Bekenntnis dazu, in jeder Hinsicht ausgetretene Pfade zu verlassen. Am deutlichsten kommt dieses Bestreben in der Resolution zum Selbstverständnis der neuen Organisation zu Ausdruck.

Politischen Schwerpunkte

Alle Dokumente wurden mit sehr großer Mehrheit angenommen: die programmatischen Grundüberzeugungen, das Selbstverständnis, eine Politische Resolution, die umschreibt, welche Schwerpunkte die ISO in der kommenden Zeit bearbeiten will, ein Statut.

Die politischen Schwerpunkte sind klar umrissen: die Arbeit in Betrieb und Gewerkschaft, mit Schwerpunkt auf der Abwehr der Angriffe auf die Rechte der abhängig Beschäftigten und der Unterstützung der Organisierung von prekär Beschäftigten; die Mobilisierung für den Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung, insbesondere der Braunkohle, und die Propagierung eines ökosozialistischen Umbaus der Wirtschaft; die Mobilisierung gegen den Aufstieg der extremen Rechten – mit besonderem Augenmerk auf ihren Einfluss unter den Lohnabhängigen; sowie die Mobilisierung gegen die EU in der Perspektive europäischer Klassensolidarität. Zur Linkspartei steht die neue Organisation in kritischer Solidarität; die Landtagswahlen in NRW und die Bundestagswahlen im kommenden Jahr sollen genutzt werden für eine breite Kampagne gegen die AfD.

Offene Fragen

Andere Fragen sind offen geblieben, insbesondere die Verständigung über die strategischen Herausforderungen unserer Zeit. Unter der Fragestellung: „Was heißt revolutionäre Politik in nicht-revolutio­nären Zeiten?“ lagen zwei Papiere vor, die vor der Konferenz jedoch nicht ausreichend diskutiert werden konnten. Es soll nun im kommenden Jahr daran weiterdiskutiert werden mit dem Ziel, auf der nächsten ordentlichen Bundeskonferenz etwas zu verabschieden.

Nun fragen einige: Und dafür habt ihr solange gebraucht? Andere sagen: Mal sehen, ob das hält… Dazu vielleicht zwei Anmerkungen:

  • Zwanzig Jahre Trennung sind eine lange Zeit, die beiden Quellorganisationen sind in dieser Zeit sehr verschiedene Wege gegangen und haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Es war also durchaus eine „Aufwärmphase“ nötig, um wieder ein gegenseitiges Grundvertrauen zu entwickeln.
  • Die Vereinigung gehorchte keinem äußeren, durch den Klassenkampf bestimmten Druck, der eine Zusammenführung der Kräfte der antikapitalistischen und revolutionären Linken erzwingen würde – vergleichbar etwa der Gründung der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) im Zuge der Proteste gegen die Hartz-Gesetze und ihrer späteren Vereinigung mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) zur Partei Die Linke. Selbst die Vereinigte Sozialistische Partei (VSP), aus der isl und RSB hervorgegangen sind, war eine Reaktion auf das „Tauwetter“ in Moskau nach der Amtsübernahme Gorbatschows und eine frühe programmatische Antwort auf die Abkehr vom Stalinismus, die damals in allen sog. Ostblockstaaten einsetzte. Die VSP war 1986 die einzige Organisation, die diesen Schritt geschafft hat, doch sie wurde wenige Jahre später überrollt von der restaurativen Wende, die dem Aufbegehren gegen die bürokratische Diktatur, insbesondere in der DDR, ein rasches Ende setzte.

Vergleichbare Impulse von außen gibt es heute nicht, im Gegenteil, der Aufstieg der extremen Rechten setzt die Linke zusätzlich unter Druck und die Haupttendenz steht nach wie vor auf Zersplitterung. Die Vereinigung gehorchte allein der richtigen, wenn auch abstrakten Einsicht, dass die Zersplitterung der Linken überwunden werden muss, wenn sie zu wirksamem Handeln kommen will. Die programmatische Nähe beider Quellorganisationen hat die Überwindung ihrer Differenzen sehr erleichtert. Dass die neue Organisation ideologisch und praktisch Antworten zu geben vermag, die auf der Höhe der Zeit sind, das muss sie erst noch beweisen.

Die Beteiligten in Frankfurt waren finster entschlossen, diese Aufgabe zu meistern. Die neue Organisation wird sich somit ein in gewissem Maße neu erfinden müssen – darin liegt die Schwierigkeit, aber auch ihre Chance.

Vorabdruck aus Sozialistische Zeitung (SoZ), 32. Jg., Nr. 1/2017

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