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Feminismus

Immer weniger Lohn für gleiche Arbeit?

Von Ute Galkner/Thadeus Pato | 01.03.2007

„Nur allmählich gestalten Betriebe ihre Arbeitswelt so, dass Frauen gleiche Aufstiegschancen haben, nur allmählich werden Familienfreundlichkeit im Arbeitsleben, Kinderbetreuung und Pflege öffentlich wirksam unterstützt.“ So steht es auf der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu lesen. Da könnte mensch annehmen, dass langsam, aber immerhin sicher die eklatante Benachteiligung der Frauen im Beruf beseitigt wird. Die Realität allerdings sieht anders aus.

„Nur allmählich gestalten Betriebe ihre Arbeitswelt so, dass Frauen gleiche Aufstiegschancen haben, nur allmählich werden Familienfreundlichkeit im Arbeitsleben, Kinderbetreuung und Pflege öffentlich wirksam unterstützt.“ So steht es auf der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu lesen. Da könnte mensch annehmen, dass langsam, aber immerhin sicher die eklatante Benachteiligung der Frauen im Beruf beseitigt wird. Die Realität allerdings sieht anders aus.

Betrachtet man sich die Statistiken, nachzulesen u.a. auf der Website des genannten Ministeriums selbst, so ist festzustellen, dass einerseits das schulische Bildungsniveau der Frauen überall in Europa in den letzten Jahren gestiegen ist: 53 % der Studierenden in der EU der 15 Staaten sind weiblich, in Deutschland 49,5 %. Die Frauen hierzulande haben die Männer im Hinblick auf ihre Schulbildung sogar bereits überholt: Mädchen werden in Deutschland im Durchschnitt früher eingeschult, sie wiederholen seltener eine Klasse und besuchen häufiger ein Gymnasium als Jungen. Und die Mehrheit der Lehrkräfte sind Frauen. Aber da fängt es dann schon an: Aus unerfindlichen Gründen sind sie an den Schulen in der absoluten Minderheit, was die Leitungspositionen betrifft.

Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern ist in Deutschland generell immer noch immens. Und das liegt mitnichten daran, dass erstere bei der Vergabe von Führungspositionen benachteiligt werden, wie eben belegt. Der Gleichstellungsbericht weist aus, dass das Jahreseinkommen der Männer überall höher ist als das der Frauen – egal ob man nach Alter, Ausbildung oder Branche differenziert. Und die Verlautbarung der Gerwerkschaft ver.di, dass „der Aufholprozess der letzten Jahre ins Stocken geraten“ sei, ist angesichts der harten Tatsachen gelinde gesagt arg geschönt. Der durchschnittliche Unterschied zwischen den Einkommen von Frauen und Männern hat sich nach dem Gleichstellungsbericht der EU-Kommission in Deutschland nämlich zwischen 1999 und 2004 entgegen dem europäischen Trend vergrößert statt verkleinert und betrug 2004 23 %, gegenüber 19 % fünf Jahre zuvor. Und das sind Zahlen, die sich nicht etwa auf das Gesamteinkommen beziehen (denn Frauen üben nach wie vor sehr viel häufiger Teilzeitbeschäftigungen aus), sondern es handelt sich um den Unterschied bei den Stundenlöhnen. Das heißt, es ist hier nichts „ins Stocken geraten“, wie ver.di meint, oder es entstehen „allmählich […] gleiche Aufstiegschancen“, wie die eiserne Lady vom Familienministerium schwadroniert, sondern es handelt sich um das genaue Gegenteil. Besonders eklatant war übrigens der Prozess der Veränderung der Einkommensverhältnisse zugunsten der Männer in den neuen Bundesländern.
Deutschland hinten
Eine der Peinlichkeiten dabei ist, dass eines der reichsten EU-Länder, Deutschland, in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter noch weiter hinter dem Rest der EU herhinkt als im Bildungsbereich. Unter den 25 Mitgliedsstaaten liegt es, was die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen betrifft, auf dem drittletzten Platz – nur in Estland und Slowenien ist die Situation noch schlimmer. Laut EU-Kommission hat sich, wenn man die statistischen Effekte bereinigt, die Einkommenskluft in 17 von 25 EU-Mitgliedsstaaten verringert, in drei Ländern ist sie gleich geblieben. Einen Rückschritt in der Gleichstellungspolitik hatten in den Jahren bis 2006 neben Deutschland lediglich Frankreich, Belgien, Portugal und die Slowakei zu verzeichnen. So schlimm wie in Deutschland fiel der Rückschritt allerdings nur in Portugal aus, wo eine ähnlich schwere Krise auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen war. Die entsprechende vergleichende Untersuchung belegt im Einzelnen, dass fast ein Drittel dieser Einkommensunterschiede auf geschlechtsspezifische Diskriminierung zurückzuführen ist.

Die EU-Kommission verlautete im letzten Jahr, dass die europaweite durchschnittliche Differenz von 15 % im Lohnniveau zwischen Männern und Frauen „nach wie vor unannehmbar hoch“ sei. Dieser Feststellung muß widersprochen werden: Die Unterschiede sind nicht unannehmbar hoch, sondern unterschiedliche Entlohnung als solche ist unannehmbar. Die aufgegangene Schere belegt überdies, dass die Frauen hierzulande von dem Generalangriff auf Löhne und Sozialsysteme der letzten zehn Jahre in erheblich größerem Maß betroffen waren als die Männer. Und so ist für die Frauenbewegung die alte Forderung aktueller denn je: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – und den nicht „allmählich“, sondern sofort!

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