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Betrieb & Gewerkschaft

Gegenwehr gegen den XXXL-Kapitalismus!

Von H.N. | 28.04.2016

Die „Freistellung“ von 99 Kolleg­Innen des Zentrallagers des Möbelhauskonzerns XXXL (Mann-Mobilia) am 1. Februar 2016 war ein Fanal (siehe Avanti Nr. 242 vom März 2016).

Die „Freistellung“ von 99 Kolleg­Innen des Zentrallagers des Möbelhauskonzerns XXXL (Mann-Mobilia) am 1. Februar 2016 war ein Fanal (siehe Avanti Nr. 242 vom März 2016).

Die zuständige Gewerkschaft ver.di und der Betriebsrat forderten umgehend die sofortige Rücknahme der „Freistellungen“ und kündigten den Kampf für die Arbeitsplätze am Standort Mannheim an.

Seitdem hat sich in Mannheim und der Region eine starke Empörung über die Machenschaften von XXXLutz entwickelt – und eine beachtliche Solidaritätsbewegung. Am 7. März beteiligte sich eine strake Delegation der Entlassenen an der Protestkundgebung von GE-Kolleg­Innen gegen die Kahlschlagpläne des US-Konzerns General Electric.

Am 16. März zeichnete das Überbetriebliche Solidaritätskomitee mit Unterstützung von IG Metall und ver.di für das Solifest „XXXL trifft uns alle!“ verantwortlich. 350 Besucher­Innen waren von dem bunten Programm, das der Mannheimer Musiker Bernd Köhler organisiert und koordiniert hatte, begeistert.

Die gegenwärtig laufenden Verhandlungen zu einem Interessenausgleich und Sozialplan bei XXXL zwischen Betriebsrat und Management werden nach Lage der Dinge scheitern. Ein Einigungsstellenverfahren zeichnet sich ab. Ende März wird sich schließlich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Kammern Mannheim) mit dem erstinstanzlichen Skandalurteil befassen und ein Urteil fällen müssen.

XXXL ist derzeit die vorderste Frontlinie der Angriffe auf Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaften in der Region. Wenn der Lutz-Konzern erfolgreich bekämpft werden soll, muss jetzt aber die Gegenwehr noch viel stärker werden. Insbesondere die ver.di-Spitze um Frank Bsirske muss endlich aufwachen und bundesweit für Unterstützung der XXXL-Kolleg­Innen sorgen.

Vom Protest zum Widerstand?

Aufgrund der vielen Angriffe auf Arbeitsplätze sowie auf gewerkschaftliche und betriebliche Rechte in der Region hat sich im Januar 2016 nicht nur das Überbetriebliche Solidaritätskomitee Rhein-Neckar (www.solidaritaet-rhein-
neckar.de) gebildet. Es hat sich in Mannheim und Umgebung eine erfreuliche Dynamik der gegenseitigen Unterstützung über Betriebs-, Branchen-, Gewerkschafts- und Ländergrenzen hinweg entwickelt.

Angesichts der Schärfe der Attacken seitens der Konzerne können die bisherigen ­Protestaktionen jedoch nur ein Anfang sein. Ihr Umfang, ihre Vernetzung, ihre Wirkung auf die Gegenseite(n) und die Öffentlichkeit muss unbedingt verstärkt werden. Zudem bedarf es für die gemeinsame Gegenwehr politischer Antworten und politisierender Kampfformen. Diese müssen zwar an den konkreten Auseinandersetzungen anknüpfen, aber gleichzeitig verallgemeinerbar und mobilisierungsfähig sein.

Aufruf des Solidaritätskomitees

Der Aufruf des Überbetrieblichen Solidaritätskomitees „Ohne Arbeit stirbt die Stadt, ohne Arbeit stirbt die Region“ gibt in diesem Sinne einige wichtige Impulse. Dort werden unter anderem „eine betriebs­übergreifende Gegenwehr und ein allgemeiner gewerkschaftlicher Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung” gefordert. An die Gewerkschaften wird appelliert: „Setzt unsere gewerkschaftliche Kraft für die gemeinsame Verteidigung unserer Rechte ein!”

Ferner werden die „von Entlassungen oder Werksschließungen bedrohten Belegschaften und     unsere Gewerkschaften” dazu aufgerufen, „den Widerstand über alle Grenzen hinweg” zu     koordi­nieren.

Und zu guter Letzt wird unter Bezug auf das Grundgesetz (Artikel 14 GG) an die tabuisierte Frage des Eigentums an den Produktionsmitteln erinnert: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist … zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.”

Die daraus abgeleitete Forderung nach einem „Verbot von Entlassungen!” wurde übrigens bereits 2005 von Betriebsrat und IGM-Vertrauenskörperleitung bei ALSTOM erhoben.

Entscheidend wird jedoch vor allem die Antwort auf folgende Fragen sein: Gelingt es, vom Protest zum Widerstand zu kommen? Und kann der „Widerstand gegen Arbeitsplatzabbau – ob bei General Electric oder anderswo” so wirkungsvoll gestaltet werden, dass aus den Forderungen politische Durchsetzungsmacht wird?

Der Lutz-Konzern
Die zwei Besitzer Richard und Andreas Seifert lassen ihren Konzern (XXXLutz, Mörmax, Neubert, Mann Mobilia, ­Hiendl usw.) seit 2009 über zwei Stiftungen und eine Komplementärgesellschaft (XXXLutz Verwaltungs GmbH) in Wels (Österreich) verwalten. Jahresumsatz 2014/15 (20 000 Beschäftigte): 3,44 Mrd. € (= +19 %).

Wie kein anderes Unternehmen nutzen die Seiferts erfolgreich das Konzept der Ausgliederung in formal eigenständige Unternehmen, die aber selbst mittelos sind. So gelingt es den Eignern, den Konzern in 400 Einzelgesellschaften aufzugliedern, die offiziell nichts miteinander zu tun haben, obwohl Richard Seifert Geschäftsführer in 20 Gesellschaften ist und Andreas Seifert in 36 Gesellschaften. An diese Gesellschaften sind jeweils fünf oder acht (oder noch mehr) formal unabhängige Servicebetriebe gebunden, die zu hundert Prozent von dieser Einzelgesellschaft abhängig sind. So kann jeder „Servicebetrieb“ ganz problemlos „abgewickelt“ werden, ohne dass Sozialpläne erstellt werden müssen. Kapital ist ja offiziell nicht vorhanden und eine Durchgriffshaftung ist nach bürgerlichem Recht nicht durchsetzbar. Das Privatvermögen der beiden Seiferts wurde um Jahr 2009 auf 650 Mio. Euro geschätzt.

Betriebsräte gibt es fast nirgends (sie werden rausgemobbt) und Tarifverträge sowieso nicht. Das mittlere Management arbeitet 48 Stunden, die einfachen Beschäftigten 42,5 Stunden, bei geringen oder gar keinen Überstundenzuschlägen, kaum Weihnachtsgeld, geringen Urlaubsansprüchen usw. Das ist laut ver.di ein Kostenvorteil gegenüber tarifgebundenen Betrieben von ca. 30 %. Allein in den Hiendl-Betrieben hat ver.di 2008/09 über 1000 Arbeitszeitverstöße registriert.

Jakob Schäfer

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