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Ökologie

Fukushima ein Jahr danach: Grüne Partei gegründet

Von Klaus Engert | 14.09.2012

Wovon lebt die Nuklearindustrie? Vom Stromverkauf. Aber daneben und vor allem von dem durch eine geschickte jahrzehntelange Werbestrategie erzeugten, fast schon religiös anmutenden Glauben daran, dass im Gegensatz zu sonstigen Großtechnologien, bei denen Pannen an der Tagesordnung sind, diese Technik sicher, sauber und vor allem billig sei.

Wovon lebt die Nuklearindustrie? Vom Stromverkauf. Aber daneben und vor allem von dem durch eine geschickte jahrzehntelange Werbestrategie erzeugten, fast schon religiös anmutenden Glauben daran, dass im Gegensatz zu sonstigen Großtechnologien, bei denen Pannen an der Tagesordnung sind, diese Technik sicher, sauber und vor allem billig sei.

Wenn es zu einer Katastrophe kommt – wie in Tschernobyl -, dann war es die „östliche Technik”. Seit Fukushima ist es damit vorbei, sollte man meinen. Aber schon wird wieder fleißig Nebel geworfen, um für die Atomindustrie zu retten, was zu retten ist.

Täuschen und tarnen

Die von der japanischen Regierung eingesetzte Untersuchungskommission kam zu einem ebenso eindeutigen wie angesichts der schon bekannten Fakten wenig überraschenden Ergebnis: TEPCO, der inzwischen wegen Bankrott von der japanischen Regierung übernommene Betreiberkonzern, hat die Ermittlungen nach der Reaktorkatastrophe behindert. Er versuchte, das wahre Ausmaß der Schäden zu vertuschen und wurde dabei von der Regierung unterstützt, die die Schwere des Unglücks ebenfalls herunterspielte und die Öffentlichkeit völlig unzureichend informierte.

Die Veröffentlichungen der Untersuchungsergebnisse, bedeuten, knapp gesagt, schlicht, dass Regierung und Betreiber in der Art einer kriminellen Vereinigung agierten, und dies auch noch in so inkompetenter und plumper Weise, dass es schlicht nichts mehr zu beschönigen gab.

Sollte man zumindest meinen. Aber die UNO probiert es trotzdem mit Schönreden. Die Presse vermeldete stolz:

„Der Atomunfall von Fukushima wird bei Menschen kaum gesundheitliche Schäden verursachen – zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien der Vereinten Nationen. Auch die Arbeiter, die an vorderster Front gegen die Katastrophe kämpften, seien bisher nicht erkrankt.”

Davon, dass einige wegen der Arbeitsbedingungen an Erschöpfung gestorben sind, dass ein großer Teil unter Obdachlosen in Tokio rekrutiert wurde und dass diese Menschen noch nicht einmal mit Dosimetern ausgestattet wurden, liest man in den Studien nichts, schlicht deswegen, weil diese Menschen nicht mehr greifbar sind. Davon, dass kürzlich herauskam, dass Dosimeter manipuliert wurden, ganz zu schweigen.

Und was die Allgemeinbevölkerung betrifft, so wäre das nicht die erste Studie, die bald korrigiert werden muss. In der Geschichte der Nukleartechnologie wurden jedenfalls die Grenzwerte mit fortschreitendem „Erkenntnisgewinn” immer weiter abgesenkt – weil es im Prinzip keine unschädliche Strahlendosis gibt.

Die Realität …

… ist, dass die Lepidopterologen, die Schmetterlingskundler, ein interessantes neues Forschungsgebiet haben: Laut einer AFP-Meldung haben Forscher auffällige, vererbliche Missbildungen bei Schmetterlingen in der Region um Fukushima gefunden, die nicht in den Folgegenerationen verschwanden, sondern zahlenmäßig zunahmen.

Zahlenmäßig explosionsartig zugenommen haben aber auch die Atomkraftgegner in Japan. Der Meinungsumschwung in einer Gesellschaft, in der die letzten Jahrzehnte die Atomkraft praktisch unumstritten war, ist in der japanischen Geschichte ohne Beispiel: In den Umfragen gibt es inzwischen eine Mehrheit gegen die Atomkraft, und statt der früher wenige Hundert zählenden Schar von DemonstrantInnen gehen heute landesweit Hunderttausende auf die Straße.

Aber man darf sich nicht täuschen. Das ist kein Votum gegen das System, das diese Technologie hervorgebracht hat. Es ist der Beginn eines Bewusstseinsprozesses, der aber in Teilen durchaus zu Radikalisierungsprozessen führt, an denen die japanische Linke ihren Anteil hat.

Aber es ist auch nicht verwunderlich, dass sich aus dieser Bewegung erstmals in Japan eine Grüne Partei gegründet hat, die Aussicht hat, in das Parlament einzuziehen.

Midori no Tō  (Grüne Partei) wurde zwar erst im Juli 2012 formiert, geht aber auf eine 2008 geschaffene Organisation (Midori no Mira – Grüne Zukunft) zurück. Zum Zweck der Wahlteilnahme wurde Letztere aufgelöst und eine neue Partei gegründet. Die ist, wie ihre Vorgängerin, international mit den rechtsgrünen Parteien wie den deutschen Grünen verbunden, so war die deutsche Bärbel Höhn Gast auf der Gründungsversammlung.

Die japanische gewerkschaftliche und radikale Linke arbeitet innerhalb der Anti-Atombewegung, aber gleichzeitig auch in den von dem Tsunami verwüsteten Gebieten, die aus dem Blickfeld zu geraten drohen, in der konkreten Solidarität. An der Gründung der Grünen Partei hat sie sich nicht beteiligt. Zu Recht: Betrachtet man sich das Programm der japanischen Grünen, so ist eines auffällig: das fast vollständige Fehlen sozialer Forderungen.

Das ist auch nicht unlogisch: Ein Teil der ursprünglichen Gründer stammt aus einer „ökologischen” Abspaltung von der LDP, der Atompartei, die in Japan von 1955 bis 2009 bis auf zwei Jahre ununterbrochen regierte.

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