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Innenpolitik

Flüchtlingspolitik im Schlepptau von Pegida

Von Heinz Jandl | 28.12.2015

Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD hat sich beim Spitzengespräch am 5. November auf eine weitere massive Beschneidung des Asylrechts verständigt. Das bedeutet für eine große Gruppe von Flüchtlingen die Abschaffung des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf Asyl.

Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD hat sich beim Spitzengespräch am 5. November auf eine weitere massive Beschneidung des Asylrechts verständigt. Das bedeutet für eine große Gruppe von Flüchtlingen die Abschaffung des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf Asyl.

Mit den neuen Maßnahmen werden auch der Familiennachzug und die den Asylsuchenden zustehenden Sozialleistungen stark eingeschränkt.

Vor dem Treffen der Parteivorsitzenden Merkel, Gabriel und Seehofer hatte es eine tagelange taktische Inszenierung zu den Lagern gegeben: Sollten „Transitzonen“ oder „Aufnahmeeinrichtungen“, direkt an der Grenze oder über das ganze Bundesgebiet verstreut errichtet werden? Mit markigen Worten hatte besonders die SPD die von Horst Seehofer geforderten „Transitzonen“ als „Haftlager“ und „massenhafte Internierungslager“ bezeichnet. In der Zielsetzung jedoch gab es keine Differenzen. Sowohl SPD als auch CDU/CSU setzen alles daran, den weiteren Zuzug von Flüchtlingen zu verhindern. Jetzt bahnt sich eine Verständigung zu den von allen Regierungsbeteiligten angestrebten „Kontingenten“ an.

Die Elemente der Einigung enthalten bis auf die Transitzonen sämtliche Schäbigkeiten, auf die sich die Spitzen von CDU und CSU bereits ein Wochenende zuvor verständigt hatten. Gegen die Einrichtung von „Transitzonen“ hatten vor allem verfassungsrechtliche Bedenken gesprochen. Die jetzt vereinbarten Registrierzentren werden weitgehend denselben Zweck erfüllen: Flüchtlinge ihrer Bewegungsfreiheit zu berauben, sie von einem regulären Asylverfahren auszuschließen und sie schnellstmöglich wieder per Abschiebung los zu werden.

Geplant sind insgesamt drei bis fünf Registrierzentren, wobei die ersten beiden im bayerischen Bamberg und Manching entstehen sollen. Dort werden die bereits jetzt bestehenden Sonderlager für Flüchtlinge aus den Balkanstaaten umgewidmet.

In den Registrierzentren werden Flüchtlinge aus den sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ des Westbalkans (Serbien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Kosovo, Montenegro und Mazedonien) untergebracht, sowie Asylsuchende, die einer Wiedereinreisesperre unterliegen oder einen Folgeantrag auf Asyl stellen, nachdem ein erstes Gesuch von deutschen Behörden abgelehnt wurde.

Auf diese Weise werden Flüchtlinge nach ethnischen und willkürlichen bürokratischen Kriterien selektiert. Wer durch das Raster fällt und in den Registrierzentren verbleiben muss, dem wird das Durchlaufen eines regulären Asylverfahrens verweigert. Analog zum Flughafenverfahren gibt es ein Schnellverfahren mit dem Ziel, das Asylgesuch abzulehnen und den Antragsteller abzuschieben.

Innerhalb von sieben Tagen soll ein Asylgesuch anhand von vorgefertigten Textbausteinen abgelehnt werden. Anschließende Rechtsverfahren nach Einsprüchen gegen den Entscheid sollen bereits nach zwei weiteren Wochen vollständig abgearbeitet sein, sodass nach drei Wochen die Abschiebung vollzogen werden kann. Zugang zu Rechtsberatung und Rechtshilfe erhalten die Flüchtlinge, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt. Das ganze Asylverfahren wird zur reinen Farce, da das Ergebnis, die Deportation, von vornherein feststeht. Um die betroffenen Flüchtlinge dennoch an der Flucht aus den Registrierzentren zu hindern, bekommen sie die ihnen zustehenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur, wenn sie sich in den Lagern registrieren und aufhalten. Ihre Bewegungsfreiheit wird durch eine verschärfte Residenzpflicht drastisch eingeschränkt. Sie dürfen den Landkreis oder die Stadt nicht verlassen, auch nicht, um Verwandte und Freunde zu treffen oder außerhalb liegende Hilfsadressen aufzusuchen. Verstöße dagegen ziehen harsche Sanktionen nach sich.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz der drei Parteivorsitzenden betonte Sigmar Gabriel, es habe, was das Ziel der Reduzierung der Flüchtlinge und der kompromisslosen, schnellen Abschiebung abgelehnter Asylsuchender angeht, „nie eine Differenz gegeben“.

Die Bundesregierung plant ferner, das Bundeswehrmandat in Afghanistan zu verlängern, um dort „innerstaatliche Schutzzonen“ zu schaffen. Diese sollen dann als Vorwand dienen, afghanische Flüchtlinge in das Bürgerkriegsland zurückzuschicken. Keine Differenzen gab es auch bezüglich der Zusammenarbeit mit dem diktatorischen Regime Erdogans. In vorauseilendem Gehorsam verbot die Regierung der Bundesrepublik der weltbekannten türkischen Musikgruppe „Grup Yorum“ die Einreise zu einem Antirassismusfestival in Oberhausen.

Welche menschenverachtende Rhetorik im Regierungslager mittlerweile herrscht, demonstrierte der Auftritt von Ex-Bundesinnenminister Friedrich (CSU) in der ARD-Talkshow Anne Will. Friedrich lobte den Hochsicherheitszaun rund um die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla in Nordafrika als Vorbild für die gesamte EU-Außengrenze. Dabei verlor er kein Wort über die vielen Verletzten und mittlerweile etlichen Toten an den dreifach mit messerscharfem NATO-Draht bewehrten Zaunanlagen und die dort „hoch motiviert“ tätigen Schlägertrupps der Guardia Civil. Der neben ihm sitzende Thomas Oppermann (SPD) hatte keine Einwände.

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