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Ökologie

„Ethik-Kommission für sichere Energie-Versorgung“

Von B.B. | 01.05.2011

Während laut ZDF-Politbarometer 60 Prozent der Bevölkerung den Atomausstieg so schnell wie möglich wollen, versucht die Bundesregierung vom Atomprogramm zu retten, was zu retten ist. Das dreimonatige Moratorium soll Energiekonzernen und Bundesregierung eine Atempause verschaffen. „Ältere“ Atomkraftwerke sollen abgeschaltet werden, die angeblich „modernen“ Reaktoren weiter am Netz bleiben. Diese strahlende Botschaft der Bevölkerung plausibel zu machen, ist Aufgabe der „Ethik-Kommission für sichere Energie-Versorgung“.

Während laut ZDF-Politbarometer 60 Prozent der Bevölkerung den Atomausstieg so schnell wie möglich wollen, versucht die Bundesregierung vom Atomprogramm zu retten, was zu retten ist. Das dreimonatige Moratorium soll Energiekonzernen und Bundesregierung eine Atempause verschaffen. „Ältere“ Atomkraftwerke sollen abgeschaltet werden, die angeblich „modernen“ Reaktoren weiter am Netz bleiben. Diese strahlende Botschaft der Bevölkerung plausibel zu machen, ist Aufgabe der „Ethik-Kommission für sichere Energie-Versorgung“.

Im von Kanzlerin Merkel handverlesenen Kreis sitzt, welch Zufall, niemand von einer Umweltorganisation. So müssen die bürgerlichen Medien die „Expert­­Innen für Ethik“ zu Kämpfer­­Innen gegen die Nutzung der Atomkraft stilisieren. Dabei beziehen sie mit großer Mehrheit Position für die Nutzung der Atomkraft – nur die Argumentation unterscheidet sich.
Nur keinen Schnellausstieg!
Nach dem Kommissionsvorsitzenden Klaus Töpfer „kann man nicht überstürzt aus der Atomkraft aussteigen“. „Es reicht nicht zu sagen: Wir schalten ab“.

Walter Hirche (FDP), ebenfalls Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung und ehemaliger Landeswirtschaftsminister, antwortete kürzlich bei einer Veranstaltung auf die Frage, warum die FDP nun auch einen Ausstieg aus der Atomkraft wolle? Er könne den Kurswechsel von Generalsekretär Christian Lindner nicht ganz nachvollziehen: „Wir müssen das Moratorium abwarten. Anhand der neuen Prüfkriterien wird sich zeigen, was mit den älteren Meilern passieren wird. Schnellschüsse helfen aber nicht“. Es gehe auch nicht darum, die Energiequelle Atom zu vergöttern oder zu verteufeln.

Alois Glück (CSU), Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) findet, dass Energiepolitik einen langen Atem braucht. Eine große Mehrheit für den Ausstieg zu haben, sei das eine. Eine einfache, problemlose Lösung gebe es nicht.
Warten auf Frankreich!
Prof. Matthias Kleiner, Mit-Vorsitzender der Ethikkommission und Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, warnt: „Es wäre nichts gewonnen, wenn wir zwar unsere Atomkraftwerke schneller abschalten, aber dafür Atomstrom aus dem Ausland importieren“.
Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ulrich Fischer, bezeichnete einen Sofortausstieg als „scheinheilige Position“, da dann nur mehr Atomstrom aus dem Ausland importiert werden würde.

Volker Hauff (SPD), Exbundesminister für Forschung und Technologie und ehemaliger Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung schrieb 2008 zusammen mit Klaus Töpfer:
„Je vehementer der Atomausstieg verteidigt wird, desto lauter wird verschwiegen, dass er längst ausgehöhlt ist. Denn der Ausstiegsbeschluss stammt aus einer Welt, die es heute nicht mehr gibt. Damals waren die Energiemärkte noch halbwegs national abgeschlossen. […] Das bedeutet, dass der Atomausstieg eine europäische Dimension bekommen muss, um eine Zukunft zu haben. Von ihr sind wir jedoch meilenweit entfernt“.

Ortwin Renn, Risikoforscher, Soziologieprofessor und Vorsitzender des Nachhaltigkeitsbeirats von Baden-Württemberg, möchte nicht den Vorreiter machen: „Wenn wir unsere Kernkraftwerke abschalten und stattdessen Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien importieren, dann wäre das wirklich Augenwischerei, dann belügen wir uns selbst“.
Schon immer für Atomstrom!
Klaus von Dohnanyi (SPD), früherer Bundesbildungsminister, gilt als Befürworter der Kernkraft. „Das schwarz-gelbe Moratorium sei kein Wahlkampftrick, sondern eine kluge Einsicht“. Er möchte nur die Laufzeitverlängerung zurücknehmen.

Reinhard Hüttl ist der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Geo-ForschungsZentrums Potsdam und Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Die acatech plädierte 2009 gemeinsam mit der Akademie Leopoldina, deren Präsident Jörg Hacker ist, dafür, „die Erforschung der Kernenergie nicht aufzugeben, um die bestehenden Kraftwerke hierzulande bestmöglich betreiben zu können“.
Der frühere Vorstandsvorsitzende der BASF, Jürgen Hambrecht, unterzeichnete 2010 vor der Laufzeitverlängerung mit anderen Industriebossen den sog. „Energiepolitischen Appell“, im dem Kernenergie und Kohle als unverzichtbar angesehen werden.
Kernenergie als „Brückentechnologie“
Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising meint: „Wir brauchen neue und schnellere Ausstiegsszenarien. Die Phase, in der die Kernenergie noch als Brückentechnologie dient, sollte so kurz wie möglich sein“.

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie ist ebenfalls Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung. Die Position der IGBCE vom 7.9.2010 lautet: „Solange die Kern­energie als Brücke zu einer klimaverträglichen Kohleverstromung benötigt wird, ist eine kurzfristige Laufzeit-Verlängerung offensichtlich nicht zu vermeiden“. Die Medien berichteten, dass Vassiliadis den Energiepolitischen Appell der Industriellen zur Laufzeitverlängerung mit unterschrieben hatte, was die IGBCE anschließend dementieren musste.
Das Ergebnis, zu dem die Ethik-Kommission kommen wird, steht jetzt schon fest: Ein paar „ältere“ AKW stilllegen, um die „neuen“ Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen!
Abschalten und verstaatlichen
Nur ein, vielleicht zwei Mitglieder der Ethik-Kommission befürworten den sofortigen Atomausstieg, darunter Soziologieprofessor Ulrich Beck. Auf die Frage, ob nach Fukushima „riskante Technologien jetzt verstaatlicht werden“ müssen, antwortete Beck:
„Ich halte dies für überlegenswert. Wer kontrolliert die Kontrolleure? Die Verfilzung zwischen der Kernindustrie, den Aufsichtsbehörden und der Politik ist augenfällig. Das gilt für fast alle Länder: Die Aufsicht ist eng mit der industriellen Produktion verzahnt“ (TAZ 1.4.2011).
Welche Alternative?
Becks Ansatz geht in die richtige Richtung. Der Energiesektor muss vergesellschaftet werden. Aber eine bloße Verstaatlichung unter kapitalistischem Vorzeichen würde bed
euten, dass die herrschende Klasse weiterhin den Energiesektor kontrolliert. Wie eine solch staatliche „Kontrolle“ aussieht, führt uns die japanische Regierung jeden Tag vor. Vergesellschaftung im revolutionären Sinne bedeutet dagegen entschädigungslose Enteignung der Energiekonzerne und ihrer Inbesitznahme durch die Lohnabhängigen – als Arbeiter­­Innen und Angestellte sowie als Stromverbraucher­­Innen.

Weder „Ethik-Kommission“ noch parlamentarische Mehrheiten aus SPD-Grünen und Linkspartei werden das Atom-Programm kippen. Das schaffen allein Massenproteste einer unabhängigen Anti-Atom-Bewegung mit Demonstrationen, Mahnwachen, Blockaden, Streiks, Anti-Atom-Initiativen an jedem Ort, regionaler und bundesweiter Vernetzung.

  • Sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke weltweit!
  • Ersetzung von Kohle und Atomkraft durch regenerative Energien!
  • Energie sparen, z. B. durch Eisenbahn statt Autowahn!
  • Enteignung und Inbesitznahme der Energiekonzerne durch die Lohnabhängigen!
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