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Erklärung zur Solidarität mit den Frauen im revolutionären Prozess in der arabischen Region

28.02.2012

1. Die Bewegungen, die die Regimes von Ben Ali und Mubarak weggefegt und die das Ende der Diktatur von Ghaddafi in Libyen erlebt haben, die seit fast einem Jahr Assad in Syrien herausfordern und die die gesamte arabische Region erfasst haben, sind Teil eines Prozesses, der eine wirklich tiefgreifende Veränderung in der Region markiert. Sie zeigen das starke Streben dieser Bevölkerungen nach Würde, Demokratie und wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit.

2. Es ist daher ganz folgerichtig, dass die Frauen, die besonders unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu leiden haben und deren Rechte in mehreren Ländern besonders stark eingeschränkt sind, sich an diesen Bewegungen beteiligen, dort politisch aktiv sind und sie in manchen Fällen anführen. In einer Reihe von Ländern sind Frauen als Sprecherinnen der Bewegungen hervorgetreten – in Tunesien, Ägypten oder im Jemen.

3. Von Anfang an nehmen die Frauen an diesen Bewegungen auf eine Weise teil, die ihnen in ihren Gesellschaften angemessen erschien und die sich mit der Entwicklung der Bewegung weiterentwickelt hat. Mehrmals hat die Stärke dieser Bewegungen die traditionellen Barrieren zwischen Männern und Frauen überwinden können, wie es etwa hervorgehoben wurde in Bezug auf den Tahrir-Platz und die Gleichheit sowie die Freiheit von sexuellen Belästigungen während der großen Mobilisierungen, die zum Sturz von Mubarak geführt haben.

4. Aufgrund des traditionellen Platzes der Frauen in sämtlichen patriarchalischen Klassengesellschaften gibt es eine Tendenz zum Ausschluss der Frauen aus politischen Bewegungen – insbesondere nach dem Ende der ersten Phase von Massenmobilisierungen. Dieser Ausschluss nimmt vor dem Hintergrund, dass in sämtlichen Religionen fundamentalistische Strömungen die Offensive ergreifen, durch den Rückgriff auf traditionelle religiöse Ideologie und in allen Ländern, in denen vor kurzem islamistische Strömungen die Wahlen gewonnen haben, besondere Formen an.

5. In den Ländern, in denen Volksbewegungen autoritäre und korrupte Regimes gestürzt haben, gewinnen Parteien, die sich als islamistisch verstehen, aus verschiedenen Gründen einen Massenanhang: weil sie als eine neue Kraft ohne Verbindungen zum alten Regime und mit scharfer Kritik an der Korruption und als Opfer des alten Regimes und im Widerstand gegen dieses erscheinen; in der Tat können die religiösen Überzeugungen Widerstand fördern. Zugleich fehlt es real an einer linken fortschrittlichen Alternative, vor allem aufgrund der Zerschlagung dieser Parteien durch die Repression der alten Regimes.

6. Aufgrund ihrer Beteiligung an der Gesamtbewegungen leisten die Frauen, ob sie gläubig sind oder nicht, Widerstand gegen die Aggressionen, bei denen die Frauen zur Zielscheibe werden und die von religiösen Kräften beeinflusst werden, wie bei der Überprüfung der Jungfräulichkeit in Ägypten. Die Proteste gegen die sexistischen Aggressionen gegen die Frauen seitens der Repressionskräfte haben in Ägypten eine bedeutsame Mobilisierung und einen Frauenmarsch ausgelöst.

7. In bestimmten Ländern der Region, darunter Tunesien und Ägypten, gibt es seit längerem spezifisch feministische Strömungen. Jetzt müssen sie die Herausforderung aufgreifen und starke und organische Verbindungen mit den Frauen, vor allem den jungen, herstellen, die im Vordergrund der Gesamtbewegung stehen und die jetzt gegen die frauenfeindlichen Aggressionen Widerstand leisten.

8. Unsere Aufgabe ist es, uns an dem Aufbau der Solidarität mit und der Herstellung von Verbindungen zu den Frauen zu beteiligen, die gegen die frauenfeindlichen Aggressionen Widerstand leisten, wie auch zu den neuen oder bereits länger bestehenden feministischen Strömungen sowie zu den Frauen, die in spezifischen Bereichen wie der Gewerkschaftsbewegung aktiv sind, und zwar über die geeigneten Bewegungen und Strukturen in unseren Ländern.

9. Indem wir Kenntnisse über die Existenz und die Aktivitäten dieser Frauengruppen und -Bewegungen verbreiten, tragen wir dazu bei, dass ihre Stimme stärker wird, auch in ihrem eigenen Land, und zeigen wir auf, dass der revolutionäre Prozess, der in der arabischen Region im Gang ist, trotz der vorhandenen Widersprüche in der Tat eine emanzipatorische Bewegung ist. Dieser Prozess darf nicht durch das reaktionäre Benutzen der Religion umgeleitet werden. Die Solidarität mit den Frauen der Region und das Eintreten für ihre Rechte, vor allem durch die Feministinnen anderer Länder, sind hierfür sehr wichtig.

10. Wir bringen unsere Solidarität mit den und unsere Unterstützung für die Frauen zum Ausdruck, die Opfer von physischer Repression, Gewalt und Folter sind, unter denen so viele Frauen zu leiden haben und dabei umgekommen sind, zur Zeit besonders in Syrien. Wir erklären unsere Solidarität mit den Frauen in dem revolutionären Prozess, der Kampf gegen die Frauenunterdrückung ist uns gemeinsam.

Angenommen vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale am 28. Februar 2012

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