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Klimawandel und Umweltzerstörung: Zwangsläufige Folge des Kapitalismus

Einleitung zum IT-Heft: Klimawandel und Umweltzerstörung

Von Daniel Berger | 22.01.2008

In der Vergangenheit wurde von verschiedenen UmweltaktivistInnen den MarxistInnen hin und wieder Blindheit in Sachen Ökologie vorgeworfen. Was über lange Zeit für große Teile der ArbeiterInnenbewegung galt, trifft für die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus nur sehr eingeschränkt zu. Marx und Engels waren sich über die verheerenden Folgen des kapitalistischen Raubbaus an Natur und Mensch sehr wohl im Klaren, auch wenn sie diesem Thema keine langen Ausführungen widmeten.

Ihre grundsätzlichen Aussagen in diesen Fragen entsprechen ihrem sonstigen ganzheitlichen Herangehen und lassen an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Nehmen wir nur eine Passage aus der Deutschen Ideologie: „In der Entwicklung der Produktivkräfte tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte und Verkehrsmittel hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissen nur Unheil anrichten, welche keine Produktionsmittel mehr sind, sondern Destruktionskräfte (Maschinerie und Geld)…“1

Aber auch die Vierte Internationale ist nicht erst seit gestern mit ökologischen Fragen befasst. So schrieb etwa Ernest Mandel, langjähriges Führungsmitglied der IV. Internationale:  „Durch die Beseitigung dieser drei schrecklichen Anachronismen – des Privateigentums an den Produktionsmitteln, der Warenwirtschaft und des Nationalstaats – schafft man den Rahmen, in dem der Kampf für die Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts mit wirklichen Erfolgschancen zumindest möglich wird (die „Optimisten in Sachen Technologie“ meinen, dass in diesem Fall der Erfolg bereits sicher sei; wir sollten vorsichtiger sein, sollten uns dessen, was auf dem Spiel steht, sowie der Notwendigkeit, fortwährend einen klaren Kopf zu bewahren und zu kämpfen, bewusst sein).“2

Die einschlägige Resolution, die die IV. Internationale auf ihrem XV. Weltkongress (2003) annahm, schloss allerdings eine längst überfällige Lücke, wir bringen den Text in diesem Heft zum ersten Mal auf Deutsch. Die beiden ersten Artikel sind Originalbeiträge für dieses Heft IV der Reihe „Warum wir den Sozialismus wollen.“ Im Unterschied zu den ersten beiden Heften haben wir in Heft III (zur Frauenbefreiung) und mit dieser Nummer jeweils einen Schwerpunkt herausgegriffen, unter dem wir beleuchten, warum wir die herrschende Gesellschaftsordnung ablehnen.  Mit einem solchen Schwerpunktthema sind bei weitem nicht die Gründe erschöpft, die uns dazu motivieren, für den Sozialismus zu streiten. In der Einleitung zum ersten Heft schrieben wir deswegen:

„Aus der langen Liste möglicher weiterer Themen seien stellvertretend nur ein paar genannt:

  • Das Bildungssystem, das im Kapitalismus grundsätzlich auf die Verwertbarkeit der Ware Arbeitskraft abzielt (s. Lehrstellenmangel, Ergebnisse der Pisa-Studien etc.) und nicht auf eine möglichst umfassende Bildung und Entfaltung der Persönlichkeit…

  • In der kapitalbeherrschten Medienindustrie ist Information grundsätzlich den Interessen der Kapitalverwertung (im besonderen Maße der Werbeindustrie) und dem Erhalt des bürgerlichen (also ausbeuterischen) Gesellschaftssystems untergeordnet. Betroffene kommen nur in Alibiveranstaltungen zu Wort…

  • Die Unterdrückung der Kinder, der Behinderten und der Pflegebedürftigen, die oft in so grausamer Weise die fehlende Menschlichkeit zu spüren bekommen, ist in den Medien fast nie und in der herrschenden Politik nie ein Thema.

  • In dem Mordsgeschäft mit den Kranken gehen in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung die Profitinteressen vor allem von Pharmaindustrie, des medizinisch-industriellen Komplexes, der Versicherungen und anderer „Anbieter“ im Gesundheitssektor vor den Interessen der Kranken und Versicherten. Allein die ständige Diskussion um eine Senkung der Versicherungsbeiträge dient einzig und allein der Kostenentlastung für das Kapital. Die Kosten haben wir dann über erhöhte Zuzahlungen oder Leistungskürzungen zu tragen.

  • Die Drogenpolitik ist allgemein von einer heuchlerischen Haltung gegenüber den Abhängigen und einer Verharmlosung der „legalen“ Drogen gekennzeichnet.

  • Die Kulturpolitik wird generell von einem elitären Standpunkt aus gesteuert, so dass vergleichsweise Unsummen in „anerkannte“ Kunstformen fließen, die Masse der Bevölkerung aber von einer eigenen kulturellen Beteiligung oder auch nur Teilhabe ferngehalten wird.

  • Auch der Sport ist heute eine gewaltige Kapitalverwertungsmaschinerie, so dass für die Förderung des Breitensports nur Alibigrößenordnungen übrig bleiben.

  • Als letztes Beispiel sei die Rüstungsindustrie genannt. Sie tötet bekanntlich nicht erst im Krieg. Am mörderischsten allerdings ist die Kriegspolitik, an der auch der bundesdeutsche Imperialismus sich zunehmend beteiligt. Dass die EU-Verfassung als einzige Verfassung überhaupt, die Aufrüstung als eines ihrer Staatsziele angibt, sagt mehr aus als alle heuchlerischen Sermone über den Kampf gegen den Terrorismus.“

In den Heften I und II setzten wir uns bereits mit einigen Themen auseinander: mit der Alternative einer bedürfnisorientierten Ökonomie, mit der Autogesellschaft, dem Sport im Kapitalismus, den Grundrissen einer alternativen Gesundheitspolitik, mit der Sozialistischen Demokratie, der Frau im Sozialismus usw. Die geneigten LeserInnen laden wir ein, sich auch diese Hefte zu besorgen.

Fussnoten
1    Karl Marx/Friedrich Engels: Die Deutsche Ideologie, MEW, 3, S. 69.  Bekannter ist eine Passage aus dem ersten Band des Kapitals, die in der Resolution der IV. Internationale zitiert wird. Siehe den Beitrag in diesem Heft.

2    Ernest Mandel, „Marx, Engels und die Ökologie“, deutsche (erweiterte) Fassung des Beitrags „La dialectique de la croissance. A propos du Rapport Mansholt“ („mai“, Bruxelles Nov./Déc. 1972, S. 7-14) abgedruckt in Ernest Mandel: „Karl Marx – Die Aktualität seines Werkes“, Frankfurt (isp) 1984, S. 171 ff, hier S. 186

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