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Ökologie

Die Renaissance des Öls – Obamas Energie- und Klimapolitik

Von Herbert West | 11.01.2013

Von 1962 bis 2011 stieg der Ölverbrauch in den USA um 51%. Gleichzeitig fiel die geförderte Ölmenge um 18%. Deshalb mussten 2011 über 470 Mio. Tonnen Öl – im Wert von 310 Mrd. $ – importiert werden. Es wäre also an der Zeit, den Ausbau erneuerbarer Energien zu forcieren und auf nachhaltige und klimaneutrale Energiequellen zu setzen. Doch Obama hat einen anderen Pfeil im Köcher – einen vergifteten

Von 1962 bis 2011 stieg der Ölverbrauch in den USA um 51%. Gleichzeitig fiel die geförderte Ölmenge um 18%. Deshalb mussten 2011 über 470 Mio. Tonnen Öl – im Wert von 310 Mrd. $ – importiert werden. Es wäre also an der Zeit, den Ausbau erneuerbarer Energien zu forcieren und auf nachhaltige und klimaneutrale Energiequellen zu setzen. Doch Obama hat einen anderen Pfeil im Köcher – einen vergifteten.

Im Boden der USA liegen große Ölvorkommen, so groß, dass die USA mehr Öl fördern könnten als Kuweit, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Katar zusammen. Mehr als die Hälfte aller US – Bundesstaaten liegen auf ölführenden Schichten. Allerdings handelt es sich dabei nicht um konventionelle Lagerstätten, die nur angebohrt werden müssten – diese Lager sind in den USA schon weitgehend erschöpft.

Vielmehr geht es um die Ölgewinnung aus Ölschiefer1. Die Öl- und Gasförderung aus solchen nichtkonventionellen Lagerstätten ist schwierig, ineffektiv, umweltschädlich, klimaschädlich, gesundheitsschädlich und so teuer, dass sie erst ab einem bestimmten Preis rentiert 2,3.

Deshalb wurde 2007 damit begonnen. Obama ließ seit seinem Regierungsantritt diese Förderpraxis stark ausbauen, und in den nächsten Jahren soll die Ausbeutung von Gas- und Ölschiefer zur Grundlage der amerikanischen Energiepolitik werden1. Offensichtlich haben wir es also mit einem notwendigen Projekt zu tun. Fragt sich nur: Notwendig für wen?
Notwendige Projekt
Da sind zum einen energieintensive Industriegiganten wie Dow – Chemical, ein Unternehmen, das Tag für Tag soviel Gas verbraucht wie ganz Australien. Durch Gas aus nichtkonventionellen Lagerstätten konnten seine Energiekosten bereits um zwei Drittel gesenkt werden. Auch der Strompreis für industrielle Großverbraucher sank um 40%. Dabei reichen die Vorräte im Boden der USA, um dieses Land 100 Jahre lang mit Gas unter Weltmarktpreisen (zu sogenannten Spot-Markt-Preisen) zu versorgen. Das sind klare Standortvorteile für die USA1.

Und dann sind da noch die privaten Ölfirmen BP, Shell, Exxon und Texaco. Weltweit fördern sie 50% des Öls, kontrollieren aber nur 10% der konventionellen Reserven. Die übrigen 90% sind in der Hand großer staatlicher Firmen wie Petrobras oder Gazprom. So wird es für die Privaten immer schwieriger, die eigene Produktion durch neue Reserven zu ersetzen. Für sie bleibt einzig der Zugriff auf die nichtkonventionellen Lagerstätten2. Insofern kann man die „Energiewende auf amerikanisch“ (so das Handelsblatt1) auch als Serviceleistung des Staates an die privaten Ölfirmen interpretieren. Denn wenn die Effizienz beim Abbau nichtkonventioneller Lagerstätten so gering ist, dass sogar der Bau von Atomkraftwerken erwogen wird, um Energie für die Ölförderung bereitzustellen3, dann geht es offensichtlich nicht um Energiegewinnung, sondern einzig darum, dass die Energie in Form von Öl vorliegt!

Es gibt noch einen dritten Gewinner. Durch den Zugriff auf Ölschiefer und Ölsand konnte der Anteil an importiertem Öl seit 2007 von 60% auf 42% gesenkt werden. Doch die dafür ausgegebenen 310 Mrd. $ stellen immer noch fast die Hälfte des US-Außenhandelsdefizits. Wenn es gelingt, den Anteil importierten Öls in den nächsten zehn Jahren auf 5% zurückzufahren, würde dies die USA enorm entlasten. Sie wären nicht länger abhängig von Russland, Venezuela und Arabien und könnten sich wieder politisch und militärisch anderen Weltregionen außer dem Nahen Osten zuwenden1
Geeignete Maßnahmen
Kürzlich war oft vom „Peak – Oil“ die Rede. Damit war gemeint, dass das Fördermaximum von Öl erreicht sei und deshalb die Fördermengen in Zukunft sinken müssten. Übersehen wurde, dass es dabei nur um die Förderung aus konventionellen Lagerstätten geht. Die nichtkonventionellen Lagerstätten halten jedoch fünfmal mehr Öl als die konventionellen2. So gesehen hat das Zeitalter des Öls gerade neu begonnen.

Nur glaubte niemand, dass die nichtkonventionellen Lagerstätten je genutzt werden würden. Denn die einzigen z
u ihrem Abbau geeigneten Maßnahmen haben verheerende Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Gesundheit. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko bei Offshore – Bohrungen haben wir noch in Erinnerung. In Kanada werden zur Ölgewinnung aus Ölsand riesige Flächen entwaldet, Torfschichten umgepflügt und ausgedehnte, vergiftete Mondlandschaften hinterlassen. Für die Extraktion von Öl aus einem Kubikmeter Sand werden fünf Kubikmeter Wasser verbraucht, das hinterher als Sondermüll deponiert werden muss.

Um Öl und Gas aus Ölschiefer zu gewinnen, wird Wasser – mit Chemikalien und Sand versetzt – in die Gesteinsschichten gepresst, um Risse zu erzeugen (Fracking). Nach dem Abpumpen des Bohrwassers lässt sich das in die Risse strömende Öl oder Gas fördern. Allerdings sind manche Zuschlagsstoffe beim Fracking hochtoxisch und einige, wie Benzol, karzinogen.

Das Argument, dass nur sehr geringe Mengen zugesetzt werden, überzeugt leider nicht, da gewaltige Wassermassen zum Einsatz kommen – bei jeder Bohrung 6.000 Tonnen, 50.000 Bohrungen alleine im Jahr 2008. Auf diese Weise wurden bis 2009 insgesamt 43 Mio. Liter Frac-Chemikalien in den Erdboden gepresst. Umgekehrt lösen sich im Fracking-Wasser Mineralien aus den Gesteinsschichten – auch radioaktive und Schwermetallsalze –, die nach dem Abpumpen an die Oberfläche gelangen. Das Abwasser leitet man in den USA dann einfach in Flüsse, Bäche und Seen. Nicht zuletzt entweicht aus den Rissen unkontrolliert Methan, dessen klimaschädigende Wirkung zwanzigmal größer ist als die von Kohlendioxid4.

Deshalb wollte sich niemand vorstellen, dass die Leistungsträger in Wirtschaft und Politik bereit wären, ein solches Verbrechen zu begehen. Und jetzt sehen wir: Sie haben überhaupt kein Problem damit.
Erreichbare Ziele
Das Ziel, in billigem Öl zu schwimmen und gleichzeitig von den Ländern des Nahen Ostens unabhängig zu sein, ist erreichbar. Nicht erreichbar ist hingegen das Ziel, unter diesen Bedingungen die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Unser Bundesumweltminister hat das ja bereits kommuniziert. Allgemein wird davon ausgegangen, dass bei einer stärkeren Erwärmung unumkehrbare, zerstörerische und unkontrollierbare Entwicklungen ihren Lauf nehmen5. Doch um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müsste jetzt schon die Emission von Treibhausgasen reduziert werden. Der globale Trend ist aber gegenläufig, die Kohlendioxidemission nimmt zu und wird noch stärker steigen. Insbesondere ist die Nutzung nichtkonventioneller Lagerstätten so ineffektiv, dass Öl aus Ölschiefer mehr als die sechsfache Menge Kohlendioxid freisetzt, verglichen mit Öl aus konventionellen Quellen3.

Unerreichbare Ziele aber sind nutzlos. Deshalb gibt man uns neue. Wie immer, wenn gesetzte Grenzwerte überschritten werden, ist die dringendste Maßnahme, neue Grenzwerte zu suchen.
Wie schön, dass Experten gefunden wurden (und auch bezahlt werden konnten!), die uns nun erklären, wir sollten uns nicht unnötig unter Druck setzen, indem wir unerreichbare Klimaziele formulieren. Vielleicht sei es ja jenseits der Zwei-Grad-Grenze gar nicht so schlimm. Sinnvoller könnten wir die Zeit nutzen, indem wir uns auf das vorbereiten, was sowieso geschehen wird6.
Wirtschaft, Politik und Wissenschaft wollen weitermachen wie bisher – nur noch schneller und noch schmutziger. Der „grüne Kapitalismus“ zeigt sich als Illusion. Unsere Lebensgrundlagen werden Profiten und Machtkalkül geopfert, und Amerikas großer Schritt in die falsche Richtung offenbart erneut die Wendung des Spätkapitalismus in die Destruktion.

Quellen:
1) Handelsblatt, 08.10.2012, ­Seiten 1, 6, 7.
2) isw – Report, 73, 41 – 44, (2008).
3) Atlas der Globalisierung, 80 – 81, (2009).
4) wikipedia – Einträge: ­„Hydraulic Fracturing“ und „Ölschiefer“, Stand 4. 11. 2012.
5) die internationale theorie, 34, 5 – 11, (2009).
6) http://www.heise.de/tp/blogs/2/153116, Stand 4. 11. 2012

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