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Feminismus

Die Frau und der Sozialismus – mit einem Blick in die Zukunft

Von B. Schulz | 01.03.2005

Die Revolution von 1917 in Russland wurde ausgelöst durch eine Demonstration von Textilarbeiterinnen und anderen Frauen in St.Petersburg für Brot und gegen Krieg am 8. März nach dem westlichen Kalender.

Trotzki hat sich mit der Situation der Frauen in der nachrevolutionären Zeit intensiv auseinandergesetzt. Er hat mehrfach geäußert, dass die wirkliche Gleichheit von Mann und Frau in der Familie eine Voraussetzung für die Gleichheit in gesellschaftlicher Arbeit ist. „Solange die Frau an die Hausarbeit gekettet ist, die Sorge für die Familie, Kochen und Nähen, sind alle Chancen auf die Teilnahme am sozialen und politischen Leben extrem abgeschnitten.“ Und er gibt einige Beispiele, wie die unterschiedlichen Entwicklungen von Mann und Frau die Familien erschüttern. Er sagt aber auch: „Man kann die Familie nicht abschaffen, man muss sie ersetzen.“ Und er erwartet, dass der wachsende gesellschaftliche Reichtum die „Haussklaverei“ überwindbar machen wird.

Heute

Gegenwärtig sieht es so aus, als ob sich die Familie selbst abschaffte. Wenn in Mecklenburg-Vorpommern 60% der Kinder unehelich geboren werden, dann zeigt das einen Wandel an. Die Zahl der Familien, die so fest gefügt sind, dass sie ein Menschenleben dauern wird immer geringer. Aber verringert das die „Haussklaverei“? Für die allein erziehende Mutter verschärfen sich die Probleme eher noch, denn sie trägt die Last der Familie alleine.

Und morgen?

Kann eine sozialistische Gesellschaft aus „Haussklavinnen“ Freie machen? Eine Zeitlang sah es so aus, als ob der steigende gesellschaftliche Reichtum eine Entlastung von häuslicher Arbeit bieten könnte, diverse Maschinen, vorbereitete Nahrung erleichtern die Hausarbeit. Aber gegenwärtig wird es wieder eng. Wer mit dem Hartz-IV Geld auskommen muss, ist wieder auf seine eigene Findigkeit angewiesen.
Wir wollen uns aber z. B. daran erinnern, wie die Wiener Sozialdemokratie mit Experimenten wie dem Karl-Marx-Hof versuchte, die „Haussklaverei“ aufzulösen. Gemeinsame Waschhäuser, die wir durchaus durch Wäschereien ersetzen können, Gaststätten, die wirkliche Kommunikationszentren sein können, Innenhöfe, die es möglich machen, dass Kinder spielen, ohne ständig von der auf der Bank sitzenden Mutter bewacht zu werden. Kinder sind im Sozialismus ein besonders von der Gesellschaft geschätztes Gut und werden von allen gehütet. Natürlich haben solche Wohnformen den Nachteil, dass sie auch zur Abschottung führen können, aber sie sind ein Teil einer Stadt, eines Landes, einer Gemeinschaft. Das Bewusstsein der Gemeinsamkeit muss gepflegt werden. Eine sozialistische Gesellschaft, die auf einer Rätestruktur beruht, braucht den Raum des Austausches.
Eine Grundlage für die neue Gesellschaft ist die Überwindung der Isolation, der Individualisierung. Ohne ein Erstarken solidarischer Lebensweisen ist eine sozialistische Gesellschaft nicht denkbar. Frauen werden durch die Entlastung von der alltäglichen Verantwortung für die Wiederherstellung der Arbeitskraft bzw. für die Aufzucht der Kinder sich stärker an den gesellschaftlichen Geschehnissen beteiligen. Sie werden sich in die gesellschaftlichen Prozesse einschalten. Heute ist es oft eine andere Zeitökonomie, die Frauen von gesellschaftlichem Engagement abhält. Der Zeitaufwand steht für sie in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Wenn aber Lenins sprichwörtliche Köchin Politik macht, dann ist das sicher ergebnisorientiert!
Eine sozialistische Gesellschaft wird die Arbeit auch anders verteilen, so dass jede/jeder genügend Muße auch für das kulturelle Leben hat. Werden wir die Qualität eines Sinfonieorchesters besser zu schätzen wissen, wenn wir selbst unsere musikalischen Versuche machen? Sozialismus soll ja nicht nivellieren, sondern gerade die Herausbildung der Möglichkeiten jedes Menschen bewirken. Welche Entfaltungsmöglichkeiten für Frauen gibt das!
Das alles klingt recht utopisch, insbesondere wenn mensch den Backlash (Rückschlag) der gegenwärtigen Entwicklung sieht, wo Frauen, da sie immer noch die ökonomisch Schwächeren sind, in ihren Lebenspartnerschaften vom verdienenden Partner abhängig gemacht werden. Hoffen wir, dass diese Abhängigkeit die Frauen wieder kämpferischer werden lässt, denn ohne Kampf werden wir nichts gewinnen.

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