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Betrieb & Gewerkschaft

Die BürokratInnen in den Gewerkschaften fördern die Spaltung

Von Politisches Sekretariat des RSB | 14.01.1970

Tarifeinheitsgesetz, Konfliktvermeidung und Rechtsentwicklung. Sieben Thesen zum aktuellen Stand der Gewerkschaften.

1. Insgesamt sind die DGB-Gewerkschaften sehr stark gekennzeichnet durch einen Konfliktvermeidungskurs, entsolidarisierendes Standortdenken und allgemeine bürokratische Erstarrung. Das führt nicht nur zu einer anhaltenden und sich vertiefenden Entpolitisierung der DGB-Gewerkschaften, es führt auch zu einer wachsenden ideologischen Anpassung an die Politik der Herrschenden. Burgfrieden ist angesagt, ganz gleich, welche Auswirkungen das auf diejenigen hat, die am meisten auf aktive Solidarität angewiesen sind.

2. Schon seit geraumer Zeit steht auch die IG Metall damit nicht mehr für eine Politik der Gegenmacht, sondern betreibt – verstärkt seit Wetzel der Erste Vorsitzende ist – eine Umwandlung der Gewerkschaft in eine Service-Agentur (vergleichbar dem ADAC). Ein weiterer Ausdruck der Entpolitisierung und der Rechtsentwicklung ist das Verbot, das der Vorstand der IG Metall gegenüber seinen Hauptamtlichen ausgesprochen hat, sich kritisch zu dem Tarifeinheitsgesetz zu äußern.

3. Die Vorherrschaft innerhalb des DGB haben immer noch die exportorientierten Gewerkschaftsführungen von IG Metall und IG BCE, obwohl gerade in diesen Bereichen in den letzten Jahren keine größeren Auseinandersetzungen gelaufen sind, die auch nur annähernd mit dem vergleichbar wären, was wir seit Jahren im Dienstleistungsbereich erleben.

4. Das Verhältnis der DGB-­Gewerkschaften untereinander ist wesentlich durch das bürokratisch-egoistische Verhalten der Vorstände der großen Gewerkschaften geprägt. Das hat mehrere Konsequenzen:
Die Spaltung innerhalb des DGB, wo sich die IGM und IG BCE, unterstützt von IG BAU und EVG gegen ver.di verbünden. Die Vorsitzenden der vier erst genannten Gewerkschaften hatten sich im April mit dem DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann getroffen und dann ein Kooperationsabkommen geschlossen. Ziel sei es, Streitigkeiten bei der Abgrenzung von Organisationsbereichen leichter beilegen zu können. Aber wie ver.di mit Recht anmerkt: Dafür gibt es längst ein geklärtes Verfahren innerhalb des DGB. Der IGM geht es aber darum, „entlang der Wertschöpfungskette“ zuständig zu sein und damit beispielsweise ver.di die Zuständigkeit für Betriebe der Logistikbranche zu entreißen (siehe den Streit um den ausgegliederten Betrieb Stute Logistics).

Tarifrunden werden grundsätzlich nicht so auf einander abgestimmt, dass gemeinsam gekämpft werden könnte. Von dieser Kritik ist auch ver.di nicht auszunehmen. So hat der Vorstand in eklatanter Weise sich in der diesjährigen Tarifrunde Öffentlicher Dienst (Länder) von dem Anliegen der angestellten Lehrkräfte verabschiedet und sie allein im Regen stehen lassen.

Wieso die Bahn die GDL nicht mag
Im Interview mit Harald Neuber (www.heise.de) führt Weselsky an:
 „Dauerhaft, so hat die Bahn festgestellt, sind mit der GdL alle Tarifabschlüsse teurer als mit ihrer handzahmen Hausgewerkschaft [der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, EVG, Mitgliede des DGB]. Den Aufsichtsratsunterlagen ist zu entnehmen, dass seit 2007 jedes Jahr durchschnittlich 4,8 Prozent Lohntarifsteigerung gab – da ist die Arbeitszeitveränderung mit drin. Und das ist etwas, womit die Arbeitgeberseite nicht kalkulieren möchte. Die rechnen eher mit 1,5 bis zwei Prozent Lohnkostensteigerung. Und das ist einer der Hauptgründe, warum man uns zu eliminieren versucht.“

5. Geradezu kriminell mutet an, wie sich nicht nur die EVG, sondern auch die anderen großen Gewerkschaften des DGB in der Tarifrunde der GDL verhalten. Der Grundsatz, dass mensch „Streikenden nicht in den Rücken fällt“ (Detlef Hensche), wurde sträflich missachtet. Schlimmer noch: Der gravierendste Sündenfall der Vorstände von DGB und fünf seiner Einzelgewerkschaften seit Jahrzehnten ist die aktive Unterstützung der Bundesregierung bei der Durchsetzung des Gesetzes zur Tarifeinheit, also einer gravierenden Einschränkung eines Grundrechts.

6. Dass die Spartengewerkschaften unter diesen Bedingungen ganz bestimmt nicht für eine gemeinsame Tarifpolitik mit den DGB-Gewerkschaften gewonnen werden können, liegt auf der Hand, von einem Beitritt ganz zu schweigen. Die Spartengewerkschaften (Cockpit, GDL, UFO oder gar der Marburger Bund) sind gewiss keine Klassenkampforganisationen. Aber immerhin kämpfen sie ab und zu mal, jedenfalls mehr als die IG Metall in den letzten zehn Jahren. Vor allem die GDL macht im Moment in der breiten Mitgliedschaft und auch in der Führung einen beträchtlichen Politisierungskurs durch. Davon konnten wir uns zuletzt bei der Demo gegen die Tarifeinheit am 18. 4. in Frankfurt überzeugen, vor allem aber durch den anhaltenden Widerstand gegen die vereinte Front aus Politik und Medien, die die GDL niedermachen wollen.

Zitat
"Ich habe kein Verständnis, dass die Verhandlungen abgebrochen wurden letzte Woche, dass man jetzt wieder in den Streik getreten ist“, sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann

7. Die politische Degeneration und Rechtsentwicklung der Vorstände der meisten DGB-Gewerkschaften und vor allem des DGB-Vorstands ist zum Glück keineswegs Ausdruck einer solchen Entwicklung in der Gesamtmitgliedschaft. Davon zeugen aktuelle Stellungnahmen vieler Gewerkschaftsgliederungen und selbst im Hauptamtlichen-Apparat sind längst nicht alle auf den Kurs verstärkter Anpassung eingeschworen. Allerdings gibt es – trotz erheblichen Unmuts in weiten Teilen dieser Gewerkschaften – keine größere organisierte Strömung, die bereit und in der Lage wäre, dem Kurs dieser politisch angepassten Führungen etwas entgegenzusetzen. Die bürokratische Kontrolle ist also noch weitgehend intakt. Zeit dies zu ändern.

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