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Länder

Der Krieg in Syrien und der Terror in Paris

Von Heinz Jandl und Georg Heidel | 14.01.2016

Der grausige Terrorüberfall in Paris am 13. September wurde als militärischer Angriff dargestellt und zum Anlass für die Verschärfung des NATO-Kurses im arabischen Ressourcenkrieg genutzt.

Der grausige Terrorüberfall in Paris am 13. September wurde als militärischer Angriff dargestellt und zum Anlass für die Verschärfung des NATO-Kurses im arabischen Ressourcenkrieg genutzt.

Seit 2002 kämpfte die französische Armee mit Bodentruppen in der Elfenbeinküste, in der Zentralafrikanischen Republik, im Tschad, in Mali, in Mauretanien und in Afghanistan. Luftschläge erfolgten in Mali, Libyen, Afghanistan, Irak und Syrien. Genügend Gelegenheiten also, um sich Todfeinde zu machen und den Zulauf zu islamischen Radikalen zu fördern.

 Der Einsatz von Bodentruppen in Syrien ist zwar aus Sicht des US- und Teilen des EU-Imperialismus dringend notwendig, soll aber möglichst vermieden werden, um in Europa keine Schlafstörungen aufkommen zu lassen.

Man versuchte zunächst, mit 200 englischen „Spezialeinheiten“ so etwas wie eine Feuerleitstelle für die Bestimmung der Angriffsziele aus der Luft am Boden zu installieren. Das ging gründlich schief, als mit diesen Angaben das Krankenhaus von „Ärzte ohne Grenzen“ weggebombt wurde. Nach einem Bericht des „Daily Mirror“ sollen die Koordinaten im Funkverkehr gefälscht worden sein. Dieses Desaster sollte schnell aus den Medien verschwinden. Also sendeten die NATO-Medien zwei Tage später die Meldung über einen angeblichen Angriff russischer Kampfjets auf ein Krankenhaus in Syrien. Doch weder spricht die betroffene Organisation von einem russischem Bombardement, noch legen die Fotos des Gebäudes mit intakten Fenstern und Mauerwerk einen solchen Angriff nahe.

Beim ARD-Fernsehrat liegen Beschwerden wegen dieser besonders plumpen Propaganda vor.

Die „moderaten“ Rebellen und linke Illusionen in die FSA

Man versuchte, vor Ort Gruppen zu finden, die diese Funktion einschließlich einer regulären Armee übernehmen könnten, und es wurden die „moderaten Rebellen“ kreiert.

Dabei suggeriert uns die Kriegspropaganda, es handle sich um jene Aufständischen, die sich 2011 gegen Assad erhoben und vom Regime grausam bekämpft wurden. Diese hatten einen „Rat der 20“ (20 Gruppen) gebildet, der heute im Ausland ein Schattendasein führt und trotz massiver finanzieller Unterstützung keine Kämpfer im Lande selbst rekrutieren kann. Mit 500 Millionen Dollar wollten die USA 4000 „gemäßigte“ Rebellen ausbilden und ausrüsten. Heute muss die US-Army feststellen, dass nur „4 oder 5 Gruppen im Einsatz sind, während der Rest sich abgesetzt hat und einige heute bei Al Nusra, einer aus Al Quaida hervorgegangenen Dschihad-Gruppe, kämpfen.“

Die FSA, die sich vom „Rat der 20“ ausdrücklich distanzierte, hat unterschiedliche Strukturen im Süden und im Norden Syriens. Im Süden des Landes (Daraa und Kuneitra) sind 40?000 Kämpfer der FSA (Freien Syrischen Armee) hierarchisch unter dem Namen „Südfront“ organisiert. Sie hat 2015 große Gebietsgewinne gegen die Loyalistenarmee errungen und kontrolliert in Daraa und Kuneitra mehr Gebiete als die SAA, NDF, Hizbullah, Iranische Revolutionswächter und schiitische Afghanen zusammen, die alle unter dem Kommando der Iraner für das Regime von Bashar al-Assad kämpfen. In Daraa und Quneitra ist die FSA die Führungsmacht. Die Islamische Front (Ahrar al Sham und Jaysh al Islam) kooperiert dort mit ihr.

Im Norden hat die FSA eine anarchische Struktur. Mehrere ihrer Brigaden kämpfen unter derselben Flagge gemeinsam gegen das Assad-Regime und den IS. Die sogenannte „Nordfront“ umfasst insgesamt ca. 35?000 Kämpfer. Im Zentrum von Aleppo kämpft die FSA an vorderster Front gegen die Regierung und ihre Verbündeten aus dem Libanon und dem Iran. Im Norden Aleppos dagegen steht sie gegen den IS. Allerdings kursieren Videos im Netz, die zeigen, dass Einheiten der FSA an Grausamkeiten dem IS recht nahe kommen: Das Ausschneiden und Verspeisen von Herzen getöteter Gegner, Finger als „Trophäen“ abschneiden … Die Betroffenen wiesen diese Vorwürfe nicht zurück, sondern bestätigten sie teilweise.

Der Daesh/IS ist militärisch so stark, dass er auch Niederlagen verkraften kann. Er hat eine weltweit wirkende Terror-Ideologie. Man muss sie widerlegen und ihr den Nährboden entziehen. Das heißt:

  1. Ideologische Enttarnung der Führung des IS als anti-islamische Mörderbande, für die der Islam nur Maske ist.
  2. Bekämpfung der weitgehend unbehinderten Rekrutierungs-Maßnahmen des IS, auch hier im Land.
  3. Unterstützung der Wieder-Eingliederung der diskriminierten Sunniten ins politische Leben des Irak.
  4. Beendigung krimineller Ölkriege und der Ausbeutung gegenüber der muslimischen Welt.
  5. Respektvolle Integration muslimischer Mitbürger­Innen statt rassistischer Diskriminierung.


Erdogans türkischer Krieg

Erdogans Krieg ist in erster Linie ein Krieg gegen die Kurden und mittlerweile führt die Politik der AKP die Türkei in den Bürgerkrieg. (Laut Hürriyet 62 Tote in der Woche vor Weihnachten.) Von Anfang an hat Erdogan seinen „eigenen Krieg“ geführt, der von unseren Medien verschwiegen wird: Daesh/IS-Rekrutierungsbüros in allen größeren Städten entlang der syrischen Grenze; reger Ölhandel mit Daesh/IS; zweimaliger Versuch, von der NATO die Erlaubnis zur Schaffung einer „militärischen Pufferzone“ (also die militärische Besetzung der autonomen Kurdengebiete von Rojava) zu erhalten; Bombardierung der PKK in Syrien und der Türkei.

Der NATO-Rat forderte vergeblich von ihm die Schließung der türkischen Grenze zu Syrien. Das hätte den Daesh/ IS in Syrien schwer getroffen. Dort sind 70 Prozent der IS-Kämpfer Ausländer. In Syrien braucht der IS daher ständig personellen Nachschub, der überwiegend über die Türkei ins Land kommt. Doch die Entscheidung fällt im Irak, wo der Anteil ausländischer Kämpfer bei nur 15 Prozent liegt, weil die Sunniten dort die Fußtruppen des Daesh/IS bilden.

Am 17. Oktober 2015 teilte die US-amerikanische Journalistin Serena von PressTV ihrem Sender telefonisch mit, dass sie eindeutige Belege für die Zusammenarbeit türkischer Grenzstellen mit dem Daesh/IS habe. Sie hatte türkische IS-Kämpfer gefilmt, die mit Transportern mit dem Logo des UN-Welternährungsprogramms ohne Probleme die Grenze zu Syrien überqueren konnten.

 48 Stunden später stirbt sie bei einem Autounfall. Kurz zuvor hatte sie telefonisch mitgeteilt, die türkische Polizei verdächtige sie als Spionin. Als einzige westliche Zeitung berichtet der Schweizer Tagesanzeiger darüber.

Putins militärische Intervention

Russland hat – ebenso wie der Iran – von Beginn an das Assad-Regime gestützt. Damit sollte gegenüber den USA ein Gegengewicht erhalten werden. Als Begründung wurde die US-Politik der Staatszers
törungen als katastrophal dargestellt. Zudem wurde auf die Minderheit der Christen und Alawiten in Syrien verwiesen, die Assad unterstützen und bei seinem Sturz sicherlich verfolgt würden. Der Eintritt Russlands in den Krieg erfolgte am 30. September nach einem Hilfeersuchen des syrischen Präsidenten. Vor dem Eintritt wurden die Regierungen aller Anrainerstaaten von dem Vorhaben informiert. Damit ist Russland der einzige Kriegsteilnehmer, der sich an die Regeln des bürgerlichen Völkerrechts hält. Von den NATO-Staaten liegt weder eine Kriegserklärung noch eine Information an die umliegenden Staaten vor. Geradezu irrsinnig ist die französische und deutsche Berufung auf das „Notwehrrecht“, das zur Abwehr eines aktuellen rechtswidrigen Angriffs dient.

Russlands Interesse liegt militärisch im Erhalt eines Militärstützpunktes, denn der syrische Hafen in Tartus ist derzeit der einzige Stützpunkt für die russische Marine im Mittelmeer.

Strategisch will Russland die Zerstörung des radikalen Islam, der die gesamte Südgrenze Russlands bedroht. In Dagestan und neuerdings auch Armenien finden bereits einzelne Kämpfe zwischen Daesh/IS-Gruppen und der russischen Armee statt. In Russland sind die Erinnerungen an die grauenhaften Anschläge noch immer lebendig: zwei Selbstmordattentate in der Moskauer U-Bahn am 29. 3. 2010 mit 40 Toten und 100 Verletzten; Anschläge auf den Hochgeschwindigkeitszug Moskau-St. Petersburg am 27. 11. 2009 und am 13. 8. 2007 sowie ein Anschlag auf einen Bus am 31. 8. 2007 in Togliatti.

Diese Angriffe auf die Transportinfrastruktur folgen den spektakulären terroristischen Überfällen zu Anfang dieses Jahrhunderts, besonders die berüchtigten Geiselnahmen im Dubrowka-Theater im Oktober 2002 sowie in einer Schule in Beslan im September 2004. Bei der Geiselnahme von Beslan im September 2004 wurden mehr als 1100 Kinder und Erwachsene als Geiseln genommen. Bei der Erstürmung des Gebäudes durch russische Einsatzkräfte starben nach offiziellen Angaben 331 Geiseln. 704 wurden verletzt. Am 24. 1. 2011 wurde Moskau durch einen Selbstmordanschlag im Ankunftsbereich des internationalen Terminals von Russlands größtem Flughafen Domodedowo erschüttert. 37 Menschen kamen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.

Beim Gipfeltreffen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), die am 15. September in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe stattfand, meinte Putin zu Syrien: „Es ist unabdingbar, bei einem Kompromiss auch an politische Reformen in diesem Land zu denken. Und wir wissen, dass Präsident Assad bereit ist, die Führung des Staats mit den vernünftigen Kräften der Opposition zu teilen.“ Der russische Außenminister Lawrow erklärte noch eindeutiger, dass unmittelbar nach einem Waffenstillstand Wahlen anzusetzen wären und diese international überwacht werden müssten.

Russland hat als einziger Kriegsteilnehmer verbündete ortskundige Bodentruppen zur Verfügung und das garantierte letztlich die Genauigkeit der Luftschläge. Damit gelang Russland die Kriegswende und erstmals musste sich Daesh/IS an allen Fronten zurückziehen.

Saudi Arabien, Katar und die Vereinigten Emirate…

… sind Ideologieproduzent­Innen des Terrorismus und führen einen Operettenkrieg gegen den Daesh/IS. Der saudische König verkündete am 15. Dez. eine Allianz von 34 islamischen Staaten. „Wir werden gegen jede terroristische Organisation kämpfen, nicht nur gegen den ‚Islamischen Staat‘“, sagte der stellvertretende Kronprinz und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman. Saudi Arabien führt seinen eigenen Krieg im Jemen gegen die Hutu-Rebellen und finanziert ansonsten den Daesh/IS.

Eine der schlimmsten Waffen dieses „besten Freundes des Westens“ (US-Präsident G. Bush) ist der Ölpreis. Vehement wehrte sich das Königshaus gegen eine Drosselung der Fördermengen wegen sinkender Nachfrage. Der Weltmarktpreis ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht und Russland bekommt diese Rache wenige Wochen nach seinem Kriegseintritt massiv zu spüren.

Mit freundlicher Unterstützung der NATO haben hier in Wahrheit die Daesh/IS-Unterstützer ein Bündnis gegen Russland geschmiedet.

Der kurdische Widerstand

Als einzige Kraft, die mit den Fanatismen und Religionskriegen der Region nichts zu tun hat, sind die Kämpfer/innen in Rojava mit ihrem Anspruch auf Selbstverwaltung und zivilisierten Zuständen in Syrien und die Peschmerga im Irak.

Die Kurden in der Türkei wurden von der NATO im Juli an Erdogans Luftwaffe ausgeliefert und noch während der NATO-Ratssitzung am 15. Juli 2015 bombardiert. Rojava bleibt in der Region ein revolutionäres soziales Projekt, das von uns jede Unterstützung erfahren muss.

Unsere Hauptforderung kann nur die Beseitigung des PKK-Verbots sein, damit sich die Kurden politisch frei bewegen können.

Die Bundeswehr ist grundgesetzwidrig in Syrien im Kriegseinsatz. Daher muss sie sofort dort verschwinden.

Die Bekämpfung des hiesigen Rassismus hat eine hohe Priorität, damit es dem Daesh/IS nicht gelingt, muslimische Mitbürger­Innen zu instrumentalisieren. Islamistischen Fanatikern in Europa muss der soziale Boden entzogen werden. Wir müssen sie ebenso wie die Nazis als unsere Feinde begreifen. Eine massive Bewegung gegen die NATO-Kriegseinsätze ist dringend nötig. 

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