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Ökologie

CO2-„Endlager“ verhindern, Klimagerechtigkeit und Energiesouveränität erkämpfen!

Von Stefanie Groll / Timmo Krüger | 01.06.2011

Das Klima- und Energiecamp 2011 findet vom 7. bis 14. August in Jänschwalde/Brandenburg (nahe Cottbus) statt. Dies ist ein Standpunkt aus dem Umfeld von gegenstrom berlin, der sich mit der Verpressung von CO2 beschäftigt.

Das Klima- und Energiecamp 2011 findet vom 7. bis 14. August in Jänschwalde/Brandenburg (nahe Cottbus) statt. Dies ist ein Standpunkt aus dem Umfeld von gegenstrom berlin, der sich mit der Verpressung von CO2 beschäftigt.

Wir befinden uns mitten in einer globalen Krise gesellschaftlicher Naturverhältnisse: Der massive Verlust der Biodiversität, der menschengemachte Klimawandel und das sogenannte Restrisiko der Atomenergie sind keine Prognosen, sondern Realität. Nach den Ereignissen in Fukushima und Wahlniederlagen der Atomkraft propagierenden Parteien scheint sich die energiepolitische Agenda zu verändern. Wie ein Mantra wiederholen die Regierungsparteien, dass sie „das Zeitalter der erneuerbaren Energien“ so schnell wie möglich einläuten wollen. Aber anstatt konsequent auf dezentrale erneuerbare Energien zu setzen, bauen die meisten Parteien jetzt wieder vermehrt auf Kohle. Im Zuge dessen preisen sie eine Technologie an, die Klimaschutzbedenken wegwischen soll: Carbon Capture and Storage (CCS). Mithilfe dieser Technik soll Kohlendioxid (CO2) abgeschieden, verflüssigt und unter die Erde gepresst werden. So propagierte beispielsweise Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) bei einer Pressekonferenz am 15. März 2011 und in Zeitungsinterviews die Weiterentwicklung von CCS. Der Europäische Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) erklärte auf dem CCS-Kongress des IZ Klima am 28. März 2011, dass durch die Kohleverstromung mit CCS ein vierfacher Streich gelingen würde: technologische Sicherheit, Versorgungssicherheit, „bezahlbare Energie“ und das Einhalten von Klimaschutzzielen. Aber auch der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sagte in einem Interview mit der taz am (02./03. April 2011), dass ein Atomausstieg nur mit einer Modernisierung alter und dem Bau neuer Kohlekraftwerke zu bewerkstelligen sei. „Die Debatte um Kohle ist zum Teil ein Fetisch. Denn schließlich haben wir den Emissionshandel. Dadurch wird der CO2-Ausstoß ohnehin gesenkt.“ An dieser absurden Behauptung von Gabriel werden die kontraproduktiven Effekte der marktbasierten Klimaschutz-Instrumente deutlich, die durch „Flexibilisierung“ einen Strukturwandel in der Energieinfrastruktur verhindern.

Aber genau diese Kohlestrategie ist die falsche Reaktion auf die Katastrophe in Fukushima! Anstatt Scheinlösungen wie CCS zu fördern, die als Exportschlager die Wirtschaft der Industrienationen ankurbeln sollen, aber an den negativen sozialen und ökologischen Folgen unserer Energieproduktion nichts ändern, muss an der Ursache der ökologischen Krise angesetzt werden. Fossile Brennstoffe sowie Uran müssen im Boden bleiben!
Gute Gründe gibt es reichlich
Die CO2-Abscheidung am Kraftwerk führt zu Effizienzverlusten: Zur Produktion der gleichen Menge Strom muss etwa ein Drittel mehr Kohle eingesetzt werden. Dadurch werden die stark gesundheits- und umweltschädlichen Folgen der Kohleverstromung verstärkt. Dazu kommt, dass nur etwa 70 Prozent des CO2 abgeschieden und ein schleichendes Entweichen des CO2 aus dem Untergrund angenommen wird. CCS ist also auch als Klimaschutz-Maßnahme Unsinn. Die Technologie wäre außerdem sowieso erst in 10 bis 20 Jahren industriell einsetzbar. Die Weichen für ein Abbremsen der Klimaerwärmung müssen aber in den nächsten zehn Jahren gestellt werden. Im dafür notwendigen Strukturwandel ist kein Platz für Grundlastkraftwerke wie Kohle- und Atommeiler. Die schwankende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien erfordert eine Flexibilisierung der Energie-Produktion insgesamt. Des Weiteren sind Risiken und Folgen der „Endlagerung“ nicht kalkulierbar. Bleibt das CO2 wirklich im Boden? Verunreinigt es wirklich nicht das Trinkwasser der gesamten Region und darüber hinaus?

CCS zementiert zudem die Machtposition der Energiekonzerne. Denn die Erforschung, Entwicklung und Durchführung von CCS ist äußerst kapitalintensiv und kann nur von Großkonzernen geleistet werden. Der Zugang aller zur Energieproduktion und ihre demokratische Organisation erfordern aber dezentrale Strukturen. Die Energiekonzerne müssen zerschlagen werden, da sie der Energiesouveränität entgegenstehen. Dies eint den Widerstand gegen CCS mit Energiekämpfen gegen Atom und Kohle.
Rechtliche Möglichkeiten gegen CCS
Die Bundesregierung stellt für die Erforschung und Entwicklung dieser Risikotechnologie viel Geld zur Verfügung und möchte nun günstige rechtliche Rahmenbedingungen schaffen. Noch dieses Jahr muss die EU-Richtlinie zur geologischen Speicherung von Kohlendioxid in nationales Recht umgesetzt werden. Der vorläufige Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass die Haftung für die unterirdischen sogenannten „Endlager“ nur während der ersten 30 Jahre bei den Energiekonzernen liegt. In den darauf folgenden Jahrhunderten soll die Öffentlichkeit für die entstehenden Schäden aufkommen. Dieses Gesetz muss gestoppt werden. Stattdessen muss die in der EU-Richtlinie explizit vorgesehene Möglichkeit eines bundesweiten Verbots der CO2-Speicherung umgesetzt werden. Die Bundestagsfraktion der Linken hat dazu am 23. März 2011 einen Gesetzesentwurf vorgelegt.
Widerstand gegen Risikotechnologien
In den Regionen der geplanten CO2-Verpressung regt sich schon seit längerer Zeit Widerstand, von Bürgerinitiativen bis zum Bürgermeister. Aber auch in Leipzig, Berlin, Stuttgart und anderen Städten gehen Klimaaktivist­­Innen gegen die technologische Mogelpackung CCS vor. Die linke Intervention gegen die herrschende Energiepolitik hat sich seit letztem Jahr besonders auf die Atomkraft konzentriert. Mit Aktionen wie „Castor Schottern“ stand sie auf der radikalen Seite eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses gegen eine unverantwortliche Risikotechnologie. Jetzt muss es um die Frage gehen: Was kommt nach der Atomkraft?
Die Antwort kann nicht den Parteien und Energiekonzernen überlassen werden. Nicht die ökonomischen Interessen von Konzernen, sondern globale Klimagerechtigkeit sowie ein ökologisch und sozial verträglicher Umbau der Energieversorgung müssen für die Energiepolitik richtungsweisend sein. Dazu müssen unsere Produktions- und Konsummuster grundlegend infrage gestellt werden. Effektiver Klimaschutz hat nichts mit der Schaffung neuer Märkte zu tun. Die Fokussierung auf Wirtschaftswachstum ist keine Lösung, sondern Teil des Problems.

Innerhalb des Klima!Bewegungs­netzwerks, einem bundesweiten Bündnis linker Klimaaktivist/innen, werden alternative Lösungen für ein demokratisches, gerechtes und ökologische Energieregime gesucht. Politischer Druck von unten ist unbedingt notwendig! Ein grundlegender Wandel unserer Gesellschaft muss erstritten werden! Gegen Risikotechnologien – gegen Atomkraft, gegen CCS! Für Klimagerechtigkeit und Energiesouveränität!
Klima- und Energiecamp in der Lausitz
Mit einem Klima- und Energiecamp in der Lausitz macht ein breites Spektrum politischer Gruppen aus dem Klima!Bewegungsnetzwerk (www.­klima.blogsport.de) – in Kooperation mit lokalen Bürgerinitiativen – gegen die fossil-atomare Energieproduktion mobil. Im Camp erproben wir alternative Lebensweisen und Basisdemokratie. Wir machen politische Bildungsarbeit für alle Altersstufen und protestieren aktiv gegen CCS. Praktischer Widerstand ist sofort erforderlich, denn in diesem Jahr wird die Entscheidung für oder gegen CCS fallen. Wir müssen vor Ort agieren, denn die rot-rote Landesregierung will Brandenburg zum Labor für die Erprobung der CO2-Endlagerung machen.

Weitere Informationen zum Klimacamp gibt es unter www.lausitzcamp.info sowie www.klimacamp2011.de
 

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