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Catal Hüyük: Ein Jahrtausend ohne Herrschaft

Von Julius Trauser | 01.03.2005

Am 07.01.2005 kamen bei einer Veranstaltung des RSB Potsdam zu diesem Thema über 50 interessierte Menschen zusammen und verfolgten gebannt den Vortrag des Referenten.

In den 50er Jahren des letzen Jahrhunderts fanden ArchäologInnen bei Ausgrabungen in der Türkei zum ersten Mal Überreste einer 9000 Jahre alten neolithischen Hochkultur, die sich im Laufe vieler Untersuchungen als eine klassenlose Gesellschaft herrausstellte. Diese Gesellschaft erstreckte sich von Ostanatolien bis auf den Balkan und existierte in Anatolien ca. 1500 Jahre, auf dem Balkan sogar bis 4000 Jahre v. u Z. Das Besondere für die Geschichtsforschung ist, dass es sich hierbei um keinen „urwüchsigen“ Kommunismus handelt. Vielmehr sind diese egalitären Verhältnisse aus einer patriarchalen Klassengesellschaft entstanden, die in einer sozialen Revolution zerschlagen wurde.

Die Stadt

Am Beispiel der besonders gut erhalten Stadt Catal Hüyük präsentierte der Referent ein wahrlich „utopisches“ Bild des damaligen Zusammenlebens. Es gab weder Kriege, noch Hunger und beide Geschlechter lebten gleichberechtigt zusammen. Mit Hilfe pathologischer Analysen fanden Mediziner heraus, dass sowohl die Lebenserwartung für damalige Verhältnisse überdurchschnittlich hoch war (einige Menschen wurden 70 Jahre alt und das damalige Durchschnittsalter der BewohnerInnen wurde bei ausgebeuteten Klassen erst wieder 1750 erreicht), als auch keines der tausendfach gefundenen Skelette Anzeichen eines gewaltsamen Todes aufweist.

Das Leben in Catal Hüyük

Auch die Architektur weist besondere Merkmale auf. Die Stadt war in einem variablen „Kastenschema“ (ähnlich dem der Pueblo-Indianer aus Mittelamerika) gebaut. Jeder Bewohner hatte einen Wohnraum von 12 m². Einer 5-köpfigen Familie stand somit eine Wohnung von 60 m² zur Verfügung. Die einzelnen Räume konnten je nach Bedarf verkleinert bzw. vergrößert werden.
Das gesellschaftliche Leben und die Produktion (Herstellung von Werkzeugen und Baumaterial, Zubereitung von Essen etc.) fanden allerdings überwiegend auf den Dächern von Catal Hüyük statt.
Die Wohnungen wurden meist nur zum Schlafen oder bei schlechtem Wetter aufgesucht.
Wie konnte nun solch eine Gesellschaft über 1000 Jahre bestehen? Neben der relativ einfachen Produktionsweise, die nicht notwendigerweise eine Arbeitsteilung bedingte, war der Schlüssel zur gesellschaftlichen Harmonie die Kunst und Kultur. Nahezu jedes Haus war mit Fresken bemalt, die Szenen aus dem Alltag (besonders Tanzszenen) zeigten. Und es wurden in fast allen Gräbern eine Menge Schmuckbeigaben gefunden.

Die Forschung geht weiter

Viele ArchäologInnen graben noch heute in der Türkei und auf dem Balkan und tragen dazu bei, mehr über diese klassenlose Gesellschaft herauszufinden. Zu hoffen ist, dass in naher Zukunft dieses Wissen an einen viel größeren Menschenkreis herangetragen wird. Catal Hüyük, das bis heute noch viele seiner Geheimnisse nicht preisgegeben hat, zeigt, dass mensch es schon einmal geschafft hat, auf revolutionärem Weg ein besseres Leben zu erkämpfen. Warum sollte dies in Zukunft nicht noch einmal möglich sein?

Ein ausführlicher Artikel „Von Cayönü nach Catal Hüyük“ befindet sich in der Langfassung auf : www.urkommunismus.de, sowie in einer kürzeren Fassung in Inprekorr Nr. 400/401 (März/April 2005)

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