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Linke

Außer Spesen nix gewesen? – Wie weiter mit dem NaO-Prozess?

Von Lars | 05.07.2015

Die „Neue antikapitalistische Organisation“ war 2011 mit dem Ziel angetreten, 1000 Menschen zu versammeln.  Dieses Ziel stellte sich schon bald als sehr unrealistisch heraus.

Heute hat der Prozess in unterschiedlichen Teilen der Republik eine unterschiedliche Entwicklung genommen. Der Hauptunterschied ist dabei der zwischen der Entwicklung in Berlin und in einigen Städten in Westdeutschland. Der Plan war, auf Basis eines politischen Grundsatztextes, des NaO-Manifestes, lokale Gruppen zu gründen. Worüber es aber schon fast seit Beginn des NaO-Prozesses keine Einigkeit gibt, ist die Frage, welchen Charakter die lokalen Gruppen haben sollen.

In fast allen Orten, in denen sich Gruppen gründen, konzentriert mensch sich darauf, zu einzelnen ausgewählten Praxisfeldern eine gemeinsame, kontinuierliche Praxis zu entwickeln, um so eine allmähliche Annäherung zwischen den verschiedenen politischen Kulturen zu erreichen und über die kontinuierliche Arbeit neue Leute einzubinden und zu gewinnen. In Köln zum Beispiel Griechenlandsolidarität und Antirassismus. Das braucht natürlich seine Zeit und die Notwendigkeit, sich auf wenige Praxisfelder zu konzentrieren, macht es schwer, in kurzer Zeit besonders beeindruckende Ergebnisse zu erzielen.

Ganz anders lief das letzte Jahr in der Berliner NaO ab. Dort wurde Anfang des letzten Jahres eine „richtige“ Gruppe mit Individualmitgliedschaft gegründet, mit einer Art Leitung und seit Beginn diesen Jahres sogar mit einem Statut. In Berlin ist die Praxis sehr kampagnenorientiert, mit einem Schwerpunkt auf Internationalismus, aber mit regelmäßig wechselnden Themen, je nachdem was gerade aktuell und in der öffentlichen Wahrnehmung ist: Ukraine, Gaza, Rojava, Griechenland. Das haben die Genoss­Innen auch sehr gut gemacht und damit die Bekanntheit des NaO-Prozesses nicht nur in Berlin, sondern sogar bundesweit zu steigern, vor allem mit der Kampagne „Waffen für Rojava“, die den Nerv der Zeit getroffen hat. Das belegen über 90 000 Euro Spendeneinnahmen.

Darüber hinaus hat sich die NaO in Berlin etwa durch die wichtige Rolle bei der Organisation der Demonstration zum revolutionären 1. Mai einen guten Ruf als verlässliche Bündnispartnerin erarbeitet. Aber durch diese Arbeit ist es trotzdem nicht gelungen, neue Menschen in den NaO-Prozess einzubinden. Einige Mitglieder sind dem NaO-Prozess in Berlin auch wieder verloren gelangen.

Dies hat zu der ungünstigen Situation geführt, dass die Gruppe Arbeitermacht in Berlin schon allein durch ihren prozentualen Mitgliederanteil eine extrem dominante Kraft geworden ist, die auch das öffentliche Auftreten dominiert. Das konterkariert den NaO-Prozess als offenes strömungsübergreifendes Projekt mit einem Fokus auf Pluralität, Austausch und Aufeinanderzubewegen.

NaO kann sich nicht entkoppeln

Wenn wir jetzt also nach einem Jahr Bilanz ziehen wollen über die Versuche, den NaO-Prozess von einem bloßen Diskussionsprojekt in eine vor Ort wahrnehmbare und relevante Kraft zu verwandeln, wie fällt unser Urteil aus? Klar scheint zu sein, dass es im Moment in Deutschland keine Lösung gibt, mit der sich auf kurze Sicht eine solche radikal antikapitalistische und zugleich wahrnehmbare Kraft, wie wir uns das vorstellen, aufbauen lässt.
Die Klassenlage in Deutschland mit kaum nennenswerten Kämpfen, größtenteils passiven Gewerkschaften und einem starken Kapital drückt stärker auf das Bewusstsein auch radikaler Linker als viele von uns sich das bei der Gründung des NaO-Prozesses vorgestellt hatten.

Die weitverbreitete Organisationsfeindlichkeit und die kurzsichtige und sektiererische Art, mit der viele kleine Gruppen ihren eigenen politischen Vorgarten bearbeiten, stellen eine ungünstige Basis für ein Umgruppierungsprojekt dar.

Wie also soll es weitergehen?

Sollen wir den Kopf in den Sand stecken und auf bessere Zeiten warten? Den NaO-Prozess fürs erste beenden und in ein paar Jahren noch mal neu anfangen?

Sicherlich spricht einiges dafür, wir sind aber trotzdem der Meinung, dass wir der NaO-Idee noch ein bisschen Zeit geben sollten. Denn auch wenn uns nicht die Massen zuströmen, gibt es in Deutschland durchaus noch eine nennenswerte Zahl Menschen, die an einem offenen, unsektiererischen, undogmatischen Versuch, die Spaltung der radikalen Linken zu überwinden, interessiert sind.

Unsere Aufgabe ist es, sie auch dafür zu gewinnen, sich daran aktiv zu beteiligen. Und angesichts des Sturms, der sich seit Jahren in Südeuropa zusammenbraut, wäre es fatal, eine solche Chance nicht zu ergreifen. Wie aber kann das konkret funktionieren? Unser oberstes Ziel muss es dabei sein, den Charakter des NaO-Prozesses zu erhalten. Weder darf daraus der x-te Versuch, eine revolutionäre Partei aus dem Nichts aufzubauen, werden, noch darf die NaO sich unter Missachtung ihrer selbst blindlings auf irgendwelche vorhandenen oder nichtvorhandenen Massen stürzen.

Offenheit bewahren

Die Offenheit auch gegenüber Ideen, die wir aus unserer eigenen politischen Kultur nicht kennen, die ehrliche Bereitschaft, etwas Neues zu versuchen, die Bereitschaft, über alles zu reden und alles infrage zu stellen (außer über die Notwendigkeit der Abschaffung des Kapitalismus) müssen wir uns bewahren. Aber das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Wenn es so einfach wäre, eine revolutionäre Organisation zu gründen, dann wäre es schon passiert. Nein, wir können nicht heute schon eine fertige Organisation bilden.

Da der NaO-Prozess (glücklicherweise!) Menschen aus verschiedenen politischen Strömungen beheimatet, würde ein derart überstürztes Vorgehen die neue Organisation zügigst sprengen, einfach weil man sich zu so manchen politischen Alltagsfragen nicht auf eine Position einigen kann. Nein, so wie die Situa­tion jetzt ist, muss man bereit sein, auch mal zwei Meinungen im Raum stehen zu lassen oder zu einer vermeintlich zentralen Frage des gegenwärtigen Klassenkampfes keine Position zu haben. Das muss man auch gar nicht. Erst recht nicht als der winzige Haufen, der wir leider immer noch sind.

Wenn wir zu allem eine Position hätten, dann wäre dieser Prozess nicht mehr nötig und wir könnten auch gleich die revolutionäre Organisation gründen. Die Geschichtsschreiber werden es uns verzeihen, wenn wir zu der einen oder anderen Frage nichts zu sagen hatten.

Aber wenn wir den NaO-Prozess zerstören, würden wir damit eine große Chance endgültig vertun. Geben wir dem Prozess also Zeit, Zeit die nötig ist, damit wir zusammenwachsen können.

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