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Ein Bericht vom Weltkongress

17. Weltkongress der Vierten Internationale

Von Manuel und Wilfried | 11.03.2018

Rund 180 Delegierte, Gastdelegierte und Gäste trafen sich vom 24. Februar bis zum 2. März 2018 in Belgien zum 17. Weltkongress der IV. Internationale. Die deutsche Sektion, die Internationale Sozialistische Organisation (ISO), war mit zwei Delegierten mit Stimmrecht und drei Mitgliedern der ausgehenden internationalen Leitungsgremien mit beratender Stimme vertreten. Da eine Organisation aus Australien vertreten war, waren alle fünf Kontinente repräsentiert, am wenigsten Afrika. Die weitaus meisten Delegiertenstimmen hatte die Revolutionäre Arbeiterpartei der Philippinen (RPMM), die schwerpunktmäßig in Mindanao verankert ist. Überhaupt hat sich die Präsenz der IV. Internationale deutlich nach Asien verlagert, wo inzwischen rund 40 % ihrer Mitglieder aktiv sind, darunter in Pakistan in der Awami-Arbeiter-Partei (AWP).

Auch aus Brasilien waren viele gekommen – Genoss*innen von sieben Organisationen, die alle in der Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL) mitarbeiten, untereinander in Verbindung stehen und mittelfristig einen Vereinigungsprozess angehen wollen. Andererseits haben viele Sektionen der IV. Internationale nach wie vor Mitgliederzahlen im kleinen dreistelligen oder im zweistelligen Bereich; einige von ihnen spielen eine wirksame Rolle in der Politik ihrer Länder und innerhalb größerer Parteien, so in Dänemark in der Einheitsliste oder in Portugal im Linksblock oder seit kurzem (seit „Corbyn“) in Großbritannien in der Labour Partei.

Neben den Sektionen gibt es sympathisierende Organisationen und Organisationen mit dem Status „permanente Beobachter“, die an den jährlichen Tagungen des Internationalen Komitees, der breiteren internationalen Leitungsstruktur, teilnehmen und zum Teil nach einigen Jahren der Zusammenarbeit Mitgliedsorganisationen werden.

In Westeuropa sind die früher sehr wichtigen Kräfte der IV. Internationale in Frankreich in der LCR, inzwischen aufgeteilt auf die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) und „Ensemble!“, und wegen der Krise und Fraktionierung der NPA sehr geschwächt. Die italienische Sektion ist in zwei Teile gespalten, die aber solidarische Beziehungen miteinander unterhalten. Stärkste Kraft sind in Westeuropa sind derzeit die „Anticapitalistas“ im Spanischen Staat, die in Podemos arbeiten und auch selbständig auftreten.

Aus einer Reihe von Berichten ging hervor: Die IV. Internationale ist kein Traditionsverein und nicht in der Zeit stehen geblieben, als Leo Trotzki gelebt hat, auch nicht in der Periode vor 1989/90. Ihre Kräfte wollen hier und heute koordiniert politisch wirken, in den sozialen Bewegungen mitarbeiten, in die Kämpfe eingreifen und die Verhältnisse zugunsten derer unten und eines revolutionären und emanzipatorischen Projekts verändern. Trotz ihrer geringen Stärke und Mittel leistet sie mehr als nur weltweite Bildungsarbeit und Ausarbeitung von Positionen. Sie führt auch internationale Solidaritätskampagnen und Koordinierungsarbeit durch. Gerade letztere soll in der nächsten Periode verstärkt werden, zum Beispiel unter kämpferischen Gewerkschaftsaktiven.

Im Mittelpunkt der Debatten standen Entschließungstexte zur internationalen Lage, zu den Veränderungen in der Arbeiterbewegung und in den sozialen Bewegungen sowie zu der Rolle und den Aufgaben der IV. Internationale. Zwei Minderheiten klagten insbesondere eine kritische Bilanz des Mitwirkens in „breiten Parteien“ ein und traten für eine entschiedene Abkehr von dieser Politik ein. Sie konnten nur wenige Delegierte von ihren Positionen überzeugen. Eine große Mehrheit hat ihre Politik weiterentwickelt und spricht nicht mehr wie auf dem vorhergehenden Weltkongress 2010 von „breiten antikapitalistischen Parteien“, sondern von „für die Klassenkämpfe nützlichen Parteien“ (links von Sozialdemokratie und Grünen). Sie nimmt eine scharfe Unterscheidung vor zwischen parteiförmigen Projekten, die zwar letzten Endes reformistische sozialistische Positionen vertreten mögen, jedoch Ausdruck von Radikalisierungsprozessen sind und diese befördern, auf der einen und der Regierungslinken in der Art der Partei von Alexis Tsipras auf der anderen Seite.

Außerdem wurde ein ausführlicher Text zur Zerstörung der Umwelt und ökosozialistischen Alternative, an dem Genoss*innen aus zahlreichen Ländern, von Belgien und USA bis Brasilien und Mexiko, mitgearbeitet haben und der viel Zustimmung erfahren hat, diskutiert und verabschiedet.[i]

Alle genannten Entschließungen waren Ergebnisse eines über zwei Jahre andauernden Diskussions- und Ausarbeitungsprozesses, wurden auf dem Kongress selbst noch weiter verändert und mit großen Mehrheiten verabschiedet. Die Endfassungen werden in Zusammenarbeit mit Genoss*innen in der Schweiz und Österreich ins Deutsche übersetzt und unter anderem auf der Website der ISO veröffentlicht.[ii]

Manuel und Wilfried

[i] Ein britischer Genosse, der zunächst einen alternativen Entwurf für eine Ökologie-Resolution vorgelegt hat (https://intersoz.org/ein-zivilisatorisches-alarmsignal-und-eine-oekosozialistische-antwort/), zog diesen zurück und beschränkte sich auf einige Änderungsanträge zu dem Dokument der internationalen Ökologie-Kommission der IV. Internationale. Einige Änderungen sind von der Kommission übernommen und eingearbeitet worden, zwei verbleibende, die stark umstritten blieben, wurden von einer großen Mehrheit der Delegierten abgelehnt.

[ii] Bisher sind auf dieser Website (https://intersoz.org/) die Entwürfe für Entschließungen des Weltkongresses, die von dem alten Internationalen Komitee und den internationalen Minderheitstendenzen vorgelegt worden waren, auf Deutsch veröffentlicht worden, insgesamt sieben Texte, alle versehen mit der ersten Überschrift „Debatte zum Weltkongress der Vierten Internationale“.

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