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Antifa/Antira

1. Mai 2008 in Hamburg

Von Barbara Schulz | 01.06.2008

„Wenn wir uns auf eine juristische Auseinandersetzung eingelassen hätten, und hätten sie verloren, hätte es keine 1. Mai-Demo des DGB in Hamburg gegeben“, meinte Erhard Pumm, DGB-Vorsitzender in Hamburg. Wie denn das? In St. Pauli führte die offizielle DGB- Demo also vom Gewerkschaftshaus- Besenbinderhof zum Spielbudenplatz-St. Pauli. Die Ortsnamen stehen für Tradition, die Praxis steht für Bruch.

„Wenn wir uns auf eine juristische Auseinandersetzung eingelassen hätten, und hätten sie verloren, hätte es keine 1. Mai-Demo des DGB in Hamburg gegeben“, meinte Erhard Pumm, DGB-Vorsitzender in Hamburg. Wie denn das?

In St. Pauli führte die offizielle DGB- Demo also vom Gewerkschaftshaus-Besenbinderhof zum Spielbudenplatz-St. Pauli. Die Ortsnamen stehen für Tradition, die Praxis steht für Bruch. 2007 wurde eine neue Route für die traditionelle Demo zum 1.Mai gewählt, vom Gewerkschaftshaus zum Museum der Arbeit in Barmbek. Damit sollte eine neue Tradition geschaffen werden. Als der DGB seine Demo für 2008 anmelden wollte, waren ihm die NPD bzw. die Freien Kameradschaften zuvorgekommen. Der DGB behielt das erst einmal für sich und gab im Januar die neue Route bekannt: Zum Spielbudenplatz und ein Fest gemeinsam mit dem Bischof und der Bischöfin der christlichen Kirchen, schließlich war ja auch Christi Himmelfahrt! Pumm, DGB, rechtfertigte das damit, dass mensch sich in der sozialen Frage mit Gleichgesinnten zusammenschließen müsse. Fragen wie Mindestlohn und gar Betriebsverfassungsgesetz spielen bei diesen Tendenzbetrieben keine Rolle. Dem Rufe zum Spielbudenplatz folgten etwa 1500 Demonstrant­Innen, am Fest sollen 3000 teilgenommen haben.
Barmbek
Verschiedene Versuche, eine Demo nach Barmbek zu organisieren, misslangen. Aber an dem Ort, zu dem NPD und Konsorten angemeldet waren, versammelten sich 10 000 Menschen, von DGB-Jugend über Autonome bis zu Gewerkschaftsveteran­Innen. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts, Stadtteilgruppen, das Museum der Arbeit u. a. hatten Aktivitäten entwickelt, die sich sehen lassen konnten. Die polizeiliche Ordnungsmacht wollte diese Demo, die den Stadtteil besetzen wollte, um den „Nazis keinen Raum“ zu geben, in einen anderen Stadtteil schicken, aber – siehe da – das Verwaltungsgericht war andrer Meinung. Es ließ die Barmbeker in Barmbek, in ihrem Stadtteil demonstrieren, Zeit versetzt zu den Nazis. Und so haben 10 000 demonstriert!
NPD und Freie Kameradschaften
Der Aufmarsch der Rechten wurde durch einige Zwischenfälle konterkariert. Auf S-Bahngleisen brannte ein Feuerchen, es wurde blockiert usf. Die Anfahrt musste in Bussen versucht werden, so dass sich – absichtlich oder unabsichtlich – versprengte NPD-Grüppchen zu ihrem Versammlungsort bewegten. Das erleichterte ihnen ihre neue Art der Gewalt – Attacken auf die Antifa und Autonomen – zu starten. Selbst die Polizei äußerte sich, sie sei von den neuen Gewaltformen der Rechten überrascht worden. Wie sich das Getümmel im Einzelnen abgespielt hat, ist nicht klar, es gingen Scheiben zu Bruch, ein Reifendepot brannte, Autos und Busse der Angereisten wurden attackiert. Die Medien hatten ihre Bilder. Jedenfalls hat nur einer der angekündigten Redner sprechen können, und selbst das Absingen der ersten Strophe des Deutschlandliedes wurde durch Unterbrechung der Stromzufuhr ausgebremst.
Folgerungen
Im Hintergrund blieb, dass sich hier eine neue Qualität des Widerstands gegen rechts gezeigt hat. Im Stadtteil Barmbek haben sich mehr als 40 Geschäfte, Einrichtungen, Lokale, das Museum der Arbeit zusammengeschlossen und mit einem Plakat – Hakenkreuz in die Mülltonne – ihre Haltung öffentlich signalisiert. Das zeugt von Zivilcourage, denn Beteiligte sind sich durchaus bewusst, dass sie sich dadurch Übergriffen aussetzen. Aber eine Versammlung von 10 000 Menschen ist schon was!
Der DGB hat sich mit seiner Drückebergerei grundlegend blamiert. Sein Schulterschluss mit den Kirchen wurde selbst von den Medien belächelt. Ein Stadtteil hat mit Unterstützung von außen sich gewehrt, durchaus in dem Bewusstsein, dass der 1. Mai eben nicht ein beliebiges Datum ist. Wie sehr wir aufpassen müssen, dass uns die Deutungsmacht über den 1. Mai als Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse nicht abhanden kommt, zeigt der 2. Mai.
Hamburg, 2. Mai
Im Gewerkschaftshaus fanden zum Gedenken an die Besetzung des Gewerkschaftshause durch die Nazis, Polizei, SA vor 75 Jahren zwei Gedenkveranstaltungen statt: Vormittags um 10.00 Uhr und nachmittags um 16.00 Uhr. Am Ort des Geschehens, dem Gewerkschaftshaus, war das weitgehend unbekannt, es waren auch nur Plätze für etwa 20 Personen vorgesehen. Die Nachmittagsveranstaltung hatte etwas Gespenstisches. Es wurde wortlos ein Blumengebinde an der Gedenktafel am Gewerkschaftshaus niedergelegt und alt gediente Gewerkschafter redeten vor nicht einmal 20 Menschen. Ein bisschen Leben kam nur dadurch hinein, weil eine Handvoll Mitglieder des Jour Fixe der Gewerkschaftslinken eine Diskussion zum 1. und 2. Mai anzettelte, die aber die selbstzufriedene Bräsigkeit eines Erhard Pumm nicht berühren konnte. Positiv war, dass der Vertreter des Museums der Arbeit noch einmal die Stadtteilinitiative verdeutlichte.

Wie die DGB-Führung die Maiereignisse reflektiert, werden wir kaum erfahren, für uns muss es heißen: Nicht nachgeben, schließlich gehört der 1. Mai uns!

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